Uwe Harbauer, Syntegon KI = Mut + Erfahrung!

Uwe Harbauer ist Mitglied der Geschäftsführung von Syntegon (ehemals Bosch Packaging Technology) und leitet den Geschäftsbereich Pharma. Der studierte Maschinenbauer (TU Darmstadt) ist seit 2000 im Unternehmen und gehört seit 2017 der Geschäftsführung an. Zuvor leitete er zunächst den Pharma-Vertrieb und später den Produktbereich Services.

Bild: Syntegon
17.11.2021

Die Pharmabranche ist wahrscheinlich die am strengsten regulierte auf der Welt. Entsprechend konservativ ist sie auch, was neue Technologien betrifft. Wie Künstliche Intelligenz (KI) trotzdem ganz neue Möglichkeiten eröffnet, zeigt ein Praxisbeispiel aus der Inspektionstechnologie.

Ob automatisiertes Fahren, Computerspiele oder Gesichtserkennung – Künstliche Intelligenz (KI) verändert unseren Alltag. Die benötigte Software und Algorithmen sind bereits in vielen Bereichen im Einsatz, darunter auch in der visuellen Prüfung industriell gefertigter Komponenten. Warum sollte man sie also nicht auch für die pharmazeutische Inspektion nutzen? Denn KI-Anwendungen können Patienten auf der ganzen Welt zu Gute kommen.

Pharma: ein entscheidender Unterschied

Die Inspektion stellt einen der anspruchsvollsten Schritte im pharmazeutischen Herstellungsprozess dar und erfordert angesichts zunehmend komplexer Arzneimittel immer ausgeklügeltere visuelle Systeme. Besonders bei hochpreisigen Produkten ist jeder einzelne Fall von Falschausschuss einer zu viel. Entsprechend zurückhaltend ist die Stimmung in der Branche. Doch sie ist dabei, sich neuen Alternativen zu öffnen. Tatsächlich setzen sich viele Pharmahersteller und Maschinenzulieferer mit KI auseinander. Und trotzdem scheuen viele den Einsatz von KI in realen Produktionsumgebungen. Dabei könnte es ganz einfach sein: KI nutzt Deep-Learning-(DL)-Algorithmen, die in der Lage sind, wiederkehrende Muster und Abweichungen zuverlässig zu identifizieren. Genau so haben die Entwickler von Syntegon ihre Aufgabe gesehen: Mittels vorhandener Anwendungen diese Muster zu erkennen – und sie für pharmazeutische Zwecke anzupassen.

Anpassung für pharmazeutische Zwecke

Natürlich reicht es nicht aus, eine Software oder einen DL-Algorithmus einfach auf ein neues Produkt anzuwenden. Das wäre zu einfach gedacht. Denn in der streng reglementierten pharmazeutischen Industrie steht eines im Vordergrund: die Validierung sämtlicher Prozesse.

Ein Beispiel: Gerade bei schwierigen Produkten wie hochviskosen parenteralen Lösungen lassen sich Luftblasen manchmal nur schwer von schädlichen Partikeln unterscheiden. KI nutzt DL-Algorithmen, die in der Lage sind, wiederkehrende Muster und Abweichungen zuverlässig zu identifizieren. Allerdings muss das DL-Modell im Gegensatz zu vielen anderen Branchen an dieser Stelle nach dem Training „eingefroren“ werden, um den Validierungsanforderungen zu genügen. Doch auch daraus lässt sich was machen!

KI wird kommen – auch in Pharma

Das beste Beispiel ist das erste KI-basierte visuelle Inspektionssystem von Syntegon in einer vollautomatischen, validierten Kundenanlage beim Biotechnologieunternehmen Amgen. Dieses Projekt hat zwei Dinge vorausgesetzt: Mut und Erfahrung. Und beides hat sich ausgezahlt. Die Partikelerkennungsrate stieg um 70 Prozent; gleichzeitig konnte der Falschausschuss um 60 Prozent reduziert werden – was für Amgen letztlich zu einer Senkung der Betriebskosten führte.

Die Schlussfolgerung ist also recht einfach: KI-Anwendungen ermöglichen höhere Detektionsraten und können fehlerhaften Ausschuss reduzieren. Und das wiederum kommt nicht nur den Pharmaunternehmen, Maschinenherstellern oder regulatorischen Behörden zugute – sondern den Patienten auf der ganzen Welt.

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