Individuelle Krebstherapien Deutsches Krebsforschungszentrum will Quantencomputer einsetzen

Bei der Entschlüsselung von Tumorgenomen fallen riesige Mengen Sequenzdaten an, die in Zukunft möglicherweise mithilfe eines Quantencomputers ausgewertet werden können.

Bild: Tobias Schwerdt, DKFZ
10.08.2021

Bei Krebspatienten fallen im Laufe ihrer Krankheitsgeschichte extrem viele Daten an. Mangels geeigneter Verarbeitungstechniken lassen sie sich aber nicht verwerten; Patienten erhalten zumeist Standardbehandlungen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum will mit Quantencomputern nun einen anderen Weg gehen.

Um künftig wirksamere Therapiemethoden gegen Krebs zu finden, will das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Partner des Fraunhofer-Kompetenznetzwerks „Quantencomputing“ künftig den Quantenrechner in Ehningen einsetzen. Denn die bis zu 100 TB Daten eines Krebspatienten bieten viel Potenzial für individuelle Therapieansätze. Zu diesen Informationen zählen Blut- und Tumorwerte, persönliche Indikatoren, Sequenzier- sowie Therapiedaten und mehr.

„Wir wollen ergründen, wie wir mit einem Quantencomputer solche heterogenen Daten systematisch aufbereiten und nutzen können, um damit neue, gezieltere Wege zu finden für Patienten, bei denen Immuntherapien weniger wirksam sind“, sagt Dr. Niels Halama, Abteilungsleiter Translationale Immuntherapie am DKFZ und Oberarzt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT). „Die übergeordnete Frage lautet letztlich: Wie kann welcher Patient von welcher Therapie profitieren?“

Damit verbunden sind auch angewandte Forschungsfragen wie: Welche Signalkaskaden und biologischen Prozesse spielen eine Rolle bei der Erkrankung? Wie lassen sich diese für eine individuelle Therapieauswahl nutzen? Welche Fragestellungen eignen sich überhaupt dafür, von Quantenrechnern gelöst zu werden?

Der gewaltige Unterschied zwischen Simulator und Quantenrechner

Die mathematischen Grundlagen hat das Team des DKFZ bereits erarbeitet und erste Erfahrungen an anderen weltweit verfügbaren Systemen und Simulatoren gesammelt. Es sei jedoch ein riesiger Unterschied, sagt Halama, ob an einem Simulator mit perfekten Qubits oder an einem richtigen Quantencomputer wie dem IBM Q System One in Ehningen gearbeitet wird. Erst dort werde ersichtlich, wie stabil er bei einer gewissen Komplexität läuft, wo Fallstricke sind und was möglich ist.

Am Ehninger System wollen die Forschenden ihre Ideen nun anwendungsnah weiterentwickeln und konkretisieren. Es geht ihnen darum, herauszufinden, welche Algorithmen sich zur Informationsverarbeitung eignen, wie sie angepasst oder gegebenenfalls neu entwickelt, aber auch wie etwa Fehlerkorrekturen noch optimiert werden können. Das DKFZ-Team sucht für interdisziplinäre Zusammenarbeit nach Kooperationspartnern aus verschiedenen Bereichen der Forschung und Industrie.

„Wir freuen uns sehr, das DKZF als Kooperationspartner gewonnen zu haben“, sagt Prof. Raoul Klingner, Direktor Forschungsmanagement und –governance in der Fraunhofer-Gesellschaft. „Der Einsatz des Quantencomputers in einem so komplexen und bedeutenden Feld wie der personalisierten Krebstherapie verdeutlicht das Potenzial, das Quantencomputing für die Medizin und zahlreiche Branchen darüber hinaus bietet.“

Wichtige Kriterien beim Umgang mit Patientendaten

Einen hohen Stellenwert bei der Arbeit mit dem Quantencomputer haben für Halama drei Dinge: Datenschutz, Schnelligkeit und Flexibilität. Noch arbeiten die Wissenschaftler mit Testdaten, doch wenn künftig echte Patientendaten zum Einsatz kommen, „ist es ein großer Pluspunkt, dass der Ehninger Quantencomputer unter deutschem Datenschutzrecht läuft und die Daten lokal vor Ort bleiben“, sagt der Mediziner.

Die Schnelligkeit von Quanten-Berechnungen ist ein weiteres wichtiges Kriterium: Denn bei Krebspatienten zählt jeder Tag, und mitunter sind schnelle Entscheidungen gefragt. Da Quantenprozessoren Daten parallel statt hintereinander verarbeiten, haben sie das Potenzial, auch große Datenmengen in einem Bruchteil der Zeit zu analysieren, die normale Computer brauchen.

Interessant ist laut Halama außerdem das flexible, monatliche Ticketmodell, das das Fraunhofer-Kompetenznetzwerk seinen Partnern anbietet. „Das ermöglicht es uns als akademischer Einrichtung, das System flexibel nach Bedarf zu nutzen, auch ohne über einen langen Zeitraum beträchtliche Summen zu investieren. Zudem ist Fraunhofer für uns ein wichtiger wissenschaftlicher Partner, mit dem wir die Brücke zur Anwendung und zum Wohl der Patienten schlagen können.“

Bildergalerie

  • Der IBM Q System One in Ehningen, auf den Fraunhofer exklusiven Zugriff hat, soll helfen, künftig neue Wege in der Krebstherapie zu beschreiten.

    Der IBM Q System One in Ehningen, auf den Fraunhofer exklusiven Zugriff hat, soll helfen, künftig neue Wege in der Krebstherapie zu beschreiten.

    Bild: IBM

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