Fehlerrückverfolgung Minderwertigen Textilien vorbeugen

Anhand textiler Produktionsprozesse erklärt Lukasz Debicki vom Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, wie sich eine Fehlerrückverfolgung auf Basis von Prozessdaten umsetzen lässt.

Bild: Lukasz Debicki, RWTH Aachen
20.07.2020

Eine Möglichkeit, Industrie 4.0 umzusetzen, ist die Einführung einer Fehlerrückverfolgung entlang der Prozessketten. Wie solch eine Fehlerrückverfolgung umgesetzt werden kann, wird im Folgenden am Beispiel der Textilproduktion beschrieben.

In textilen Prozessketten, in denen das Startprodukt zum Beispiel ein Filamentgarn für die Massenproduktion von Bekleidung ist, wird die Produktqualität nur stichprobenartig geprüft. Dadurch bleiben kurzfristig oder periodisch auftretende Fehler in den einzelnen Prozessstufen oft unbemerkt. Diese Fehler können sich über mehrere Prozessstufen hinaus fortpflanzen und werden im schlimmsten Fall erst im Endprodukt, also am Ende der jeweiligen Kette, detektiert.

Je später ein Fehler in der Prozesskette vorkommt, desto schwerer lässt sich feststellen, in welcher Prozessstufe er aufgetreten ist. Die Ermittlung der Fehlerursache ist nahezu unmöglich oder mit sehr hohen Kosten und Zeitaufwand verbunden. Tritt beispielsweise beim Schmelzspinnen eine Unregelmäßigkeit im Auftrag der Spinnpräparation auf, wird dieser Fehler erst in der angefärbten textilen Fläche sichtbar. Die Folge ist Ausschuss oder Ware minderwertiger Qualität.

Ziel einer Fehlerrückverfolgung ist daher die Reduktion von Ausschuss und die Verringerung von Stillständen in der Produktion aufgrund von Fehlern, die sich in der Kette fortpflanzen. Wird ein Fehler erkannt, kann dieser zurückverfolgt, die Ursache behoben und somit der Fehler in Zukunft vermieden werden.

Fehler in vier Schritten zurückverfolgen

Zur Umsetzung solch einer Fehlerrückverfolgung ist ein vierstufiges Vorgehen zielführend. Dazu werden in einer ersten Stufe von jedem Prozess Produkt- und Prozessdaten erfasst und gespeichert.

In einer zweiten Stufe wird das Zwischenprodukt nach seiner Fertigstellung mit einer Identifikationsnummer versehen. Dadurch kann in Folgeprozessen immer das Produkt einem Produktionszeitpunkt und damit den entsprechenden Prozessdaten zugeordnet werden.

In einer dritten Stufe werden die Produktionsdaten an einen unabhängigen Cloud-Betreiber weitergegeben. Dort werden sie gespeichert und bei Bedarf ausgewertet. Durch die Einbindung einer unabhängigen Instanz wird die Prozesskette vernetzt und gleichzeitig firmeninternes Wissen geschützt.

In einer vierten Stufe werden die erhobenen Daten für die Auswertung miteinander verknüpft, sodass sich ein Fehler auf den jeweiligen Prozess, in dem er aufgetreten ist, zurückführen lässt.

Prozess- und Produktdaten in textilen Prozessen können etwa Druck, Temperatur, Motordrehzahl der Produktionsmaschinen oder eine Garndehnung und -festigkeit sein. Diese Daten werden entweder durch Sensoren und Aktoren im laufenden Prozess oder im Labor an Garnproben ermittelt.

Prozesskette mit Hybrid-Cloud verknüpfen

Eine Produkt- und Fehlerrückverfolgung in der textilen Produktionskette ist nur möglich, wenn nachverfolgt werden kann, wann und wie welches Garn verarbeitet worden ist. Eine Identifikation des Garns selbst ist kaum umsetzbar. Besser geeignet ist die Identifikation der Spule, auf die das Garn gewickelt ist.

Produktionsdaten müssen dabei nicht auf der Spule selbst gespeichert werden. Die Spulen müssen lediglich eindeutig identifizierbar sein. Die Zuordnung zu den Prozess- und Qualitätsdaten erfolgt über eine Datenbank, in der die Nummer der Spule, der Produktionszeitraum und die zugehörigen Prozessparameter hinterlegt sind. Als mögliche Identifikationsverfahren eignen sich der Barcode, der QR-Code und die RFID.

