Durchbruch beim Quantencomputing „Heiße“ Qubits unter Kontrolle gebracht

Künstlerische Darstellung der Quantenverschränkung zwischen zwei „heißen“ Qubits: Die drei Elektroden oben in der Abbildung wurden mit Standardtechniken hergestellt.

Bild: Qutech
17.04.2020

Einem Zusammenschluss aus zwei niederländischen Forschungseinrichtungen ist es gelungen, Qubits in Silizium bei über 50-mal höheren Temperaturen als bisher zu kontrollieren. Diese Erhöhung auf praktische Temperaturen könnte einen entscheidenden Sprung hin zu einem funktionierenden Quantencomputer darstellen.

Der Firma Qutech, die sich aus der Technischen Universität Delft und der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) zusammensetzt, ist es gelungen, Qubits bei einer höheren Temperatur zu betreiben. Das eröffnet die Möglichkeit, sowohl Qubits als auch ihre Steuerelektronik auf einem Standardchip zu integrieren.

„Dies ist das erste Mal, dass wir Qubits präsentieren können, die heiß, dicht und kohärent sind“, sagt Menno Veldhorst, leitender Forscher bei Qutec. „Wir sprechen von Qubits, die kompakt sind und mit hoher Qualität bei einer relativ hohen Temperatur funktionieren – was besonders für praktische Anwendungen entscheidend ist.“

Die in solchen Qubits gespeicherte Quanteninformation geht normalerweise schnell verloren, es sei denn, die Qubits werden bis nahe an den absoluten Nullpunkt (-273 °C oder 0 K) abgekühlt. „Qubits funktionieren daher in speziellen ‚Kühlschränken‘, aber sie werden immer noch von konventioneller Elektronik gesteuert“, erklärt Veldhorst. Diese arbeite bei Raumtemperatur, „was ein großes Hindernis für den Fortschritt darstellt.“

Quantentechnologie ist auf dem Stand der 50er

Die Trennung zwischen Qubits und Elektronik führt zu Problemen bei der Skalierung der Anzahl der Qubits. Derzeit wird ein separates Kabel benötigt, um jedes Qubit mit seiner Steuerelektronik zu verbinden. Dies ist bei der Herstellung der Millionen von Qubits, die für einen funktionierenden Quantencomputer benötigt werden, nicht mehr machbar.

„Der aktuelle Stand der Quantentechnologie ist vergleichbar mit dem der klassischen Technologie in den 1950er-Jahren“, sagt Veldhorst. „Damals mussten alle Komponenten zusammengelötet werden, was für immer größere elektrische Schaltkreise unpraktikabel wurde. Die Lösung war der integrierte Schaltkreis, der es ermöglichte, Komponenten direkt auf einem Chip zu bauen, wodurch schließlich Milliarden von Transistoren auf einem einzigen Chip untergebracht werden konnten.“

Für das Quantencomputing könnte der Schlüssel laut dem Forscher also der quantenintegrierte Schaltkreis sein. Das setzt aber voraus, dass die Qubits und die Steuerelektronik bei der gleichen Temperatur arbeiten.

Qubits erstmals über einem Kelvin kontrolliert

Die Herausforderung besteht darin, eine Temperatur zu finden, bei der sowohl die Qubits als auch die Elektronik funktionieren können. Die Forscher machen schnelle Fortschritte bei der Reduzierung der Temperatur, bei der die Elektronik arbeiten kann. Zum Beispiel haben Qutech und Intel kürzlich einen Chip entwickelt, der Qubits bei niedrigen Temperaturen steuern kann.

„Die andere Seite der Geschichte ist, die Qubits bei einer etwas höheren Temperatur arbeiten zu lassen“, sagt Luca Petit, Erstautor und Doktorand in der Gruppe um Veldhorst. „Das ist genau das, was wir bei Qutech in Zusammenarbeit mit Intel erreicht haben. Dies ist das erste Mal, dass es uns gelungen ist, Qubits in Silizium bei einer höheren Temperatur und über einem Kelvin zu kontrollieren.“

Der Temperaturanstieg mag wie ein kleiner Schritt erscheinen, ist laut Petit aber ein riesiger Sprung, wenn es um die verfügbare Kühlkapazität geht. „Außerdem müssen die Qubits bei diesen Temperaturen nicht mehr im Vakuum arbeiten, sondern können in eine Flüssigkeit eingetaucht werden, was alles viel praktischer macht“, erklärt der Doktorand.

„Es war ein fantastischer Moment“

Für ihren Durchbruch haben die Wissenschaftler eine Standard-Produktionstechnologie und das gleiche Silizium wie in elektronischen Standardgeräten verwendet, wie Gertjan Eenink, der zweite Autor der Publikation, berichtet. „Um bei einer höheren Temperatur arbeiten zu können, mussten wir in allen Phasen des Experiments Verbesserungen vornehmen. Wir haben Silizium-Qubits geschaffen, die von unerwünschten Wechselwirkungen isoliert werden können“, sagt er.

Und Petit ergänzt: „Die Durchführung von Quantenberechnungen bei 1,1 K hing davon ab, dass wir alle möglichen Rauschquellen reduzieren und Messverfahren entwickeln, die temperaturbeständig sind. Es war ein fantastischer Moment, als alles zusammenkam und wir zum ersten Mal in der Lage waren, Quantenoperationen mit zwei Silizium-Qubits bei dieser Temperatur durchzuführen.“

Bildergalerie

  • Die Doktoranden Luca Petit und Gertjan Eenink von Qutech arbeiten am Hot-Qubit-Setup.

    Die Doktoranden Luca Petit und Gertjan Eenink von Qutech arbeiten am Hot-Qubit-Setup.

    Bild: Qutech

  • Infografik über den Fortschritt von Qubits in Silizium: Im Jahr 2015 wurden zum ersten Mal Quantenoperationen mit zwei Qubits in Silizium durchgeführt. Den Qutech-Forschern ist es gelungen, die Temperaturschwelle nun über ein Kelvin zu heben.

    Infografik über den Fortschritt von Qubits in Silizium: Im Jahr 2015 wurden zum ersten Mal Quantenoperationen mit zwei Qubits in Silizium durchgeführt. Den Qutech-Forschern ist es gelungen, die Temperaturschwelle nun über ein Kelvin zu heben.

    Bild: Qutech

  • Ein Wafer, der zur Herstellung von „heißen“ Qubits dient.

    Ein Wafer, der zur Herstellung von „heißen“ Qubits dient.

    Bild: Walden Kirsch, Intel

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