Fachbeitrag Hoch hinaus mit Holz

LifeCycle Tower: Mit dem weitgehend industriell vorgefertigten Holz-Hybrid-System können großvolumige Gebäude individuell gestaltet und in kurzer Zeit errichtet werden.

Bild: Cree/Norman A. Müller, Vorarlberger Illwerke, DarkoTodorovic/Photographyadrok.net
04.02.2014

Immer mehr Menschen brauchen immer mehr Wohnraum. Um besonders Hochhäuser mit einer hohen Ressourceneffizienz zu bauen, setzt man mancherorts auf Holz und Systembau.

40 Prozent des Ressourcenverbrauchs weltweit (Energie, Rohstoffe) gehen auf das Konto der Baubranche [1]. Um mehr Nachhaltigkeit in die stetig steigende Stadtentwicklung zu bringen, initiierte die österreichische Rhomberg-Gruppe einen Forschungskreis, der sich auf Bauen im urbanen Raum und Gebäudetypen fokussiert, die bei hohem Komfort sowie hoher Funktionalität und Sicherheit deutlich weniger Ressourcen verbrauchen. Dabei haben sich zwei wesentliche Lösungspfade herauskristallisiert, die kombiniert hohe Effizienz versprechen: Bauen mit Holz und Systembau.

Inspiration und Ansporn war dabei Professor Schmidt-Bleek, der eine Dematerialisierung um den Faktor 10 fordert. Mit seinem Konzept des „ökologischen Rucksacks“ hat er einen Indikator dafür entwickelt, wie nachhaltig ein Produkt ist – in diesem Fall ein Gebäude. Der ökologische Rucksack misst, wie viel Ressourcen bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung eines Produktes verbraucht werden. Als logische Konsequenz ergab sich für das Forschungsteam daraus, dass Materialien mit sehr großen Rucksäcken durch ressourceneffizientere Materialien zu ersetzen sind.
Holz als einer der ältesten Baustoffe kann hier eine Lösung sein. In vielen Teilen der Erde verfügbar, spielt es als CO2-Speicher eine wichtige Rolle für die weltweite Klimabilanz. Als Bau­stoff hat Holz das Potenzial, das Gebäudegesamtgewicht um 50 Prozent zu verringern. Weitere Vorteile sind hohe Festigkeit, gute Wärmeisolierung und die 100-prozentige Recyclebarkeit. Darüber hinaus bietet der moderne Holzbau konstruktiv und architektonisch eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten.

Baustoff der Zukunft

Wenn Holz aber in der Stadt des 21. Jahrhunderts zum Einsatz kommen soll, ist es wichtig, damit sowohl großvolumig zu bauen als auch Hochhäuser zu errichten. So war das Hauptziel des Forschungsprojekts, eine konstruktive Lösung zu finden, um Holzbauten bis zu 20 Stockwerken errichten zu können.

Bestrebungen mit Holz in die Höhe zu bauen, gibt es seit einigen Jahren weltweit. Erste Projekte in Österreich, Deutschland, Großbritannien und Kanada zeigen, welche architektonischen Lösungen und welche (Material-)Partnerschaften realisierbar sind. Denn im Verbund können die vielfältigen Qualitäten von Holz nicht nur in Gänze genutzt, sondern auch dessen bauliche Einsatzmöglichkeiten erweitert werden.

Ergebnis des 2010 in Österreich abgeschlossenen Forschungsprojektes ist eine ressourceneffiziente Lösung für holzbasierte, mehrgeschossige Gebäude bis zu 20 Stockwerken oder 80 Metern Höhe – der „LifeCycle Tower“ (LCT). Von der 2010 gegründeten Rhomberg-Tochter Cree (Creative Resource & Energy Efficieny) zur Marktreife gebracht, kann das weitestgehend industriell vorgefertigte Holz-Hybrid-System für großvolumige Gebäude individuell gestaltet, in kürzester Zeit errichtet und weltweit eingesetzt werden. Mit 27 Meter Höhe bleibt der 2012 in Dornbirn (Österreich) fertiggestellte Prototyp „LCT One“ zwar noch knapp unter der Hochhausgrenze, zählt aber zusammen mit dem in London stehenden Murray Grove Tower (9 Geschosse, davon 8 in Brettsperrholz-Massivbauweise) zu den höchsten in Holzbauweise errichteten Gebäuden weltweit. Dass auch Vergleichsprojekte wie „e_3“ in Berlin (Kaden-Klingbeil, 7 Stockwerke aus gekapselten Dickholzwänden), B&O Parkhotels in Bad Aibling (8 Stockwerke in Massivholzbauweise) und Wien (7 Stockwerke, davon 6 in Holzbauweise) bisher nicht höher hinaus gehen, liegt unter anderem an den bestehenden Brandschutzvorschriften – ein wesentliches Thema im Holzbau.

