Schaltbare Flüssigkeiten Intelligentes Fenster verbessert Energieeffizienz von Gebäuden

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Einen Prototyp des selbstverschattenden Fensters präsentiert Doktorand Benjamin Heiz aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Lothar Wondraczek.

Bild: Jan-Peter Kasper / FSU
17.01.2018

Materialforscher der Universität Jena entwickeln intelligente Fenster, die sich auf Knopfdruck verschatten sowie zur solarthermischen Wärmegewinnung nutzen lassen. Die so genannten Fluidikfenster sollen die Energiebilanz von Gebäuden nachhaltig verbessern.

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Klimaschutz und die Verringerung von Kohlendioxidemissionen stehen seit Jahren weltweit ganz oben auf der politischen Agenda. National wie international werden deshalb Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchgeführt, die auf die Verbesserung der CO2-Bilanz unterschiedlichster Prozesse abzielen. Neben besonders energieintensiven Industriezweigen gehört dabei vor allem der Gebäudesektor – vom Einfamilienhaus über Produktions- und Lagerhallen bis zu kommerziell genutzten Gebäuden – zu den größten Schadstoffemittenten. Rund 40 Prozent des Energiebedarfs sind innerhalb der EU auf das Heizen, Kühlen, Belüften und Beleuchten von Gebäuden zurückzuführen.

Diesem Problem widmet sich auch das an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beheimatete Forschungsprojekt LaWin (Large-Area Fluidic Windows), dessen jüngste Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Advanced Sustainable Systems“ vorgestellt werden. In dem Beitrag „A Large-Area Smart Window with Tunable Shading and Solar-Thermal Harvesting Ability Based on Remote Switching of a Magneto-Active Liquid“ präsentieren Jenaer Materialwissenschaftler den Prototypen eines schaltbaren Fensters, das sich auf Knopfdruck selbst verschatten und zur solarthermischen Wärmegewinnung nutzen lassen kann.

Flüssigkeiten in Fenstern und Fassaden

„Kernthema unseres Projektes ist die Nutzung von Flüssigkeiten in Gebäudehüllen, zum Beispiel als Wärmeträger oder um zusätzliche Funktionen in Fenster und Fassaden zu integrieren“, erläutert Prof. Dr. Lothar Wondraczek, Koordinator des Projektes. „Dafür entwickeln wir neuartige Glaswerkstoffe, in die sich großflächige Kanalstrukturen integrieren lassen. In diesen Kanälen zirkuliert dann eine für die jeweilige Anwendung geeignete Flüssigkeit.“

Im neusten Prototypen wird die Flüssigkeit mit kleinsten magnetischen Eisenpartikeln angereichert, die sich mit Hilfe eines Magnets herausziehen oder, durch Abschalten des Magnets, wieder zuführen lassen. „Abhängig von der Menge der in der Flüssigkeit enthaltenen Eisenpartikel nimmt die Flüssigkeit einen unterschiedlich starken Grauton an oder färbt sich komplett schwarz“, erklärt Wondraczek. „So wird das Fluidikfenster unterschiedlich stark abgedunkelt. Zusätzlich wird einfallendes Sonnenlicht zunehmend stark absorbiert, wodurch sich die Flüssigkeit erwärmt.“ Der erzielbare Wärmegewinn pro Fläche sei vergleichbar mit dem üblicher solarthermischer Anlagen. „Und im Gegensatz zu herkömmlichen Solarthermieanlagen können diese Systeme sehr einfach in die vertikale Fassade integriert werden“, sagt der Materialforscher. Das Schalten – also das Zu- oder Abführen der Partikel in die Flüssigkeit – erfolgt dabei in einem separaten Tank. Ein elektrischer Anschluss am Fenster ist anders als in bisherigen Technologien nicht nötig.

Funktion als Klimaanlage, Verschattung und Wasseraufbereitung

„Der Vorteil großflächiger Fluidikfenster besteht vor allem darin, dass sie Klimaanlagen, Verschattungssysteme und beispielsweise die Warmwasseraufbereitung in einem ersetzen können“, hebt Lothar Wondraczek, der an der Uni Jena den Lehrstuhl für Glaschemie innehat, hervor. Hierfür sei die Entwicklung entsprechender großformatiger Glasbauteile zu möglichst niedrigen Kosten der Schlüssel. Die Gläser müssen einerseits die Kanäle enthalten, andererseits über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes unverändert stabil bleiben und sich zudem mit geringem Aufwand in herkömmliche Rahmen von Zwei- oder Dreifachverglasungen integrieren lassen. Dass die drei Aspekte erfüllt werden, konnte das Forschungskonsortium anhand von Prototypen mit einer Gesamtfläche von rund 200 Quadratmetern demonstrieren.

Das mit 5,9 Millionen Euro von der Europäischen Union im Rahmen ihres Horizon-2020-Programms über den Zeitraum von 2015 bis Ende 2017 geförderte Projekt widmet sich innovativen Materialien für intelligente Fenster- und Fassadensysteme. Weitere 2,2 Millionen Euro steuerten insgesamt elf beteiligte Industriepartner bei. Nach dem Ende der ersten Förderphase ist in diesem Jahr die Kommerzialisierung erster Anwendungen geplant.

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