Prozessautomation & Messtechnik „Lesen Sie die Betriebsanleitung“

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co.KG

15.05.2014

Prozessautomation und Wireless-Technik ist eine Kombination, die immer noch exotisch anmutet. Geht es voran? Arne Kröger von Endress+Hauser sieht kleine Fortschritte in der Akzeptanz - und große in den Anwendungsmöglichkeiten. Er hat aber auch Erwartungen an die Anwender.

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Bestimmt 90 Prozent der Prozessautomatisierer sagen: Wo­zu brauchen wir Wireless-Technik? Funktioniert doch ganz prima ohne. Stimmt das nicht, Herr Kröger?

Arne Kröger:

Doch, das ist erstmal richtig. Aber brauchen ist das falsche Wort. In manchen Applikationen kommt man an bestimmte Daten nur über Wireless-Technik, bei mobilen Anwendungen etwa. Wer hier die drahtlose Datenübertragung nutzt, kann seinen Prozess besser fahren und gewinnt weitere Kenntnisse über ihn. Ein weiteres Beispiel ist Energie-Monitoring. Drahtlos lässt es sich viel schneller und kostengünstiger realisieren als mit konventioneller Sensorik.

Wireless-Technik ersetzt also nicht drahtgebundene Kom­munikation per se?

Nein, sie ist aber eine sinnvolle Ergänzung. Sicherlich wird sie in Zukunft mehr und mehr verdrahtete Technik ersetzen können.

Die Fertigungsindustrie nutzt schon jede Menge Wireless-Lösungen. Ganz anders sieht das in der Prozessindus­trie aus. Was muss die Technik mitbringen, um dort breitere Akzeptanz zu finden?

Verlässlichkeit, Datensicherheit und die Möglichkeit, sie in rauen Umgebungen einzusetzen, auch in Ex-Zonen – das sind die typischen Anforderungen. Die haben wir alle schon einmal gehört – und die werden von mehr oder weniger allen Anbietern abgedeckt. Was ich aber mindestens genauso wichtig finde: Man muss die Wireless-Technologie in ein vorhandenes System einbinden können, und zwar ohne großen Aufwand. Da sie ja zunächst ergänzend eingesetzt wird, ist das sogar eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz.

Gibt es Angebote im Markt, die die Forderung nach Einbindungsfähigkeit nicht erfüllen?

Die gibt es. Man spricht bloß kaum darüber. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte für die Integration der Feldgeräte und des Empfangsmoduls. Immer aber gilt: Mit jeder neuen Technologie bekomme ich neue Schnittstellen. Und die sind potenzielle Fehlerquellen. Die muss man vermeiden und zwar auf möglichst einfache Art und Weise.

Wie sieht Ihr Weg aus?

Wir setzen auf das Protokoll WirelessHart, da heute über 90 Prozent der installierten Basis in Deutschland Hart-Feldgeräte sind. Auf der zentralen Zugangsseite haben wir das Protokoll Modbus gewählt, weil es einfach ist, deutlich einfacher als beispielsweise Profibus.

Sie nannten das Beispiel Energie-Monitoring. Welche weiteren Anwendungen sind für Sie naheliegend?

Drahtlose Technologie ist sinnvoll, wenn man Mess­technik nachrüsten muss, etwa für die Gewässerüberwachung. Richtlinien ändern sich, ich muss zusätzliche Messwerte erfassen. In einer bestehenden Anlage Kabel neu zu verlegen, um etwas zu ergänzen, ist sehr teuer. Mit drahtloser Technik kann ich das vermeiden und sehr einfach nachrüsten. In der Regel geht es sogar weniger um die Materialkosten, sondern viel mehr um Zeit.

In wie vielen Anlagen wird denn inzwischen Drahtlos-Technik eingesetzt?

Ich kann nur schätzen. In Deutschland sind es inzwischen sicherlich hunderte von Anwendungen. Noch ist es keine universelle, sondern eine Nischenlösung. Doch das Interesse steigt.

Wird man irgendwann auch Messwerte, die man zur Prozesssteuerung benötigt, drahtlos übertragen?

Das ist bereits der Fall. Noch nicht in der Prozessindustrie. Aber Kräne beispielsweise werden bereits mithilfe drahtloser Technik gesteuert. Welche Technik für welche Anwendung geeignet ist, muss im Einzelfall betrachtet werden. Sicherlich wird die Entwicklung weitergehen. Der Standard WLAN wird sicherlich über kurz oder lang auch in der Prozessindustrie Einzug halten. Ich kann mir gut vorstellen, dass künftig auch prozesskritische Applikationen mit drahtlosen Technologien ausgerüstet werden.

Dazu gehört nicht nur das technische Angebot, sondern auch ein Anwender, der bereit dafür ist. Was ist von ihm gefordert?

Die Bedienungsanleitung le‑ sen. (lacht) Ja wirklich, das würde ich empfehlen. Außerdem, sich einfach mit dieser neuen Technik zu beschäftigen. Mit Herstellern zu sprechen und sich ihre Unterstützung zu sichern. Es bringt wirklich Vorteile. Man kann Zeit und Kosten sparen – und einen Teil davon in Dienstleistungen investieren: etwa in den Service bei der Inbetriebnahme. Vielleicht kann ich dazu mit einem Beispiel animieren: Wir haben eine Sondermüllverbrennungsanlage mit WirelessHart-Geräten ausgestattet und es geschafft, sie innerhalb von zwei Tagen wieder in Betrieb zu nehmen. Geplant waren zehn Tage.

Sie haben sich auf WirelessHart fokussiert. Falls es morgen eine Einigung gibt und die konkurrierende Technik ISA100 zum Standard erklärt wird, könnten Sie dann relativ schnell umschwenken und ISA100-Geräte anbieten?

Da müssen Sie unsere Entwicklung fragen, wie schnell wir da wären (lacht). Aber sicher würde Endress+Hauser davon Wind kriegen und einen solchen Standard unterstützen. Bisher setzen wir alles daran, dass sich WirelessHart als Standard durchsetzt.

Bildergalerie

  • Arne Kröger von Endress+Hauser: „Mindestens ebenso wichtig wie Verlässlichkeit und Datensicherheit von Wireless-Technologie ist die Integrationsfähigkeit in bestehende Systeme."

    Arne Kröger von Endress+Hauser: „Mindestens ebenso wichtig wie Verlässlichkeit und Datensicherheit von Wireless-Technologie ist die Integrationsfähigkeit in bestehende Systeme."

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