Interview über modernes Engineering „Kein Risiko, sofort Mehrwerte“

Olaf Götz ist Leiter Entwicklung Solution Tools bei Lenze.

Bild: Lenze
06.11.2018

Maschinenbauer stehen durch die Digitalisierung vor großen Herausforderungen: Wie lassen sich neue Geschäftsmodelle generieren, wie kann ich auf Daten basierend die Ausfallsicherheit erhöhen und hilft mir die Digitalisierung schon in der frühen Planungsphase, um die Maschine und das gesamte Engineering zu optimieren? Wie sich diese Fragen lösen lassen und wie Lenze Maschinenbauer dabei unterstützen kann, erläutern Martijn Theunissen, Global Head of Application & Support, Michael May, Leiter Automation Competence Center sowie Olaf Götz, Leiter Entwicklung Solution Tools bei Lenze, im Gespräch mit A&D.

Lenze verbinden viele mit Antriebstechnik. Doch wird auch bei Ihnen die Hardware zunehmend austauschbarer, die Alleinstellungsmerkmale liegen zunehmend in der Software und Brainware?

Theunissen:

Das ist absolut so! Wenn ich reflektiere, wie wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten und Projekte angehen, dann steht die persönliche Kooperation im Vordergrund. Und danach kommt schon direkt die Software. Lenze hat in den letzten zehn Jahren sehr viel in ein Software-Framework für seine Kunden investiert, um Funktionen in einer Maschinenautomatisierung zu modularisieren und zu standardisieren.

Für eine erfolgreiche Digitalisierung braucht es idealerweise von der Entwicklung bis hin zum Produkt beim Kunden einen durchgehenden Informationsfluss. Wie kann Lenze hier eingreifen?

Götz:

Die komplette Engineering-Kette, beginnend mit der Planungsphase, effizienter durchzuführen, ist genau das, wo wir hinwollen. Das heißt, wir unterstützen unsere Kunden von der Idee, der Beschreibung der Maschine, der Lösungsfindung, den dann notwendigen Schritten der Programmierung über die Auswahl passender Software-Komponenten bis hin zur Visualisierung für den Maschinenbediener. In diesem Engineering-Prozess ist ein durchgehender Informationsfluss essenziell. Wenn wir die Arbeiten und Prozesse durch die Bereitstellung des technischen Wissens besser unterstützen und die Informationsflüsse durchgängiger gestalten, können wir die Effizienz steigern, schneller an die relevanten Informationen und zu den richtigen Entscheidungen kommen, Kollaboration verbessern, Risiken reduzieren und Transparenz herstellen. Hier kommen dann auch die sogenannten „Digitalen Zwillinge“ aller Komponenten ins Spiel, um die Informationen innerhalb der Engineering-Kette zu transportieren. Damit können sich die beteiligten Akteure mit ihren unterschiedlichen Tools besser austauschen, das wiederum reduziert Kosten und spart Zeit in den Entwicklungsprozessen. Maschinen werden intelligenter und flexibler, der Betrieb zuverlässiger und das ist unseren Kunden wichtig.

Mit den bisherigen EASY Engineering Tools von Lenze lassen sich Maschinen ja bereits planen, aufbauen und in Betrieb nehmen. Jetzt sprechen Sie aber von „Digital Engineering“. Heißt das, alle Tools von Lenze werden schrittweise Richtung Digital Twin umgestellt?

Götz:

In genau diese Richtung entwickeln wir uns. Mit unseren EASY Engineering Tools unterstützen wir bereits heute die gesamte Entwicklungskette. Auf Applikationsebene sind wir seit vielen Jahren mit unseren FAST-Lösungen sehr erfolgreich und führend unterwegs. Hier kapseln wir Maschinenfunktionen in parametrierbare Software-Module. Damit können Maschinenbauer ohne großen Entwicklungs- oder Programmieraufwand zahlreiche Automatisierungsaufgaben wie z.B. eine Pick & Place, Elektrische Welle oder Kurvenscheiben-Anwendung mit Lenze-Technik schnell realisieren. Was wir jetzt machen, ist diesen Mehrwert unserer Automatisierungsplattform in der Planungsphase stärker abzubilden, wodurch die Engineering- und Applikationsebene noch stärker verknüpft werden. Das bedeutet, den Konstrukteuren steht bei der Ausarbeitung des Maschinenkonzeptes bereits das funktionale FAST-Wissen im Hintergrund zur Verfügung. Die Informationen, die dadurch genutzt werden und entstehen, werden in einem Informationsmodell abgebildet. Dieses Modell spiegelt z.B. die Maschine, ihre Funktionen, ihre Komponenten wider, womit wir beim digitalen Zwilling sind. Die Durchgängigkeit in der gesamten Engineeringkette wird so enorm unterstützt. Der Zwilling sorgt dafür, dass alle Beteiligten die Informationen, die die Maschine und ihre Lösung abbildet, nutzen und anreichern können.

