Interview „Ohne die Menschen gibt es keine Zukunft“

Eine Übernahme kann durchaus eine positive Entwicklung sein – für Unternehmen, Angestellte und Kunden.

Bild: Fotolia, vege
19.07.2016

Ein inhabergeführter Traditionshersteller wird von einem deutlich größeren, amerikanischen Unternehmen gekauft. Dieses Szenario weckt in der Elektronikbranche nicht nur positive Assoziationen. Eine solche Übernahme kann aber durchaus eine positive Entwicklung sein – für Unternehmen, Angestellte und Kunden. Wie man dies erreicht, erklärt Dean Gilliam, Managing Director bei Aavid Kunze im Interview mit E&E.

E&E:

Im Vergleich zu Aavid ist Kunze Folien ein recht kleines Unternehmen. Weshalb hat Aavid den bayerischen Mittelständler erworben?

Dean Gilliam:

Aavid sucht seit ungefähr fünf Jahren nach einer bestimmten Art von Unternehmen in Deutschland. Wir sind bereits seit über 50 Jahren im Geschäft, und wir haben sehr viele deutsche Kunden. Allerdings waren wir nie wirklich präsent in Deutschland selbst. Dann trafen wir Burkhard Kunze. Er ist ein beeindruckender Gentleman, der in über 30 Jahren ein großartiges Geschäft, basierend auf gutem Ruf sowie auf Qualität, aufgebaut hat. In dem Augenblick, in dem wir Burkhard und sein Team trafen, wussten wir, dass Kunze die absolut beste Wahl ist. Zuvor hatten wir ungefähr 30 Unternehmen in Deutschland unter die Lupe genommen. Manche waren sehr groß, andere sehr klein. Mit Kunze haben wir gefunden, wonach wir gesucht hatten: Ein Unternehmen mit einer Gruppe ganz besonderer Menschen, mit einem großartigen Ruf und mit einem Produkt, das wir bislang nicht im Sortiment hatten.

E&E:

Sie sprechen über Burkhard Kunze, das Team und dessen guten Ruf. Wie ausschlaggebend waren die Menschen für Ihre Entscheidung?

Dean Gilliam:

Aavid ist zwar eine US-amerikanische Gesellschaft, doch in Wirklichkeit sind wir global aufgestellt. Wir wickeln unsere Geschäfte in neun Sprachen ab. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen wird die Kulturen dieser Menschen miteinander verschmelzen. Wir sollten meines Erachtens ehrlich sein: In nahezu allen Kulturen – in Deutschland, Frankreich oder Asien – denken und reagieren Menschen in einer bestimmten Weise, und Amerikaner denken in einer bestimmten Weise. Um unseren Kunden und unseren Angestellten in all diesen Kulturen gerecht zu werden, müssen wir offen für die Unterschiede sein. Wenn Sie bei Kunze durch die Tür kommen, haben Sie ein ganz besonderes Gefühl. Es ist ein technologischer Ort. Er ist offen. Er ist voll Energie, kreativ, innovativ. Burkhard hat hier einfach einen wunderbaren Job gemacht, bei seinen Angestellten, bei der Entwicklung seines Geschäfts und – am allerwichtigsten – bei Kunzes Kunden. Unsere Entscheidung Kunze zu kaufen war zukunftsorientiert. Und ohne die Menschen gibt es keine Zukunft. Sie sind unser wertvollstes Kapital, und daran besteht kein Zweifel, nicht die Gebäude, die wir besitzen. Sondern die Menschen, die bei uns arbeiten. Kunze repräsentiert in besonderer Weise das deutsche Talent für Design und Qualität.

E&E:

Sie sagten, Kunze wird Ihnen eine Chance bieten, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Doch wie wichtig ist im internationalen Markt das Label „Made in Germany“?

