Kollaborative Robotik High-Performance-Antriebssysteme

Der Vollwellen-Servomotor RD70 von TQ-Systems zeichnet sich vor allem durch das kompakte Design aus.

Bild: TQ-Systems
14.09.2018

Insbesondere kollaborative Roboter verlangen nach dynamischen, hochintegrierbaren und leichten Antriebssystemen. Bei deren Entwicklung kommt es nicht nur auf das richtige Design an, sondern auch auf schnell getaktete Leistungselektronik und richtig aufgelöste Positionsgeber.

Die Robotik, speziell die kollaborative Robotik, gehört zu den wachstumsstärksten Branchen des vergangenen Jahrzehnts. Zunehmender Automatisierungsdruck bei industriellen Anwendungen und der Trend zur Digitalisierung haben diese Entwicklung beschleunigt. Das Anforderungsprofil der elektrischen Antriebe, mit denen Robotikanlagen und ihre Komponenten ausgestattet werden, ist dabei klar definiert.

Entsprechend der Auslegung des Gesamtsystems müssen sie hochintegrierbar sein und dazu möglichst wenig Bauraum und Gewichtsbelastung einnehmen. Typische Bauräume – bestehend aus den Grundkomponenten Servomotor, Leistungselektronik sowie hochauflösendem Geber – verfügen hier in der Regel über verhältnismäßig kurze Achslängen bei verhältnismäßig großen Durchmessern. Neben diesen fixen Voraussetzungen besteht das eigentliche Differenzkriterium in der Dynamik beziehungsweise in der Maximierung der Roboternutzlast.

Daneben müssen Robotikantriebe eine Reihe von weiteren Anforderungen erfüllen. Wichtig ist hier insbesondere eine hochpräzise und ruckfreie Positionierung – entsprechend dynamisch muss die Reaktionsfähigkeit auf Störgrößen ausfallen. Hohe Dynamik ist auch notwendig, um optimal auf Eingriffe in den Arbeitsbereich des Cobots zu reagieren und so eine sichere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu garantieren.

Herausforderungen beim Design des Motors

Zentrale Messgröße ist die Dauerdrehmomentdichte. Deren Ausgangspunkt liegt primär im Design des Motors, der – um hier ideale Voraussetzungen für die jeweilige Anwendung bieten zu können – wiederum ganz auf die Anforderungen des Gesamtsystems zugeschnitten sein muss. In diesem komplexen Kontext spezifischer Relationen und Bezüge stellen sich den Entwicklern folgende zentrale Aufgaben: die Maximierung der elektromagnetischen Drehmomentbildung (1), die Minimierung des Eisenkreises (2) und der Verlustleistung (3) sowie die Optimierung der Kühlung (4).

1. Optimierung der elektromagnetischen Drehmomentbildung: Es gibt zwei grundsätzliche Ansätze, um die Dynamik des Drehmoments zu optimieren. In der ersten Variante geschieht dies über das verwendete Magnetmaterial. Um hier entsprechende Vorteile zu erzielen, werden diejenigen Selten­erdenlegierungen eingesetzt, die unter den gegebenen thermischen Bedingungen im Motorbetrieb die höchste Remanenz aufweisen. Der zweite, wirkungsmächtigere Hebel ist die Polpaarzahl. Grundsätzlich steigt die Drehmomentbildung mit der Polpaarzahl. Das erhöht aber zugleich die Fragilität des Motoraufbaus. Daher müssen während der Entwicklung elektromagnetische ebenso wie Machbarkeitsfaktoren berücksichtigt werden. Nur so kann die optimale Polpaarzahl erreicht werden.

2. Optimierung des Eisenkreises: Grundsätzlich ist es das Ziel der Motordesigner, so wenig Eisen wie nötig zu verbauen, um überflüssige Masse und Volumen zu sparen. Die Minimierung des Eisenanteils bringt aber eine frühzeitigere Sättigung bei höheren Strömen mit sich. Das Sättigungsverhalten und damit der Eisenkreis müssen also stets unter Berücksichtigung des thermischen Verhaltens des Motors abgestimmt werden.

3. Minimierung der Verlustleistung: Der Ohm’sche Verlust macht den größten Anteil der Gesamtverlustleistung bei Robotikanwendungen aus. Deswegen ist es in der Regel am effektivsten, die Kupferverluste zu reduzieren. Um dies zu gewährleisten, muss der Kupferfüllfaktor der Nut c_CU maximiert werden. Dazu müssen nicht nur Windungszahl und Blechschnitt aufeinander abgestimmt, sondern auch spezielle Wickeltechniken eingesetzt werden. Mit entsprechendem Know-how kann man so in Bereiche von c_CU≈ 65 bis 70 Prozent vordringen. Ein weiterer signifikanter Einflussfaktor ist die Ausführung als konzentrierte Wicklung. Diese spart einerseits Bauraum und minimiert andererseits Verluste im Bereich der Wickelköpfe. Wichtig bei dieser Wicklungsart ist es, dass der Motordesigner den Fokus auf die Reduzierung des Oberwellengehalts der induzierten Gegenspannung und der Ripple-Momente des Motors legt. Oder aber der Regelungstechniker sieht entsprechende Kompensationen vor, um auf diese Weise negative Auswirkungen etwa auf die Positionierung des Roboters zu vermeiden.

