Mittelspannungsschaltanlage für Stadtwerke Historische Hülle, neuer Kern

Bild: iStock, wundervisuals
08.05.2017

Stadtwerke müssen sich auf wachsenden Energiehunger und immer produktivere EE-Anlagen in ihrem Stadtgebiet einstellen. Bauliche Gegebenheiten erschweren oft den Ausbau bestehender Versorgungskapazitäten. Doch mit guter Planung und der zündenden Idee, findet neue Technik auch in historischer Umgebung Platz.

Die Stadtwerke in Neustadt an der Aisch, die sogenannten Neustadtwerke, beliefern rund 13 000 Bürger und zahlreiche Industriekunden mit elektrischer Energie. Der Strom stammt zu 100 Prozent aus regenerativen Energiequellen und wird über insgesamt vier Ringleitungen verteilt.

Einzelne Unternehmen weiteten zuletzt ihre Produktion deutlich aus. Das führte zu steigendem Energiebedarf. Außerdem wird seit einigen Jahren auch immer mehr Strom aus Photovoltaikanlagen in das städtische Netz eingespeist. Weil Photovoltaikstrom zunächst durch einen Wechselrichter von Gleichstrom auf Wechselstrom umgewandelt werden muss, kann es dann beim Einspeisen zu einer Erhöhung des Spannungsbandes kommen. Das wiederum kann die Netzstabilität beeinträchtigen, für die der städtische Energieversorger verantwortlich ist. Da sich im Versorgungsgebiet auch strukturrelevante Verbraucher wie Krankenhäuser oder Altenheime befinden, stehen Netzstabilität und Versorgungssicherheit ganz oben auf der Prioritätenliste.

Um die Netzstabilität weiterhin zu gewährleisten, mussten die Stadtwerke zusätzliche Kapazitäten in der elektrischen Energieversorgung schaffen. Mit der ursprünglichen Übergabestation war dies allerdings nicht möglich. Deshalb sollte die alte Anlage teilweise durch eine Mittelspannungsschaltanlage ausgetauscht werden. Konkret sollte die Ringstruktur auf der sekundären Verteilungsebene um zusätzliche Versorgungsringe erweitert werden.

Von Vergangenheit eingeholt

Ein schwieriges Unterfangen: Denn als die alte Anlage in den 1980er-Jahren entstand, war es üblich, die Gebäude von Übergabestationen genau an die Bedürfnisse der technischen Ausstattung anzupassen. Beim Austausch der Geräte kann es deshalb passieren, dass die baulichen Voraussetzungen für die neue Ausstattung zu groß oder zu klein bemessen sind. Diese Umstände betreffen viele Betreiber bei einem vollständigen oder teilweisen Austausch solcher Anlagen.

Auf der primären Verteilungsebene verließ man sich in Neustadt seit 1987 auf insgesamt 14 Felder der Siemens-Mittelspannungsschaltanlage (MS-Anlage) vom Typ 8BJ20. Sie waren in zwei sich gegenüberliegende Sammelschienenabschnitte aufgeteilt, wobei zusätzlich vier Leerfelder zur Verfügung standen. Zum Aufbau weiterer Versorgungsringe waren jedoch insgesamt 19 Felder nötig – und damit mehr als selbst nach Erweiterung verfügbar gewesen wären. Die Stadtwerke entschieden deshalb, einen Sammelabschnitt durch neue Elemente auszutauschen.

In der Umsetzung ergaben sich dabei einige Herausforderungen. Einerseits sollte der Austausch während des laufenden Betriebs stattfinden, deshalb durfte die Stromversorgung zu keinem Zeitpunkt unterbrochen werden. „Im Prinzip steht man während der kurzen Zeit der Umstellung auf einem Bein. Wir hatten daher mit dem Energiezulieferer bereits Verabredungen getroffen und beispielsweise über eine zweite Freileitung die Versorgung sichergestellt“, erklärt Klaus Stöhr, Prokurist und technischer Betriebsleiter bei den Neustadtwerken. Hinzu kam, dass nach Abschluss des Austauschs die bestehende Anlage parallel zur neuen betrieben werden sollte. Es war also wichtig, dass beide Systeme zueinander passen. Außerdem durften laut planerischer Vorgabe der Neustadtwerke keine baulichen Maßnahmen am Gebäude der Übergabestation vorgenommen werden. Und schließlich waren aktuelle Personenschutzrichtlinien zu beachten.