Theunissen:

Digital Engineering der Zukunft geht bei uns so weit, dass Kunden per Drag & Drop eine Maschinenlösung, die modular aufgebaut ist, kreieren können. Das heißt, einzelne mechatronische Module für Materialzuführung oder Pick & Place werden per „Fingertipp“ ausgewählt und mit den Applikationsparametern des Kunden gefüttert. Im Hintergrund erfolgt automatisch über unsere Webservices eine Analyse und es werden die passenden Automatisierungskomponenten und Softwaremodule ausgewählt. Digital Engineering bedeutet für Lenze also mehr als nur ein paar Tools liefern. Wir wollen unsere Kunden mit Services, Beratung und Lösungen über die komplette Wertschöpfungskette unterstützen. Am Ende ist Digital Engineering unserem Verständnis nach auch Team- und Organisationsentwicklung. Wir sehen uns in der Lage, aber auch in der Pflicht, mit unseren Kunden darüber zu diskutieren, wie ihr Engineering-Prozess aussieht und wie wir gemeinsam den nächsten Schritt gehen können.

Braucht ein Industrieunternehmen wie Lenze auch „eingekaufte“ IT-Kompetenz, weil das Verständnis zwischen Maschinen- und IT-Welt noch immer zu weit auseinander liegt?

May:

Lenze besitzt schon aus seiner Historie heraus tiefes Know-how im Bereich Maschinenfunktionen und Maschinenautomatisierung sowie Beratungskompetenz für den Maschinenbau. Aber die Industrie ist durch die Digitalisierung im Wandel, darum haben wir schon sehr frühzeitig mit der Gründung von encoway IT-Kompetenz aufgebaut und holten zudem logicline ins Haus, um die Belange in Richtung IoT noch stärker zu fokussieren. Entscheidend ist, dass wir so die interne Kompetenz und das gegenseitige Verständnis der Maschinenbau- und IT-Ebene ausbauen. Für die tägliche Zusammenarbeit beider Domänen brauchen wir ein gegenseitiges blindes Verständnis. Nur dann gelingt es, die Digitalisierung im Maschinenbau erfolgreich zu meistern und die Probleme und Sorgen von Kunden verstehen und lösen zu können.

Müssen sich Maschinenbauer im Zuge der Digitalisierung auch fragen, was Ihr derzeitiges Geschäftsmodell in Zukunft zugrunde richten könnte?

May:

Wir stellen fest, dass seit geraumer Zeit mehr und mehr Maschinenbauer genau mit diesem Thema auf uns zukommen und über die digitale Transformation sprechen möchten. Die Dringlichkeit, das bisherige Angebot in Frage zu stellen und durch die Digitalisierung fit für die Zukunft zu machen, ist sehr präsent bei unseren Kunden. Und wir sehen uns als starken Partner, Maschinenbauer Schritt für Schritt auf ihren Weg der digitalen Transformation zu begleiten.

Agiert der Maschinenbau dennoch zu langsam in Bezug auf die Digitalisierung?

May:

Ich denke nicht! Aber bei den Anlagenbetreibern, also den Kunden der Maschinenbauer, muss noch sehr viel Wissensvermittlung stattfinden. Hier herrscht noch immer viel Zurückhaltung und Skepsis, von außen Einblicke in die Produktion durch Transparenz der Maschinendaten zu gewähren. Doch mit Remote- und Datenzugriff lassen sich die Linien-Performance verbessern, die Maschinenverfügbarkeit erhöhen, Maschinenstillstände durch „Predictive Maintenance“ verhindern und vieles mehr. Das funktioniert aber alles nur, wenn der Anlagenbetreiber dem Maschinenbauer einen Zugriff auf seine Maschinen von außen gewährt. Auch hier stehen wir unseren Kunden mit Lösungen, Ideen und Argumentationshilfen zur Seite.