4. Optimierung der Kühlung: Zwar können Verluste immer weiter minimiert werden, dennoch bleibt ein Restbetrag übrig, der abgeführt werden muss, damit der Motor nicht überhitzt. Hauptverlustquelle ist typischerweise die Wicklung: Von hier aus muss ein möglichst guter Wärmeübergang zur Umgebung hergestellt werden, um das größtmögliche Dauerdrehmoment erzeugen zu können. In der kollaborativen Robotik sind passiv luftgekühlte Systeme die Regel. Da Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, bietet es sich an, die Wicklung unter einer Vakuumatmosphäre zu vergießen und damit einen besseren Wärmeübergang zum Stator und vor allem eine unmittelbare Anbindung der Wickelköpfe an die umgebende Roboterstruktur zu ermöglichen. In dieser Variante ergibt sich im Vergleich zu herkömmlichen Statoren ein Steigerungspotenzial der Drehmomentdichte von bis zu 50 Prozent.

Fazit: Erst in der Optimierung all dieser Faktoren und deren Abstimmung zum High-Performance-Motor, entsteht ein Antriebssystem mit optimalem Bauraum.

Dynamik durch Umrichter-Technologie

Die Bildung des Drehmoments des Motors ist in erster Näherung unabhängig von der konkreten Wicklungskonfiguration. Geht es allerdings um die Auslegung der Leistungselektronik, ist die Anpassung der Wicklung und damit des Drehzahlbereichs des Motors von entscheidender Bedeutung. Nur auf dieser Basis lassen sich die Stromtragfähigkeit des Antriebsumrichters und damit seine Baugröße optimieren. Hier stellt sich die elektrische Antriebstechnik als Systemdisziplin dar. Die Wicklung, eigentlich ein Teil des Motors, ist dabei ein maßgeblicher Hebel für die Optimierung der Komponente Leistungselektronik.

Die hohe Drehmomentdichte des Motors zieht eine Steigerung der dynamischen Anforderungen an den Antriebs­umrichter nach sich. So sorgt etwa die hohe Polpaarzahl in Kombination mit Motordrehzahlen im Bereich von mehreren tausend Umdrehungen pro Minute dafür, dass die Kommutierungsfrequenzen im Bereich einiger weniger Kilohertz liegen. Um dennoch saubere sinusförmige Phasenströme darstellen zu können und damit unter anderem die Eisenverluste im Rahmen zu halten, sind Taktfrequenzen von mindestens 25 kHz nötig. Allerdings ermöglichen diese hohen Taktraten auch Reglerbandbreiten, die über die Unterdrückung von Ripple-Momenten hinaus höchstdynamische Reaktionen auf Störgrößen erlauben. Erneut wird hier die Antriebstechnik zur Systemdisziplin mit deren Forderung nach möglichst präzise aufeinander abgestimmten Komponenten.

Auflösung des Positionsgebers

Neben den Grundvoraussetzungen – agiler Motor und schnell getakteter Leistungselektronik – liegt der Schlüssel zum gesamten High-Performance-Antriebssystem in der Auflösung des Positionsgebers. Das mag auf den ersten Blick überraschen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass in der Antriebstechnik bis dato die erreichbaren Bandbreiten der kaskadierten Regelkreise (Strom und Drehzahl) die dominierenden Zeitkonstanten gegenüber etwaig verwendeten Filtern waren. Mit schnell getakteter Leistungselektronik kann eine relativ geringere Geberauflösung zum dominierenden Effekt werden.

Einerseits bedingt die digitale Datenübertragung Latenzen und damit Totzeiten im Feedback, vor allem des Drehzahlregelkreises. Andererseits führt die endliche Geberauflösung und die Ableitung der Drehzahl aus der Position (n = dθ/dt) zu Quantisierungsrauschen des Drehzahlsignals.

Die Rausch­amplitude hängt maßgeblich von der Auflösung des Gebers ab. Ohne passende Filterung wandelt ein hochdynamischer Stromregler dieses Rauschen in mittelwertfreies Strom- und damit Drehmomentrauschen. Daraus kann ein signifikanter Zusatzverlust entstehen, der die Drehmomentdichte senkt. Die Filterung des Drehzahlsignals mit ihrer Bandbreitenbeschränkung und ihren Dämpfungseigenschaften muss also entsprechend der Geberauflösung und der Taktraten der Elektronik mit Systemverständnis abgestimmt werden.

Fazit: Erst mit der maximalen Dynamik durch die passende Umrichter-Technologie wird der bauraumoptimale Antrieb zum echten High-Performance-Antriebssystem.

Bildergalerie

  • Die Grafik zeigt das High-Performance-Drive-System von TQ-RoboDrive.

    Die Grafik zeigt das High-Performance-Drive-System von TQ-RoboDrive.

    Bild: TQ-Systems

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