Gasisolierte Schaltanlage

Nach Berechnungen von Matthias Koch, Vertriebsbeauftragter Utilities bei der Siemens Energy Management Division, war es möglich, neun Felder der alten MS-Anlage in Betrieb zu halten und lediglich einen Teil durch zehn neue Felder des Typs Nxplus C auszutauschen (siehe Kasten). Während vergleichbare Leistungsschalter-Festeinbauanlagen früher luftisoliert waren, ist die Nxplus C gasisoliert. Sie hat damit eine deutlich kompaktere Abmessung. So fanden zum einen alle benötigten 19 Felder im vorhandenen Gebäude Platz. Zum anderen entstand zusätzlicher Platz, um die neue Mittelspannungsschaltanlage zu erweitern.

„Wir haben verschiedene Möglichkeiten durchgerechnet. Am Ende hat sich herausgestellt, dass die Lösung von Siemens unseren Bedürfnissen entspricht. Und darüber hinaus war das auch die wirtschaftlichste Variante“, erklärt Stöhr. Eine Frage blieb zunächst jedoch offen: Die neue Anlage war mit einer Breite von 60 cm fast halb so schmal wie die alte. Deshalb passten die eigens angelegten Kabelzuführungen unterhalb der Felder nicht mehr.

Da eine bauliche Veränderung am Gebäude enormen Planungsaufwand bedeutet und der Umbau viel Zeit gekostet hätte, hat Siemens die Schaltanlage auf einen etwa 20 cm hohen Sockel gestellt. Statt Stromschienen kommen zudem Alukabel zum Einsatz, die sich minimal biegen lassen. So ist es möglich, die Kabel trotz der auf einen Meter angepassten Öffnungen unterhalb der Schaltschränke passgenau den schmaleren Modellen zuzuführen.

Umbau erhöht Sicherheit

Im Falle eines Störlichtbogens tritt bei gasisolierten Schaltanlagen das Gas unter großem Druck aus. Ein neu angebrachter Druckausleitkanal führt die Druckwelle aus dem Raum der Mittelspannungsschaltanlage heraus. Das garantiert selbst für Personen, die sich in so einem Extremfall im Raum befinden, eine hohe Sicherheit. Anlässlich des teilweisen Austausches wurde die neue Anlage mit der Siprotec-5-Gerätereihe ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine leistungsfähige Automatisierung mit grafischer Darstellung. Sie ermöglicht eine sichere, serielle Schutzdatenkommunikation auch über weite Distanzen und alle physikalischen Medien hinweg. Damit können alle relevanten Betriebsgrößen gemessen und die Schaltgeräte gesteuert werden.

Durch den teilweisen Austausch der Mittelspannungsanlage bei den Stadtwerken in Neustadt an der Aisch gegen eine neue, gasisolierte Siemens-Mittelspannungsschaltanlage konnten Versorgungssicherheit und Netzstabilität im Verteilergebiet erhöht werden. Die Neustadtwerke haben dadurch aktuelle Herausforderungen wie einen gestiegenen Energiebedarf im Versorgungsgebiet sowie vermehrte Einspeisung von Photovoltaik-Strom bewältigt. Durch die Montage konnten die neuen Anlagenteile installiert werden, ohne bauliche Maßnahmen am bestehenden Gebäude der Übergabestation vorzunehmen.

Bildergalerie

  • Sind im Zuge eines Gerätetauschs in Gebäuden von Übergabestationen bauliche Anpassungen nötig, sind diese mit hohen Kosten verbunden. Siemens hat deshalb eine Lösung gefunden, die neue Technik ohne Umbau in die alte Übergabestation in Neustadt zu integrieren.

    Sind im Zuge eines Gerätetauschs in Gebäuden von Übergabestationen bauliche Anpassungen nötig, sind diese mit hohen Kosten verbunden. Siemens hat deshalb eine Lösung gefunden, die neue Technik ohne Umbau in die alte Übergabestation in Neustadt zu integrieren.

    Bild: Siemens

  • Da Nxplus C gasisoliert ist, verfügt die Schaltanlage über kompakte Abmessungen und hat bei den Stadtwerken Neustadt zusätzlichen Platz geschaffen.

    Da Nxplus C gasisoliert ist, verfügt die Schaltanlage über kompakte Abmessungen und hat bei den Stadtwerken Neustadt zusätzlichen Platz geschaffen.

    Bild: Siemens

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