Dean Gilliam:

Die Produktfamilie, für die Kunze verantwortlich ist, ist hinsichtlich Erfahrung und Know-how nicht einzigartig. Man könnte dieses Material auch bei anderen Anbietern überall auf der Welt kaufen. Doch bei dessen Anwendung würde man möglicherweise nicht das bestmögliche Ergebnis erzielen. Das Kunze-Team baut sein Geschäft darauf auf, dass absolut sichergestellt ist, dass es dem Kunden dient. Und diese Art zu denken und auf die Details zu achten, diese Möglichkeiten kann Aavid nun all seinen Kunden weltweit zur Verfügung stellen. Es geht um mehr, als lediglich ein deutsches Unternehmen zu sein. Es geht vielmehr darum, wie sie diese Materialien anwenden können, und zwar effektiver als die meisten anderen. Es wird sich in Zukunft um eine Kombination aus Aavids Ingenieurfähigkeiten und Kunzes technisches Können handeln, die sehr gut zusammen passen. Wir sind gleichermaßen stolz auf „Made in America“, „Made in China“, „Made in India“, und „Made in Italy“. „Made in Germany“ bringt hier eine weitere positive Dimension in unser Geschäft.

E&E:

Diese Fähigkeiten liegen bei Teams in verschiedenen Ländern. Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit?

Dean Gilliam:

Bereits vor drei Jahren haben wir unser „Aavid Wertesystem“ etabliert. Damit wollen wir die Menschen auf die Tatsache aufmerksam machen, dass sie in einer multikulturellen Umgebung arbeiten. Der Grund für dieses Wertesystem ist Transparenz. Sie ermöglicht effektivere Arbeitsbeziehungen zwischen Teams auf der ganzen Welt. Jeder Mitarbeiter, der bei Aavid für eine Führungskraft, egal wo auf der Welt, arbeitet, darf diesem alles sagen, was er möchte. So stellen wir sicher, dass keine Bedenken, Ideen oder Kommentare verloren gehen. Wir ermutigen jeden mitzumachen. Genau diese Vorgehensweise erlaubt es uns, global tätig zu sein. Weil heute irgendjemand aus China, Indien oder Amerika bei Kunze anrufen kann und sagen: „Hallo. Ich brauche Folgendes.“ Und was dabei an erster Stelle steht, ist Respekt.

E&E:

Kunden in Deutschland kaufen schon seit Langem bei Kunze ein, und wie Sie bereits erwähnten, geht es bei diesem Geschäft viel um Ruf und Ansehen, Tradition und Vertrauen. Wie wird sich diese Beziehung fortsetzen, und welche neuen Vorteile können Kunden erwarten?

Dean Gilliam:

Man kann mit Sicherheit sagen, dass Aavid manches von Kunze lernen wird. Sie werden uns in vielerlei Hinsicht behilflich sein – besonders bei Wärmeleitmaterialien und deren Anwendung. Doch Kunze wird auch von uns lernen. Was wir als Folge dieser Akquisition nach Deutschland bringen ist, dass wir hier ein Entwicklungszentrum für die deutschsprachigen Märkte einrichten werden. Wir haben elf Entwicklungszentren, überall auf der Welt, und wir nennen sie die „Kronjuwelen“ von Aavid. Sie versetzen uns in die Lage, einem Kunden eine effektivere Lösung anzubieten. Zum Beispiel möchte ein Kunde oft eine thermische Lösung kaufen, von der er glaubt, dass sie die richtige ist. Mit über 100 Ingenieuren können wir effektivere Lösungen entwickeln. Die könnte beispielsweise lauten „Das Gehäuse, das Sie bauen, ist zu groß oder es ist zu kompliziert.“ Mithilfe dieser Ingenieure, die zu den weltweit besten Experten im Bereich Thermal Management gehören, wird der Kunde eine andere Lösung finden, die besser für ihn ist. Um dieses Vorgehen in Deutschland zu vereinfachen, brauchen wir hier eine größere Präsenz. Und die Kunden von Kunze werden ein Design-Center sehen, das viel leistungsfähiger ist als das bisherige. Weil sich die Technologie, die Elektroniktechnologie, grundsätzlich weiter und weiter entwickelt. Dabei passiert es, dass die Elektronik heiß wird, wenn sie eingesetzt wird. Und unser Beitrag besteht darin, eine Lösung bereitzustellen, durch die man seine Prozesse nicht deshalb anhalten oder verlangsamen muss.