Wenn es um Digitalisierung geht, wird schnell von disruptiven Geschäftsmodellen und einem großen Transformationsprozess gesprochen. Schreckt das nicht ab, können Maschinenbauer nicht auch mit kleinen Schritten schnell Mehrwerte generieren?

May:

Nach unseren Erfahrungen ist die Verfügbarkeit beziehungsweise Ausfallsicherheit noch immer eines der wichtigsten Anliegen des Maschinenbaus und der Anlagenbetreiber. Und genau hier lässt sich sehr schnell durch Remote-Zugriff und Erfassung der Maschinendaten die Verfügbarkeit verbessern. Diese ersten Schritte der Digitalisierung bieten sehr schnell einen „Return of Invest“ und das empfehlen wir immer als wichtigste Grundlage für alle weiteren künftigen Investitionen. Den Informationsfluss der Maschinendaten zu realisieren, ist mittlerweile auch komplett risikolos, sowohl vom technischen als auch finanziellen Standpunkt aus. Wir bieten beispielsweise „Software as a Service“ mit monatlichen, sehr überschaubaren Gebühren an. Damit sieht man auf dem Smartphone jederzeit und überall, ob die Maschine gerade problemlos läuft oder sich ein Ausfall ankündigt. Das sind die ersten Schritte, die jeder Maschinenbauer sofort und sicher machen kann.

Müssen beispielsweise Motoren nicht mehr so ausfallsicher, hoch qualitativ und somit teuer sein, weil ja Software-Algorithmen frühzeitig wissen, wann sich Defekte ankündigen?

Theunissen:

Nein, soweit würde ich nicht gehen und das ist auch nicht der Weg von Lenze. Die Erwartungshaltung an die Stabilität und Ausfallsicherheit eines Motors oder einer Maschine ändert sich bei den Kunden nicht – im Gegenteil, sie wird sogar größer. Wo bisher allerdings Varianz und Funktionen direkt in der Hardware realisiert wurden, bildet diese jetzt zunehmend die Software ab. Und deswegen wird die Hardware immer mehr standardisiert und somit austauschbarer. Lenze hat sich deshalb schon frühzeitig als Lösungsanbieter positioniert und punktet jetzt mit intelligenten Funktionsmodulen auf Softwareebene und hoher Beratungskompetenz für unsere Kunden.

Warum sollten Maschinenbauer bei der Digitalisierung auf Lenze setzen?

Theunissen:

Was nützt IT-Kompetenz, wenn man nicht weiß, worauf es im Maschinenbau ankommt? Mit einer simplen Anbindung der Maschine in die Cloud ist noch nichts gewonnen. Wir bei Lenze wissen seit über 70 Jahren, wie Automation funktioniert und wo dem Maschinenbauer der Schuh drückt. Genau deshalb haben wir schon vor vielen Jahren mit der Entwicklung von FAST begonnen, ein Softwareframework, das Software-Module mit fertigen Funktionalitäten zur Verfügung stellt. Unsere Kunden können mit unserer Automatisierungsplattform wirklich effizient entwickeln. Mit diesem Wissen und diesen Lösungen begleiten wir Maschinenbauer von der Ideenfindung für Digitalisierungsprojekte über das Engineering bis hin zur Realisierung Cloud-basierter Services. Wir wissen, dass die Bereitstellung von Daten alleine nicht ausreicht. Das Entscheidende ist vielmehr, diese zu interpretieren und nutzbare Information zu generieren. Genau diese Kompetenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg macht Lenze zum idealen Partner für Maschinenbauer.

Bildergalerie

  • Martijn Theunissen ist Global Head of Application & Support bei Lenze.

    Martijn Theunissen ist Global Head of Application & Support bei Lenze.

    Bild: Lenze

  • Michael May, Leiter Automation Competence Center

    Michael May, Leiter Automation Competence Center

    Bild: Lenze

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