Teurer als Steckverbinder? Energie kabellos übertragen

Abbildung 2: Die CE und FCC zertifizierten exm10-Module zur kabellosen Energieversorgung.

Bild: Etatronix
11.10.2018

Vorteile von kabellosen Energieübertragungssystemen gegenüber herkömmlichen Steckkontakten gibt es viele. Sowohl Leistungssender, als auch Leistungsempfänger können hermetisch gekapselt werden, was das Gehäusedesign stark vereinfacht. Es sind keine wartungsintensiven und störanfälligen Kontakte nötig und Undichtigkeiten im Kontaktbereich sind weitestgehend ausgeschlossen.

Im medizintechnischen Umfeld wird das Reinigen von Systemen deutlich vereinfacht. Die Energie kann durch zwei Kunststoffoberflächen übertragen werden, welche einfach und mit beliebigen Reinigungsmitteln zu reinigen sind. Auch die thermische Sterilisation ist keine Schwierigkeit. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, medizinische Implantate ohne transkutane Leitungen zu laden oder zu versorgen.

Daneben warten viele neue Märkte auf ihre Erschließung. So ist es zum Beispiel mittlerweile möglich, neben Daten auch größere Leistungen in geschlossene oder vergossene Systeme zu übertragen und dort zum Beispiel eine Batterie zu laden. Durch den Wegfall leitfähiger Verbindungen kann dabei kein Kontaktfunke entstehen, wodurch kabellose Übertragungssysteme auch im explosionsgeschützten Umfeld an Bedeutung gewinnen.

Neue Märkte für kabellose Übertragungssysteme

Spätestens jedoch wenn die zuvor aufgeführten Vorteile für das konkrete Produkt nur wenig Mehrwert liefern und lediglich der oft aufgeführte Aspekt des gesteigerten Komforts genannt werden kann, gewinnt auf der anderen Seite die Frage nach den zusätzlichen Kosten an Bedeutung. Aber stimmt die Vermutung, dass ein kabelloses Übertragungssystem deutlich teurer als ein Steckverbinder ist? In vielen Fällen sind, im Vergleich zum kabellosen Übertragungssystem, die Bauteilkosten eines konventionellen Steckverbinders niedriger. Unter Einbeziehung von Ausfall- und Reparaturkosten durch schadhafte Steckkontakte verbessert sich die Bilanz zugunsten der kabellosen Lösung, jedoch erst die konsequente Optimierung des gesamten Systemkonzeptes zeigt, dass der Einsatz eins kabellosen Systems die Gesamtkosten in Summe sogar reduzieren kann.

Induktive Energieübertragungssysteme

Zunächst ein kurzer Überblick über die Funktionsweise der überwiegend eingesetzten, induktiven Energieübertragungssysteme. Die Energieübertragung erfolgt von einer Sendespule zu einer Empfangsspule mittels magnetischem Wechselfeld.

Vereinfacht dargestellt wird eingangsseitig eine Gleichspannung durch einen Leistungsverstärker, zum Beispiel eine Halbbrücke, in eine rechteckförmige Wechselspannung hoher Frequenz überführt, welche einen Senderesonanzkreis speist. Dieser Resonanzkreis besteht im einfachsten Fall aus einem Resonanzkondensator Ct und einer Sendespule Lt. In Abhängigkeit der oft steuerbaren Schaltfrequenz der Eingangsspannung fließt in dem Resonanzkreis ein Strom, welcher ein alternierendes Magnetfeld im Nahbereich der Spule Lt erzeugt. Dieses Magnetfeld induziert in der zweiten, gekoppelten Spule Lr einen Wechselstrom, welcher nach meist aktiver Gleichrichtung einem Verbraucher zugeführt wird.

Der zusätzliche Resonanzkondensator Cr steigert den Wirkungsgrad. Ausgangsspannung und/oder Ausgangsstrom werden durch eine Anpassung der Schaltfrequenz geregelt. Vereinfacht skizziert erfordert eine große Ausgangsleistung ein großes Magnetfeld und damit verbunden einen großen, senderseitigen Strom. Demnach wählt der meist digitale Regelkreis eine Schaltfrequenz nahe der Resonanzfrequenz. Bei hingegen kleiner Ausgangsleistungen sind nur ein kleines Magnetfeld und damit ein kleiner Sendestrom nötig. Der Regler wählt eine Schaltfrequenz deutlich abweichend von der Resonanzfrequenz.

Der erste Eindruck führt also meist zu der Annahme, dass das kabellose Übertragungssystem oder allgemeiner das kabellose Powermanagement deutlich teurer als ein Steckverbinder sein muss. Bei diesem Vergleich wird jedoch oft nicht berücksichtigt, dass ein kabelloses Übertragungssystem weit mehr Funktionalität als ein Steckverbinder liefert.
Das kabellose Übertragungssystem liefert:

  • Galvanische Trennung zwischen Sender und Empfänger.

  • Messung und Überwachung der Eingangsspannung (OVP, UVP), Begrenzung der Eingangsleistung.

  • Messung und Überwachung der Ausgangsspannung, Begrenzung der Ausgangsleistung.

  • Regelung der Ausgangsgröße. Li-Ion Ladealgorithmus (CC/CV) kann vorgesehen werden.

  • Windungsverhältnis kann angepasst werden. Mit einer festen Eingangsspannung sind viele unterschiedliche Ausgangsspannungen möglich.

