Stromversorgung & Leistungselektronik „Letztlich lassen sich effiziente Antriebe nur durch intelligente Elektronik realisieren.“

02.07.2012

Interview mit Takashi Nagasawa, Präsident Toshiba Europe

Für welche Applikationen sind intelligente Steuerungen besonders geeignet?

Wir sehen Anwendungen für intelligente Steuerungen im gesamten industriellen, kommerziellen und Konsumer-Umfeld. Entwickler von Aufzügen, Pumpen, Lüftern, Kompressoren, Fließbändern, Haushaltsgeräten, Automobilen und zahlreichen anderen Anwendungen können die Effizienz ihrer Entwicklungen deutlich verbessern, indem sie intelligente Systeme einsetzen, die Motoren mit variabler Geschwindigkeit verwenden.

Warum müssen Entwickler ihre Designs ändern?

Der Druck auf die Entwickler zur Veränderung der Designs kommt aus vielen Bereichen. Einer der treibenden Faktoren hierbei ist die Notwendigkeit, möglichst schonend mit Energieressourcen umzugehen, indem der weltweite Energieverbrauch reduziert wird. Gleiches gilt für gesetzliche Bestimmungen für Industrie und Konsumenten zur CO2-Reduzierung, um den Klimawandel aufzuhalten. Energieeffizienz ist sehr wichtig geworden

Gleichzeitig wollen OEMs intelligente Steuerungen nutzen, um ihre Produkte mit neuen Funktionen auszustatten. Und schließlich wollen Hersteller und Konsumenten die Betriebskosten senken, die System-Leistung verbessern, den Geräuschpegel reduzieren, die Produkte kleiner machen und die Instandhaltungskosten senken. Intelligente Steuerungen können in all diesen Bereichen helfen.

Wie wirken sich diese Veränderungen aus?

Laut einem Bericht der Internationalen Energie-Agentur von 2011 sind Elektromotoren für bis zu 46 Prozent des weltweiten Strombedarfs verantwortlich. Daher hat schon die Effizienzsteigerung bei einem Bruchteil von motorbasierten Antrieben durch intelligente Steuerungen einen großen Einfluss darauf, wie wir weltweit den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß reduzieren können.

Was macht ein intelligentes Design aus - im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen?

Bis vor wenigen Jahren hieß Motoransteuerung in der Regel: das Ein- oder Ausschalten von induktiven Motoren mit konstanter Geschwindigkeit. Das hatte den Vorteil, dass sehr wenig Antriebselektronik erforderlich war. Allerdings sind diese einfachen Designs oft ineffizient, und es müssen in der Regel größere Motoren verwendet werden als eigentlich erforderlich.

In intelligenten Systemen kommen in der Regel BLDC(Brushless DC)- und PMSM(Permanent Magnet Synchronous Motor)-Antriebe mit variabler Geschwindigkeit zum Einsatz. Sie ermöglichen, die Leistung optimal an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Beispielsweise erlauben intelligente Steuerungen in einer Waschmaschine die Anpassung der Schleuderleistung an die Waschladung. Sie betreiben einen Kühlschrank-Kompressor oder eine Pumpe mit verschiedenen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen und Verzögerungen, abhängig von den aktuellen Bedingungen.

Letztlich lassen sich effiziente Antriebe nur durch intelligente Antriebselektronik realisieren. Die neuesten Entwicklungen von Herstellern wie Toshiba, tragen zu einer vereinfachten Implementierung von BLDC-Motoren mit variabler Drehzahl bei.

Leistungselektronik ist nur ein Teil einer Steuerung. Wie groß ist der Einfluss der Leistungselektronik auf das gesamte System?

Die Implementierung von Antrieben mit intelligenter Steuerung setzt verschiedene Elemente voraus. Dazu zählen Host-Prozessoren und Controller, Leistungsendstufen und Optokoppler - und nicht zuletzt der Motor mit variabler Geschwindigkeit selbst.

Die vom Entwickler gewählten Leistungselektronik-Komponenten können einen großen Einfluss auf die Effizienz, Größe, Geschwindigkeit, Geräuschentwicklung, Leistung und Funktionalität dieser Systeme haben. Durch hoch integrierte Leistungs-Bauteile, wie etwa Single-Chip-Inverter, wird das Board-Layout vereinfacht und der Design-Aufwand für den Entwickler minimiert.

Was sind die wichtigsten Komponenten für intelligente Steuerungen?

Neben dem Motor selber sind das:

- Die Logik und Software für das Steuersignal,
die Power-Blöcke, bestehend aus einem Gleichrichter und einer Power-MOSFET- oder IGBT-basierten Inverterstufe,

- ein Mechanismus, um die Rotor-Position zu identifizieren. Hier werden normalerweise Hallsensoren eingesetzt, es gibt aber auch Lösungen ohne Sensor, sowie
Schutzschaltungen und Isolation für die Sicherheit.