E&E:

Welche Vorteile bietet es, solche Entwicklungszentren in örtlicher Nähe zum Kunden zu platzieren?

Dean Gilliam:

Das Unternehmen Kunze eröffnet uns Möglichkeiten, die wir bislang nicht hatten. Wir müssen dafür sorgen, dass wir schnellstmöglich unser Entwicklungszentrum hier in Deutschland einrichten. Es ist kein Geheimnis: Deutsche Unternehmen sind sehr innovativ. Ganz besonders im industriellen Sektor. Die Kombination aus technologischer Tiefe und globalen Entwicklungskapazitäten öffnet unseren europäischen Kunden völlig neue Türen. Durch ein zusätzliches Design-Center in München sind wir in der Lage, unsere Leistungsfähigkeit zusätzlich zu steigern. Es ist natürlich, dass Menschen sich in ihrer Muttersprache unterhalten möchten, und das können wir unseren Kunden nun bieten.

E&E:

Sprechen wir über den Markt für thermische Lösungen. In welche Richtung wird er sich bewegen?

Dean Gilliam:

Das ist ein interessanter Punkt. Meine Kollegen, welche die Großkunden betreuen, neigen dazu, an den mehr auf die Industrie ausgerichteten Anwendungen zu arbeiten. Der Geschäftsbereich, zu dem Kunze gehört, beschäftigt sich mit 45.000 bis 50.000 Kunden weltweit. Und es gibt kleine Kunden mit guten Zukunftsaussichten. Eine Vielzahl wirklich kreativer Dinge steht in den Startlöchern. Für den Elektronikbereich wird ein Wachstum von sechs Prozent vorhergesagt. Und bei näherer Betrachtung sieht man künftig kleinere Geräte und das Bedürfnis nach effektiveren Kühllösungen.

E&E:

Zurück zu Kunze. Auf der PCIM hatten Sie Ihren ersten gemeinsamen Stand. Welchen Eindruck hatten Sie von der Veranstaltung?

Dean Gilliam:

Ich bat Birgit Gulden, unsere Marketing Managerin für Europa, um einen Gefallen. Ich sagte: „Wenn Sie auf der PCIM sind, sagen Sie mir, wie unser gesamtes Messeteam zusammenarbeitet.“ Ich war neugierig, welche Dynamik sich entwickeln würde, wenn Aavids und Kunzes Produkte und Teams das erste Mal gemeinsam in der Öffentlichkeit stünden. Das Team fand sich sehr gut zusammen und wir bekamen nur positives Feedback – sowohl von Kunden als auch von Mitarbeitern. Die PCIM war für uns in mehrfacher Hinsicht ein großartiges Event: Sie brachte Menschen face-to-face zusammen, sie gab uns die Möglichkeit unseren Kunden die Beziehung zwischen Aavid und Kunze näher zu bringen und – sicher am wichtigsten – wir konnten sehen, dass die Zusammenarbeit unserer Teams außerordentlich gut funktioniert. Wir haben großes Glück, so talentierte und engagierte Mitarbeiter in unserem europäischen Team zu haben. Das ist ein großes Geschenk!

Bildergalerie

  • Die erste gemeinsame Messe von Aavid und Kunze – die PCIM Europe – war ein voller Erfolg.

    Die erste gemeinsame Messe von Aavid und Kunze – die PCIM Europe – war ein voller Erfolg.

    Bild: Aavid Kunze

  • „Wir haben elf Entwicklungszentren, überall auf der Welt. Sie versetzen uns in die Lage, Kunden effektivere Lösungen anzubieten.“ Dean Gilliam, Managing Director von Aavid Kunze

    „Wir haben elf Entwicklungszentren, überall auf der Welt. Sie versetzen uns in die Lage, Kunden effektivere Lösungen anzubieten.“ Dean Gilliam, Managing Director von Aavid Kunze

    Bild: Aavid Kunze

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