Sind die relevanten Daten im Unternehmen erhoben, müssen diese abgespeichert und verarbeitet werden. Cloud-Dienste, wie sie bereits durch den Technologieansatz Cloud Computing beschrieben werden, bieten dafür geeignete Lösungen an. Hauptvorteil ist, dass diese Dienste unternehmensübergreifend eingesetzt werden können.

Zur Vernetzung der textilen Prozesskette ist eine sogenannte Hybrid-Cloud gut geeignet. Die Hybrid-Cloud ist eine Zwei-Stufen-Cloud. In einem ersten Schritt speichern und analysieren die einzelnen Prozessstufen/Unternehmen ihre Produktionsdaten jeweils in einer Private-Cloud. Die Daten sind damit physisch von der Außenwelt getrennt. Tritt eine Abweichung in den Daten auf, wird die Information, dass und wo die Abweichung aufgetreten ist, an die Public-Cloud weitergeleitet. Der Anbieter der Public-Cloud kann dadurch die Fehlerrückverfolgung durchführen, ohne auf sensible Produktionsdaten Zugriff zu haben.

Struktur in die gesammelten Daten bringen

Ist die informationstechnische Infrastruktur aufgebaut, müssen die Daten der verschiedenen Produktionsstufen strukturiert und miteinander verknüpft werden. Das Vorgehen dazu ist angelehnt an die Methode von ABD-ELLATIF. In dieser Methode wird eine Prozessstruktur zur vollständigen Beschreibung leittechnischer Aufgaben in der textilen Prozesskette aufgestellt.

In einem ersten Schritt wird eine strukturierte Übersicht der teilnehmenden Prozessstufen in der betrachteten Prozesskette erstellt. Für die Darstellung wird das sogenannte Phasenmodell der Produktion eingesetzt und in mehreren Ebenen detailliert. Mit dem Phasenmodell der Produktion lassen sich verfahrenstechnische Prozesse gut beschreiben und analysieren. Ausgangspunkt des Phasenmodells ist das Grundfließbild nach DIN 28004.

In einem zweiten Schritt werden mögliche Fehler ermittelt. Dazu wird eine angepasste Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) durchgeführt. Eine FMEA wird ursprünglich als Methode eingesetzt, um systematisch potenzielle Fehler in der Entwicklung und Fertigung eines Produktes zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung daraus abzuleiten. In DIN EN 608112 sind die Methode und ihre Anwendung beschrieben.

Die FMEA wird für Produkt und Prozess durchgeführt. Der angepasste Ablauf der FMEA unterscheidet sich gegenüber einer konventionellen FMEA dadurch, dass keine Risikobeurteilung und kein Formblatt erstellt werden. Der Ablauf der angepassten FMEA ist dementsprechend folgender: Systemstrukturierung mit dem Objektmodell aus der Object Modeling Technique, Funktionsanalyse (interne und externe Funktionen), Erstellung eines Baumdiagrammes.

In einem dritten Schritt werden die Ursachen der in Schritt zwei ermittelten Fehler in den jeweiligen Prozessstufen ermittelt. Dazu wird zu jedem Fehler ein Ishikawa-Diagramm aufgestellt.

In einem vierten und letzten Schritt werden Relationen zwischen Produkt- und Prozesseigenschaften aufgestellt. Die Relationen beziehen sich dabei auf jeweils eine einzelne Prozessstufe und auf die Zusammenhänge zwischen den Prozessstufen. Zur Aufstellung wird eine tabellarische Gegenüberstellung verwendet. Dabei wird lediglich die Existenz einer Relation, nicht die Stärke der Relation dargestellt.

Fazit

Durch das vorgestellte Vorgehen lässt sich eine Fehlerrückverfolgung und damit die Reduktion von Ausschuss und die Verringerung von Stillständen in der textilen Produktion umsetzen. Das Ergebnis des Vorgehens sind Datensätze, die so aufbereitet sind, dass die Implementierung einer Fehlerrückverfolgung mit Ursachenermittlung in der textilen Prozesskette möglich ist.

Bildergalerie

  • Vier Stufen zum Aufbau einer Fehlerrückverfolgung

    Vier Stufen zum Aufbau einer Fehlerrückverfolgung

    Bild: Lukasz Debicki, RWTH Aachen

  • Konzept zur Fehlerrückverfolgung entlang der textilen Prozesskette

    Konzept zur Fehlerrückverfolgung entlang der textilen Prozesskette

    Bild: Lukasz Debicki, RWTH Aachen

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