Für welche Komponenten sich ein Entwickler entscheidet, hängt von den Anforderungen der Anwendung und der geplanten Design- und Entwicklungszeit ab. So kann beispielsweise die Entscheidung für einen Mikrocontroller, der moderne Algorithmen für die Motorsteuerung in einer Firmware implementiert, den Aufwand der Software-Entwicklung deutlich verringern. Und intelligente Power-Bauteile, die Logik, Treiber und Leistungsendstufen in einem IC zusammenfassen, sparen Platz, reduzieren die Anzahl der benötigten Komponenten und vereinfachen so letztlich das Design.

Wie sieht es mit dem Support für intelligente Steuerungen aus?

Die Unterstützung der Hersteller sollte und muss mit den Bedürfnissen der Entwickler wachsen. Neben den Komponenten wollen diese auch Zugriff auf wiederverwendbare IP und Software-Tools, die die Entwicklung vereinfachen. Daher hat Toshiba kürzlich eine Software veröffentlich, die Entwickler beim Design von Embedded-Steuerungen mit dedizierten Mikrocontrollern für die Motorsteuerung auf Basis von ARM Cortex-M3 unterstützt. Diese Komplettlösung, die Mikrocontroller, das Motor-Mind-Setup, Diagnosesoftware und ein Betriebssystem verbindet, ermöglicht die Entwicklung eines individuellen Antriebs, ohne vorher zusätzliche Code-Zeilen zu schreiben.

Gibt es neben der Energieeffizienz noch weitere Vorteile?

Ja, sogar einige. Intelligente Steuerungen ermöglichen es, kleinere Antriebe für die Anwendung zu verwenden - wodurch sich die Größe des Systems und die Kosten verringern. Elektrisches und akustisches Rauschen kann reduziert werden. Geringere mechanische und elektrische Belastungen führen zu einer längeren Lebensdauer und einer höheren Zuverlässigkeit. Die bessere Positionierung, Geschwindigkeit und Beschleunigung, die sich durch intelligente Steuerungen ergibt, erlauben zudem, die Leistungsfähigkeit des Produktes zu erhöhen.

Was sind in der Leistungselektronik die nächsten Schritte zu noch mehr Energieeffizienz?

Halbleiter-Herstellern wie Toshiba machen beträchtliche Fortschritte bei der Effizienzsteigerung der Bauteile in Bezug auf Prozesse, Gehäuse- und Verbindungs-Techniken. So bieten beispielsweise unsere neuesten MOSFET-Generationen - wie beispielsweise der DTMOS-IV - einen im Vergleich zur letzten Generation um 30 Prozent geringeren RDSON. UMOS-8 trägt durch eine marktführende Leistung zu einer verbesserten Effizienz bei. Beide Produktlinien wurden während der PCIM eingeführt.

Zu den fortschrittlichen Verbindungs- und Verpackungstechnologien, die zu mehr Energieeffizienz beitragen, gehört auch das WARP-Packaging von Toshiba. Hier werden konventionelle Aluminium-Bonddrähte durch eine Kupfer-Verbindung mit einer größeren Querschnittsfläche ersetzt, während ein vergrößerter Source-Anschluss einen niederohmigen Weg für Strom in das Gerät schafft.

Abschließend würde ich gerne noch etwas allgemeinere Fragen stellen. 2011 war ein hartes Jahr für japanische Unternehmen, vor allem verursacht durch das schwere Erdbeben in Ost-Japan und Überschwemmungen in Thailand. Wie ist die Situation derzeit?

2011 war tatsächlich ein schwieriges Jahr: Es gab einige Naturkatastrophen in diversen Regionen der Welt sowie tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Veränderungen. Das große Erdbeben vom 11. März hatte nicht nur große Auswirkung auf die japanische Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch auf die Mentalität und den Lebensstil der Japaner. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist größer geworden und jeder ist sich der Notwendigkeit, Energie zu sparen, noch bewusster geworden.

Gegen Ende des letzten Jahres haben das Erdbeben in Japan und die Flutkatastrophe in Thailand unsere Produktionsstätten vor Ort stark beeinträchtigt, aber inzwischen haben wir die meisten Schäden behoben und kürzlich neue Pläne für unser Halbleiterproduktion in Asien angekündigt.

Wie ist der Status von Toshibas Halbleiter-Fertigung in Thailand nach dem Hochwasser?

Toshiba Semiconductor Thailand (TST) wurde 1990 gegründet und führt die Back-End-Prozesse, einschließlich Montage und Verpackung, für kleine Signal-Komponenten und Optokoppler durch. Diese Geräte werden in digitalen Consumer- und Industrieprodukten verwendet. Für beide Marktsegmente wird in den kommenden Jahren ein starkes Wachstum erwartet.

Die Überschwemmungen zwangen uns, die Produktion dort auszusetzen. Wir haben die Fertigung nach Malaysia und Japan verlagert, während unser Team vor Ort alles tat, um die Produktion wieder zu aktivieren.

Toshiba hat nun angekündigt, dass eine komplett neue Fabrik mit höherer Kapazität und noch mehr Effizienz auf einem um 40 Prozent größeren und höher gelegenen Gelände zu errichten. Mit der neuen Anlage können wir unseren Kunden kostengünstige Produkte anbieten und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen

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