Der Ansatz der Kostenoptimierung kabelloser Energieübertragungssysteme besteht nun darin, diese zusätzlich vorhandenen Funktionen zu nutzen und damit bisher benötigte Schaltungsteile einzusparen. Dies reduziert Gesamtkosten und macht eine kabellose Lösung wettbewerbsfähig. Das oben dargestellte schematische Beispiel zeigt eine konventionelle, zweistufige Anordnung aus Sperrwandler (links) und Laderegler (Synchron-Buck, rechts), welche um eine dritte Stufe, das zuvor skizzierte kabellose Übertragungssystem erweitert wurde. Die Verbindung zwischen Leistungssender und Leistungsempfänger wird durch die induktive Kopplung zwischen Lt und Lr realisiert.

Mehrfache Funktionen erkennen und streichen

Es kann leicht nachvollzogen werden, dass jede Stufe Verluste erzeugt und der erreichbare Gesamtwirkungsgrad so stark limitiert ist. Darüber hinaus sind viele Schaltungsteile mehrfach vorhanden. Das System hat zum Beispiel drei Wechselrichter. Sowohl der Sperrwandler, das kabellose Übertragungssystem als auch der Laderegler schalten eine Gleichspannung und erzeugen am Ausgang eine davon abweichende Spannung. Daneben sind mehrere Gleichrichter erforderlich. Eine galvanische Trennung ist zweifach vorhanden. Sowohl der Sperrwandler, als auch das kabellose Übertragungssystem selbst liefern eine Ausgangsspannung, welche von der Eingangsspannung getrennt ist. Diese Trennung erfolgt durch den isolierten Transformator des Sperrwandlers oder durch die Kunststoffgehäuse der Anwendung. Nennenswert sind auch die Regelkreise, welche jede Stufe benötigt. Diese machen die Schaltung komplex und das Zusammenspiel der Regler zur Herausforderung.

Vereinfachtes, kabelloses Ladesystem

Werden die zuvor aufgeführten, mehrfach vorhandenen Funktionen zusammengefasst, ergibt sich ein deutlich vereinfachtes, kabelloses Ladesystem. Die gleichgerichtete Eingangsspannung kann unmittelbar dem Leistungsverstärker des kabellosen Ladesystems zugeführt werden. Da die spannungsführenden Komponenten des Leistungssenders für den Anwender nicht zugänglich sind und kein Steckverbinder vorhanden ist, kann auf die erste, isolierende Stufe vollständig verzichtet werden. Die galvanische Trennung zwischen Ein- und Ausgang wird durch das kabellose Übertragungssystem selbst beziehungsweise beide Gehäuseschalen erfüllt. Das Windungsverhältnis zwischen Sende- und Empfangsspule kann beliebig angepasst werden. Zum Beispiel ist trotz Speisung aus 400 V eine Ausgangsspannung von 4.2 V mit hohem Wirkungsgrad realisierbar. Der Ausgang des kabellosen Übertragungssystems kann, wie zuvor angesprochen, durch Variation der Schaltfrequenz gesteuert werden.

Wird nun der Regler des kabellosen Übertragungssystems so realisiert, dass der Ausgang eine CC/CV Charakteristik aufweist, ist das unmittelbare Laden eines Lithium-Ionen-Akkus möglich. Demzufolge kann auch auf den nachgeschalteten Laderegler gänzlich verzichtet werden. Es zeigt sich, dass die Gesamtanordnung deutlich kompakter als die zuvor dargestellte, kabelgeführte Lösung realisiert werden kann. Hierzu ist es nötig, bereits zum Beginn einer Entwicklung alle Vorteile der kabellosen Energieübertragung zu verstehen und diese nicht nur als Ersatz für einen Steckverbinder zu interpretieren. So lassen sich kabellose Übertragungssysteme realisieren, welche sowohl technologisch, als auch wirtschaftlich sinnvoll sind.

Weiteres Optimierungspotential

Weiteres Optimierungspotential besteht durch kundenspezifisch angepasste Lösungen. Die Regelung kabelloser Übertragungssysteme erfolgt meist digital durch sende- und empfangsseitige Mikrocontroller. Diese steuern die kabellose Energieübertragung, Wechsel- und aktive Gleichrichtung sowie das Lademanagement und können bei Bedarf zusätzliche, kundenspezifische Aufgaben übernehmen. So ist zum Beispiel eine parallele Datenübertragung oder ein Batteriemanagement, welches den Ladezustand der Batterie liefert, möglich.

Ein- und Ausgangsgrößen können überwacht, Sicherheitsfunktionen implementiert und auch die Signalisierung zum Anwender kann problemlos und meist ohne Mehrkosten bereitgestellt werden. Die exm10 Modulserie der Firma Etatronix erfüllt diese Anforderungen. Die zertifizierten Systeme liefern neben der kabellosen Energieübertragung das vollständige Lade- und Powermanagement und können kundenspezifisch angepasst werden.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: Zu sehen ist eine schematische Darstellung eines nicht optimierten kabellosen Übertragungssystems. Der eingangsseitige isolierende Sperrwandler sowie der ausgangsseitige Laderegler können vollständig eingespart werden.

    Abbildung 1: Zu sehen ist eine schematische Darstellung eines nicht optimierten kabellosen Übertragungssystems. Der eingangsseitige isolierende Sperrwandler sowie der ausgangsseitige Laderegler können vollständig eingespart werden.

    Bild: Etatronix Hardware Design

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