Textile Elektronik Mit Drucksensoren zum perfekten Fahrradsattel

Wenn der Sitz nicht bequem ist, können lange Radtouren schnell unangenehm werden.

Bild: iStock, pepifoto
22.03.2021

Radfahrer kennen es: Einen passenden Sattel zu finden, ist oft nicht so leicht. Sigrid Rotzler forscht deshalb an Sensoren, mit denen sich die Geometrie des Gesäßes exakt ausmessen und damit der Fahrradsattel individuell formen lässt. Die Sensorik kann auch für weiche Roboter oder Arbeitshandschuhe eingesetzt werden.

Wenn der Fahrradsattel nicht der passende ist, kann es unschön werden: Taubheitsgefühle im Dammbereich und brennender Schmerz in den Sitzknochen sind nur zwei der unangenehmen Folgen. Die Berliner Forscherin Sigrid Rotzler entwickelt daher Drucksensoren, die den Komfort auf langen Radtouren nachhaltig sicherstellen sollen.

Hierfür kombiniert sie Mikroelektronik mit Stickerei: Feinste, nur 0,2 mm dünne Edelstahlleiter werden in einem Abstand von 2,5 mm auf einen Stoff aufgestickt. Rotzlers Ziel ist es, eine textilbasierte Messmatte als Demonstrator für maßgeschneiderte Fahrradsättel zu entwickeln. Doch auch andere Anwendungen sind möglich: in der weichen Robotik oder der Verbesserung von Arbeitsabläufen durch mit Sensoren bestückte Funktionshandschuhe.

Vermessung des Gesäßes

Die textilen Drucksensoren sind in drei Lagen aufgebaut. Zwischen zwei mit Edelstahlleitern bestickten Textillagen befindet sich eine schwachleitende dritte Schicht, deren Widerstand sich druckabhängig ändert.

Die Leiter sind dabei auf der oberen und unteren Lage jeweils um 90 Grad gedreht platziert, sodass die Edelstahlleiter ein Gitter mit bis zu 1.024 Kreuzungspunkten bilden – je nach Gesamtgröße des Sensors. Der an den Kreuzungspunkten gemessene Widerstand gibt Auskunft über die jeweilige Druckbelastung und ermöglicht so, die Geometrie des Gesäßes beim Sitzen auf der Matte exakt zu erfassen.

Was Rotzler herausfinden und in einem Portfolio zusammentragen möchte, ist, welche Materialien in welcher Kombination für welche Anwendungen die zuverlässigsten Werte liefern. Diese Werte generiert sie, indem sie die Sensoraufbauten in den verschiedenen Materialkombinationen unterschiedlichen Belastungsszenarien aussetzt, beispielsweise einer Dauerbelastung, unterschiedlich großen Kräften oder einer gleichbleibenden Kraft mit unterschiedlichen Belastungsgeschwindigkeiten. Der parallel zu Belastung gemessene Widerstand gibt dann Aufschluss über die Eignung der Materialkombinationen.

„Bei der Anwendung der textilen Drucksensoren im Funktionshandschuh müssen eher sich schnell verändernde, kleine Kräfte, die zum Teil nur sehr kurz einwirken, zuverlässig gemessen werden“, sagt die Forscherin. „Als Messmatte für den Fahrradsattel wiederum wirken auf den Sensor größere Kräfte für einen längeren Zeitraum ein. Deshalb ist es hier wichtig, dass sich der Widerstand bei gleichbleibender Dauerbelastung nicht über die Zeit ändert.“

Edelstahlleiter als Sieger

Für drei Komponenten muss Rotzler dabei geeignete Materialien finden: für die beiden textilen Lagen, auf die die Leiter aufgestickt werden, für die Leiter selbst und die Zwischenlage. Für die obere und untere, textile Lage der Messmatte hat sich ein kalanderter, das heißt durch Walzen geglätteter Fließstoff bewährt. Für den Funktionshandschuh ist ein dünneres, leicht elastisches Material geeigneter. Für die Zwischenlage evaluierte Rotzler insgesamt 14 Materialien; bei Experimenten mit Leitern aus Edelstahl, Kupfer und Silber ging hier Edelstahl als Sieger hervor.

Auch testete die Wissenschaftlerin zwei verschiedene Methoden des Stickens: das sogenannte „Tailored Fibre Placement“, bei dem der Leiter mittels eines weiteren Fadens auf dem Textil fixiert wird, sowie das direkte Sticken der Leiterbahnen mit leitendem Stickgarn. Bei beiden Methoden überzeugten Edelstahlleiter.

Allein der Allgemeine Deutsche Fahrradclub zählt mehr als 200.000 Mitglieder. Rotzler rechnet deshalb mit großem Interesse am maßgeschneiderten Fahrradsattel mit perfektem Sitzkomfort.

Zum Projekt

Das Projekt „EmbrASe – Entwicklung von textilbasierter, gestickter Flächensensorik und eines Technologieportfolios als Lösungsplattform für weitergehende Sensorik-Entwicklungen“ ist Teil des Forschungsschwerpunktes „Technologien der Mikroperipherik“. Hier forschen unter anderen die TU Berlin und das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM zusammen. Geleitet wird der Forschungsschwerpunkt von Prof. Martin Schneider-Ramelow, der an der TU Berlin Aufbau- und Verbindungstechniken in der Mikroelektronik lehrt.

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