André Fritsch, R. Stahl Jetzt mit Ethernet ins Feld – oder?

André Fritsch ist verantwortlicher Produktmanager für Remote-I/O-Systeme, Feldbustechnik und Netzwerkprodukte bei R. Stahl. Er gehört der Profibus+Profinet International sowie der FieldComm Group an und arbeitet in den Arbeitsgruppen zum eigensicheren Ethernet-APL sowie dem Namur-Open-Architecture-(NOA)-Implementation-Projekt mit.

Bild: R. Stahl
18.11.2021

Die Prozessautomatisierung ist bereit für Ethernet im Feld. Hersteller und Nutzerorganisationen haben in den letzten Jahren Lösungen entwickelt, um Ethernet für die Prozessindustrie tauglich zu machen und stellen jetzt Produkte vor. Und dann geht es los. Oder?

Die aktuellen Entwicklungen zum eigensicheren Ethernet kommen zum richtigen Zeitpunkt. Beim 4-Draht-Ethernet 100BASE-TX-IS der Intrinsically Safe Ethernet Working Group stehen komplexere Analysegeräte, Bedienterminals, CCTV-Kameras oder Remote-I/O-Systeme im Vordergrund.

Die Idee dahinter ist, das verbreitete 100BASE-TX-Ethernet um ein eigensicheres, standardisiertes Frontend zu erweitern, und damit 4-Draht-Ethernet mit 100 Mbit/s als eigensichere Ausführung verfügbar zu machen – vollständig interoperabel zum Industriestandard. Die Standard-Elektronik bleibt bestehen und wird um eine Ex-i-Schaltung ergänzt. Mit 100BASE-TX-IS sind über CAT-Kabel Entfernungen bis maximal 100 m möglich. Ergänzend können Switches und Medienkonverter mit LWL-Schnittstellen vorgesehen werden, die mit Single-Mode-Fasern sogar über 30 km überbrücken können.

Die zweite Lösung ergänzt auf der einen Seite 100BASE-TX-IS – und eröffnet auf der anderen Seite neue Möglichkeiten für Feldgeräte. Ethernet Advanced Physical Layer (Ethernet-APL) ist die dedizierte Lösung für den Einsatz von Ex-i-2-Leiter-Feldgeräten in der Prozessautomatisierung. Es basiert auf Single Pair Ethernet (SPE) 10BASE-T1L und kann auf 2-Draht-Leitungen Entfernungen bis 1.000 m bei 10 Mbit/s überbrücken, mit gleichzeitiger Versorgung der angeschlossenen Geräte. Ethernet-APL ist zu den meisten Eigenschaften von SPE kompatibel. Es verwendet allerdings ein von PoDL (Power over Data Lines) abweichendes Speisekonzept, um die Verwendung der Zündschutzart Eigensicherheit zu ermöglichen.

Angelehnt an FISCO (Fieldbus Intrinsically Safe Concept) wurde mit der Dekra EXAM 2-WISE (2-Wire Intrinsically Safe Ethernet) entwickelt und in der IEC TS 60079-47 standardisiert. Damit können Ethernet-APL-Geräte unterschiedlicher Hersteller ohne rechnerischen Eigensicherheitsnachweis zusammengeschaltet werden. Um die Migration bestehender Feldbusinstallationen möglichst einfach zu gestalten, verwendet Ethernet-APL die Feldbus-Typ-A-Kabel nach IEC 61158-2.

Doch damit ist die Eingangsfrage nicht beantwortet, was mit Ethernet im Feld in der Praxis passiert. Die Zeichen stehen gut, die Frage mit einem „Ja“ zu beantworten. Die unterschiedlichen Konzepte, die im Rahmen der Digitalisierung betrachtet werden, brauchen ein standardisiertes Ethernet im Feld. Sowohl 100BASE-TX-IS als auch Ethernet-APL passen hervorragend für die Namur Open Architecture: Ein zweiter Kanal greift auf zusätzliche Daten aus der Feldebene zu. Diese können von Ethernet-APL-Feldgeräten stammen oder von klassischen HART-Geräten, die mittels Remote I/O in die Ethernet-Infrastruktur überführt werden und über OPC UA zu Datenservern gelangen. Mit Ethernet im Feld erhält der Anwender die technische Basis, aus der Vielzahl an Daten in den Anlagen, verwendbare Informationen und damit einen echten Mehrwert zu generieren – er muss es nur noch tun.

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