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SIL-Anwendungen Magnetventil für den Dauereinsatz

Ende 2012 hat Festo die Magnetventile VOFC und VOFD im Rahmen der Übernahme des Produktbereiches „Process Automation“ von Eugen Seitz in das eigene Produktprogramm aufgenommen.

Bild: Festo; iStock, bonezboyz
04.05.2017

Der Betrieb von Chemieanlagen erfordert eine stets zuverlässige Technik. In Sicherheitsloops sind Schutzarmaturen wie Ventile daher sehr wichtig. Nach 15-jährigem Dauereinsatz hat der Automatisierer Festo nun seine VOFC-Baureihe nochmals testen lassen. Das neue TÜV-Zertifikat verzichtet jetzt sogar auf eine Beschränkung der Einsatzzeit.

Die Produkte der Bayer Crop Science Division dienen vor allem dazu, Ernteerträge zu sichern und zu steigern. Die Erforschung und Entwicklung eines neuen Pflanzenschutzmittels benötigt aber viel Zeit: in der Regel zwischen zehn und 15 Jahre. Um schneller und individueller produzieren zu können, errichtete Bayer bereits 2002 eine neue Vielzweck-Anlage (VZ-Anlage). Dazu investierte der Konzern am Standort Dormagen rund 110 Millionen Euro. In der VZ-Anlage sind alle Prozesse unter einem Dach zusammengefasst, von der Entwicklung neuer Wirkstoffe für den Pflanzenschutz und den entsprechenden Herstellungsverfahren über die Laborbearbeitung, Bemusterung und Pilotierung bis hin zur Produktion.

Die Anlage ist so gestaltet, dass die vorhandenen Installationen wie Trockner, Zentrifugen, Destillationsapparate und andere Reaktoren in verschiedenen Konfigurationen miteinander verbunden und betrieben werden können. Ein Rohrleitungsbau mit angepasster Verrohrung realisiert die gewünschten Stoffströme. Das Prozessleitsystem sorgt durch eine Aufteilung in 67 Automatisierungssysteme für eine flexible Anpassung der Steuerung. Wegen des Einsatzes brennbarer Flüssigkeiten, des häufigen Wechsels der Prozesse und der vielen Schnitt- und Eingriffsstellen, die für die Verfahrensentwicklung erforderlich sind, ist die Gesamtanlage im Sinne des Explosionsschutzes in Zone 1 und 2 eingestuft.

Sicherheitsrisiken minimieren

Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Chemieanlage ein Ereignis eintritt, hängt wesentlich von der Zuverlässigkeit der einzelnen Anlagenkomponenten und Prozesse in einem Chemiebetrieb ab. Wichtige Faktoren sind zum Beispiel die Verfügbarkeit von Kühlwasser, elektrischer Energie, Not-Halt-Einrichtungen, Entspannungseinrichtungen, Pumpen, Rührwerken und Prozessventilen.

Prozesse können dann sicher beherrscht werden, wenn alle Elemente sicher funktionieren: vom Anlagenfahrer bis hin zu den Sicherheitsfunktionen der elektrischen Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (EMSR). Entsprechend wichtig ist die Sicherung von Prozessanlagen in der Chemie und Petrochemie mittels EMSR. Damit können nicht nur gefährliche Anlagenzustände, wie etwa Überdruck, vermieden werden. Ferner lassen sich frühzeitig Trends erkennen und entsprechende Maßnahmen teils automatisch einleiten. Beispielsweise ist es möglich, eine Runaway-Reaktion durch die Berechnung des Temperaturgradienten auszumachen.

Darüber hinaus hängt die Wirtschaftlichkeit eines Pro­zesses von der Zuverlässigkeit der einzelnen Anlagenelemente ab, also auch von der EMSR. Da moderne Produktionsstätten verfahrenstechnisch oft weitgehend optimiert sind, ist höherer Output nur mit einer zuverlässig funktionierenden Anlage ohne Ausfallzeiten realisierbar. Das bedeutet: Reduktion der
Revisionszyklen und -zeiten sowie Vermeidung von Ausfallzeiten durch Reparaturen außerhalb der geplanten Revisionen oder Stillstandszeiten. Eine Möglichkeit, das sicherzustellen, bietet der Einsatz von zuverlässigen EMSR-Komponenten, die nach IEC 61508 zertifiziert sind.

