Branchenreport Kosmetika Jahrmarkt der männlichen Eitelkeit

publish-industry Verlag GmbH

Evonik, Bilder im Innozentrum am Standort Goldschmidtstrasse in Essen.

Bild: Evonik
17.06.2014

Von A wie Abdeckcreme bis Z wie Zahnpasta – der Kosmetikmarkt ist groß. Zielgruppe ist nicht mehr Frau allein: Männliche Hautpflegeprodukte werden immer beliebter. Unterstützung erhält die Kosmetikbranche von der Biotechnologie.

Wer auf dem Kosmetikmarkt wachsen will, muss sich etwas einfallen lassen. Viele Unternehmen setzen auf das Verteilen von Gratisproben. Früher sei der Trend zu Promotionaktionen nicht so stark ausgeprägt gewesen, sagt Andreas Lange, Geschäftsführer des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel (IKW). Dahinter stehe auch ein Wettbewerb der Handels- und Distributionskanäle. Eine positive Entwicklung sieht Lange bei dekorativer Kosmetik wie Wimperntusche, Lippenstift, Make-up, Rouge sowie bei Männerdüften und -pflege. „Gerade in der Schönheitspflege gibt es viele deutsche Kleinunternehmen, die sich mit Spezialprodukten sehr erfolgreich am Markt halten und auch exportieren – nicht nur ins benachbarte Ausland, sondern etwa in die USA und Mexiko, selbst nach China, die Golfstaaten oder Nordafrika.“

Ein übergreifender Trend in der Kosmetik sind immer stärker auf Teilgruppen zugeschnittene Produkte. Eine von Evonik weltweit durchgeführte Umfrage brachte Erkenntnisse über männliche Pflegegewohnheiten. Silke Langer, Global Marketing Manager im Bereich Körperpflege bei Evonik, weiß: „Bedingt durch die begrenzte Zeit, die Männer für die tägliche Körperpflege aufwenden – zehn Minuten oder weniger –, bevorzugen sie multifunktionale, hochwirksame und einfach anzuwendende Produkte, die für sofortige Effekte sorgen." Zu den Erfolgsfaktoren im Männerkosmetikmarkt zählt sie ein starkes Markenimage, einen eindeutig maskulinen Duft sowie die Erweiterung des Sortiments um zusätzliche Produktkategorien wie Hautpflege, insbesondere Augenpflege. Der Kosmetikmarkt für Männer sei eine der wachstumsträchtigsten Sparten in der Schönheits- und Kosmetikindustrie. „Natürlich müssen dabei jedoch regionale Unterschiede bedacht werden.“

Schönheitsgeheimnis von Koreanerinnen

Unterschiedliche geographische Märkte erfordern auch verschiedene Rezepte, erklärt Katja Gelbe, globale Marketingleiterin für Kosmetik und Körperpflege bei Eckart, Hersteller von Metallic- und Perlglanzpigmenten. Blemish Balm-(BB)-Cremes wurden beispielsweise entwickelt, um den Hautton auszugleichen und damit Schönheitsfehler zu überdecken. Gleichzeitig sollten sie die Haut beruhigen und regenerieren. „Diese Eigenschaften – befeuert von der Begeisterung koreanischer Schauspielerinnen, die BB-Cremes als ihr Schönheitsgeheimnis preisgaben – ließen sie eine Eigendynamik auf dem Gebiet der Farbkosmetik entwickeln.“ Damit diese Cremes den Bedürfnissen von Verwendern auch außerhalb Asiens entsprechen, waren Modifizierungen notwendig: Reichhaltige Texturen wurden in leichtere umgewandelt, der in Asien bedeutsame Aufhellungseffekt verschwand, Farbnuancen wurden angepasst, um zu einer größeren Bandbreite von Hautfarben zu passen. Neben den regional unterschiedlichen Inhaltsstoffen sei die Feinabstimmung von Formulierungen und Texturen unerlässlich. „Je dunkler der Hautton, desto strahlender und metallischer dürfen die Farben des Make-ups sein."

Ein wichtiger Verbündeter der Kosmetikhersteller ist die Biotechnologie. Es ist nicht einfach, Enzyme in einer Creme oder einem Shampoo stabil zu halten. Die Proteine müssen über Monate oder gar Jahre unverändert bleiben und beim Auftragen auf Haut oder Zähne auch wieder freigesetzt werden. Marie-Luise Roth, Referentin bei der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, weiß: „Mit der Biotechnologie können Enzyme und andere Biomoleküle verändert werden, so dass sie in den Endprodukten den widrigsten Bedingungen trotzen und die Produkte dadurch länger haltbar sind." Auch ganze Mikroorganismen werden in Kosmetikprodukten eingesetzt. Eine Zahncreme, bisher nur in Kroatien erhältlich, enthält beispielsweise Milchsäurebakterien, die im Mund mit Karieserreger verklumpen. Die entstehenden Aggregate können beim Zähneputzen leicht aus dem Mund entfernt werden. Geplant sei, die Bakterien in getrockneter Form auch in Bonbons oder Kaugummi zu integrieren. Das Screening nach Mikroorganismen mit „neuen Werkzeugen“ laufe auf Hochtouren.

Eine Bedrohung der Branche ist die Marken- und Produktpiraterie. Nach Angaben des VKE-Kosmetikverbands wurden im vergangenen Jahr im Segment Parfum und Kosmetik in Deutschland von der Zollbehörde gefälschte Waren im Wert von 23 Mio. Euro sichergestellt. Das Segment Körperpflege hat sich zur größten Kategorie bei den Beschlagnahmezahlen entwickelt. Der VKE geht von einer großen Dunkelziffer an gefälschten Kosmetika in nicht autorisierten Vertriebswegen wie Internetauktionsplattformen aus. Martin Ruppmann, VKE-Geschäftsführer, sagt: „Gerade die kleinen Verpackungs- bzw. Stückeinheiten kosmetischer Produkte bieten genug Möglichkeiten für die Verteiler von Piraterieware.“

Probleme bereitet den Herstellern auch die EU-Bürokratie. „Die vor zwei Jahren in Kraft getretene neue Kosmetikverordnung ist für Firmen eine große Herausforderung“, sagt Birgit Huber, Bereichsleiterin Schönheitspflege beim IKW. Für jedes Produkt muss eine Dokumentation erstellt werden, die eine bestimmte Form haben muss. Der zusätzliche Aufwand wie die Meldung der Produkte samt Sicherheitsbericht erfordert hohe Ausgaben.

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