Hier ist Aufklärung notwendig um die Genehmigungsfähigkeit bei Hochhäusern zu erlangen. Dabei sind vornehmlich psychologische Hürden zu überwinden. Bei der Entwicklung des Lifecycle Towers wurde in Brandtests der Deckenelemente nachgewiesen, dass Holz „sicher“ brennt und im Vergleich zu mineralischen Konstruktionen einen hohen Brandwiderstand hat. Die Holz-Hybrid-Decken des Systems erreichen das Zertifikat REI 90, eine Voraussetzung, die neben ausgiebigen Gesprächen mit den zuständigen Behörden und Brandschutzbeauftragten zur Genehmigung des Prototyps führten: Bei der Abnahme stellte sich sogar heraus, dass das Gebäude die brandschutztechnischen Anforderungen auch ohne die integrierten Sprinkleranlagen erfüllen würde.

Flexibilität durch modulare Systembauweise

Auch die Höhe der Baukosten wurde berücksichtigt. So setzt das Unternehmen auf Industrialisierung des Fertigungsprozesses, wie man ihn etwa aus der Automobilindustrie seit Jahrzehnten kennt. Ein großer Vorteil, denn der Faktor Zeit ist wesentliches Kriterium im modernen Bauprozess, insbesondere im urbanen Kontext – enge Räume, Logistik, Belastung der Anwohner. Durch systematisierte Elementbauweise mit einfachen Rohr-Dorn-Steckverbindungen, Computer-gesteuerter Planung sowie Fertigung in der Region verkürzt sich die Bauzeit um bis zu 50 Prozent, denn Austrocknungszeiten und komplexe Arbeiten am Bau entfallen. Das senkt Kosten und verspricht Investoren einen schnelleren Return-on-Investment.
Das Holz-Hybrid-Bausystem wird nach Plan vorgefertigt und kann universell eingesetzt werden – als Bürohaus, Hotel oder Wohngebäude, für Gastronomie oder Einzelhandel. Weitere Vorteile der modularen Systembauweise sind:

  • Umnutzung und Renovierung werden vereinfacht.

  • Die Fassade kann nach den verschiedensten Anforderungen und Wünschen konfiguriert werden und gibt so jedem LCT ein individuelles Aussehen.

  • Hohe Flexibilität in der Raumaufteilung, da keine tragenden Trennwände notwendig sind.

  • Effiziente, optimal an Standortgegebenheiten anpassbare Energieversorgung mit Wärme und Strom, wobei der Fokus auf der Nutzung erneuerbarer Energiequellen liegt, sprich Plusenergie-, Passivhaus- oder Niedrigenergiestandard.

Bisher einzigartig ist dabei der Ansatz, Holz als ungekapseltes Element in tragenden Massivholzbauteilen im Hochbau einzusetzen, wodurch zusätzlich Ressourcen gespart werden. Während Vergleichsprojekte aus Brandschutzgründen Gipsfaserplatten zur Verkleidung der Wände einsetzen, bleiben hier die Wesensmerkmale von Holz – Struktur, Haptik und Ausstrahlung – erhalten und sind im Innenraum erlebbar.

Ressourceneffiziente Lösung für den Wandel

Der Trend zum mehrgeschossigen, holzbasierten Bauen im urbanen Raum wird sich fortsetzen, wie auch Beispiele auf der internationalen Bausausstellung (IBA) 2013 in Hamburg zeigten. Zu sehen waren dort unter anderem der „Woodcube“, ein Wohngebäude, und das „Wälderhaus“, ein Multifunktionsgebäude für die Schutzgemeinschaft deutscher Wald, beide 5-geschossig. Außerdem die beiden 4-geschossigen Studien „Hamburg“ und „#1“.

Dass das im Forschungsprojekt entwickelte System funktioniert und auch in punkto Brandschutz genehmigungsfähig ist, beweisen folgende Projekte in Österreich: Der achtstöckige Büroturm LCT One dient Cree und weiteren Mietern als Firmensitz. Gleichzeitig beherbergt er eine Art Zukunftsmuseum, in dem verschiedene Firmen nachhaltige und mit dem LCT-System kompatible Lösungen für die Bauwirtschaft präsentieren.

Als erstes Kundenprojekt wurde von 2012 bis 2013 das neue Wasserkraft-Kompetenzzentrum der Vorarlberger Illwerke in Vandans, Montafon, im LCT-System errichtet. Mit 5 Stockwerken und über 10.000 m2 Bruttogeschossfläche ist es einer der größten und nachhaltigsten Holz-Hybridbauten der Welt. Das sowohl in wissenschaftlichen als auch politischen Papieren als Musterlösung präsentierte LCT-System zeigt, dass die von der EU 2011 im Ressourceneffizienzprogramm geforderten Ziele realisiert werden können. Berücksichtigt man den ökologischen Rucksack, den Werkstoff Holz und die Wiederverwendbarkeit, zeigt das Beispiel, dass bereits heute in der Bauwirtschaft eine Dematerialisierung um einen Faktor 5 oder mehr möglich ist.

Weitere Informationen

[1] UNEP, Sustainable Buildings & Construction Initiative, 2009

Bildergalerie

  • Holz-Hybrid: Das im LCT-System errichtete Wasserkraft-Kompetenzzentrum der Illwerke in Vandans im Montafon hat fünf Stockwerke und über 10.000 qm Bruttogeschossfläche.

    Holz-Hybrid: Das im LCT-System errichtete Wasserkraft-Kompetenzzentrum der Illwerke in Vandans im Montafon hat fünf Stockwerke und über 10.000 qm Bruttogeschossfläche.

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