In der VZ-Anlage von Bayer Crop Science kommen zahlreiche EMSR-Sicherheitseinrichtungen zum Einsatz und schalten unter anderem Dosier-, Entlüftungs- und Dampfventile in Fail-Safe-Positionen. Damit müssen die zugehörigen Magnetventile, die zur Ansteuerung der Antriebe dienen, mindestens die gleiche SIL-Klassifizierung aufweisen wie der gesamte Sicherheitsloop – bei einkanaliger Architektur. Das Magnetventil in einem Sicherheitsloop befindet sich in der Regel zwischen Stellungsregler und Antrieb. Es soll im Notfall schnell den Antrieb entlüften und das Prozessventil schließen.

Nur eine Fehlschaltung in 2.410 Jahren

Ende 2012 hat Festo die Magnetventile VOFC und VOFD im Rahmen der Übernahme des Produktbereiches „Process Automation“ von Eugen Seitz in das eigene Produktprogramm aufgenommen. Sie sind mit TÜV-Gutachten bis SIL 3 verfügbar. Diese Ventile garantieren gemäß der neuen, vom TÜV Rheinland erstellten SIL-Klassifizierung, eine Ausfallwahrscheinlichkeitsrate von 2,41 E-4 und eine Safe Failure Fraction von 75 Prozent. Mit anderen Worten: Bei 2.410 Schaltungen und fachgerechtem Einsatz kann es zu maximal einer Fehlschaltung kommen. Unter der Annahme, solche Sicherheitsloops würden einmal pro Jahr in eine Fail-Safe-Anforderung gehen, hätte das lediglich eine Fehlschaltung in 2.410 Jahren zur Folge. Es ist also beinahe unmöglich, dass das Ventil nicht schaltet, wenn es schalten soll.

Die VOFC- und VOFD-Magnetventile, die es in den Zündschutzarten „Ex em“ und „Ex ia“ gibt, sind daher besonders geeignet für den Einsatz in Sicherheitsloops. Die Norm IEC 61511 „Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie“ setzt allerdings voraus, dass der Betreiber über den gesamten Lebenszyklus des Safety Instrumented System (SIS) die notwendigen Vorkehrungen zur Fehlervermeidung und Fehlerbeherrschung trifft.

Bei einem Magnetventil, das in einem Sicherheitsloop eingesetzt wird und bei dem es nur im Notfall zu einer Schaltung kommt, spricht man von einer sogenannten „Low-Demand-Mode“-Anwendung. Ein solcher Low Demand Mode ist für ein Ventil, das normalerweise für mehrere Millionen Schaltungen ausgelegt ist, eine besondere Herausforderung an das Design und die verwendeten Materialien. Zum einen steht die Magnetspule immer unter Spannung – und das jahre-, teils jahrzehntelang. Zum anderen hat das Magnetventil bei dieser Anwendung eine lange Stillstandszeit und muss im Notfall trotzdem sicher ausschalten können.

Ein Ventil, das universell einsetzbar ist

Über 1.500 Magnetventile der Baureihe VOFC wurden in der VZ-Anlage von Bayer sowohl in sicherheitsgerichteten, als auch in nicht-sicherheitsgerichteten Kreisen verbaut. Ein Großteil dient der Ansteuerung von Kugelhahneinheiten an Tanklagern, Reaktoren, Medienversorgungen und weiteren Applikationen. Die Verantwortlichen von Bayer wünschten zudem ein Magnetventil, das universell einsetzbar und für unterschiedliche Gegebenheiten geeignet ist. Ob für den Einsatz im Freien oder im Gebäude, ob große oder kleine Antriebe gesteuert werden sollen: Ein Ventil sollte alle Einsatzgebiete abdecken können. Außerdem war Kompatibilität zu den Anforderungen notwendig, die eine Ansteuerung in eigensicheren Stromkreisen (Exi) in Zone 1 mit sich bringt.

Die VOFC-Baureihe wurde speziell auf diese Kriterien hin entwickelt. Das Ergebnis ist ein Magnetventil in Kolbensitzventiltechnik ohne dynamische Dichtungen, das mittels einer Membran ohne Reibung schaltbar ist. Da die Konstrukteure dynamische Dichtelemente vermieden haben, entstehen beim Schaltvorgang keine Reibungskräfte, die sich negativ auf das Schaltverhalten auswirken könnten. Diese Technik weist noch weitere Vorteile auf. Bei einer vergleichsweise kleinen Magnetspulenleistung von nur 1,8 Watt – bei der eigensicheren Ausführung sogar unter 200 Milliwatt – hat das Ventil eine hervorragende pneumatische Durchflussleitung. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Schließzeit der Sicherheitsarmatur aus.

Die Entwickler haben auch den rauen Umgebungsbedingungen in den Anlagen Rechnung getragen. Die Magnetventile sind aus diesem Grund mit dem seit Jahren bewährten und hochwertigen Korrosionsschutz Ematal versehen. Da sie primär für den Außenbereich konzipiert sind, weisen die Ventile keine Atmungsbohrungen auf. Entlüftungen sind zudem mit speziellen Rückschlag-Vorrichtungen versehen. Auf diese Weise kommen weder Regenwasser noch Außenluft in die Magnetventile und die nachgeschalteten Antriebe.

Die vorgesteuerten Ventile waren im Jahre 1999 die weltweit ersten Magnetventile, die aufgrund dieser Technik ein TÜV-Gutachten für Anwendungen bis AK 7 und anschließend bis SIL 4 erhielten. Seither sind sie bei vielen namhaften Chemiefirmen im Einsatz und wurden darüber hinaus in die Gerätestandards aufgenommen.

Bei den rund 1.500 Magnetventilen mit TÜV-Gutachten bis SIL 3, die in der Anlage von Bayer verbaut sind, ist es während der Betriebszeit von mittlerweile 15 Jahren zu keinem unsicheren Versagen gekommen. Im Jahre 2015 ließ Festo aufgrund dieser Referenz 14 Magnetventile aus der VZ-Anlage ausbauen und unterzog sie einer ausführlichen Prüfung im Klimaschrank. Die Tests verliefen erfolgreich. Daher war Festo nun in der Lage, die im Jahre 1998 in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland durchgeführten Laborprüfungen mit den in der Praxis bewährten Magnetventilen zu bestätigen.

Einsatzzeit ohne Beschränkung

Im Anschluss an diese Nachprüfung und der parallel dazu durchgeführten FMEA stellte der TÜV ein neues Zertifikat aus. Hierbei konnte nun auf den Beschränkungshinweis der Einsatzzeit verzichtet werden. Festo ist somit das erste Unternehmen, das eine Bescheinigung mit einer unbeschränkten Einsatzdauer für Magnetventile erhalten hat. Der Betreiber ist somit selbst für deren sach- und fachgerechten Einbau, Betrieb und Wartung verantwortlich. Außerdem kann er eigenverantwortlich über die Einsatzdauer der eingesetzten Magnetventile bestimmen, die je nach Umgebungsbedingungen unterschiedlich ausfallen kann. Das bedeutet einen großen Vorteil sowohl für die Kunden, die neue Anlagen planen, als auch für die Kunden, die diese Magnetventile bereits seit vielen Jahren einsetzen.

Bildergalerie

  • Das Magnetventil VOFC von Festo verfügt über einen erweiterten NAMUR-Anschluss und ein TÜV-Zertifikat gemäß IEC 61508.

    Das Magnetventil VOFC von Festo verfügt über einen erweiterten NAMUR-Anschluss und ein TÜV-Zertifikat gemäß IEC 61508.

    Bild: Festo

  • Rund 1.500 Magnetventile von Festo sind in der VZ-Anlage von Bayer im Einsatz.

    Rund 1.500 Magnetventile von Festo sind in der VZ-Anlage von Bayer im Einsatz.

    Bild: Festo

  • Das 3/2-Wege-Kolbenventil kommt ohne dynamische Dichtungen aus. Reibungskräfte, die sich negativ auf das Schaltverhalten auswirken, lassen sich somit vermeiden.

    Das 3/2-Wege-Kolbenventil kommt ohne dynamische Dichtungen aus. Reibungskräfte, die sich negativ auf das Schaltverhalten auswirken, lassen sich somit vermeiden.

    Bild: Festo

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