Veränderungen im Pharmamarkt Biologika auf dem Vormarsch

Im Bereich der Biologics werden Prozesse komplexer und Sicherheitsbestimmungen immer strikter. Daher gilt es, Mensch und Produkt durch geeignete Containment-Lösungen voreinander zu schützen.

Bild: iStock, BlackJack3D
06.10.2017

Die pharmazeutische Industrie entwickelt sich aktuell so rasant wie selten zuvor. Hohes Marktwachstum, neue Therapieformen und veränderte Regularien stellen produzierende Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Insbesondere der Bereich der biologischen Wirkstoffe ist ein bedeutendes Wachstumsfeld, das das Rollenverhältnis zwischen Maschinenherstellern und Pharmaunternehmen grundlegend verändert.

Laut aktuellem Marktbericht des QuintilesIMS Institute werden die Ausgaben für Medikamente im Jahr 2021 weltweit bei 1,5 Billionen US-Dollar (etwa 1,25 Billionen Euro) liegen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Weltbevölkerung wächst und wird parallel immer älter. Die zunehmende Urbanisierung und eine wachsende Mittelschicht machen Medikamente für immer mehr Menschen zugänglich und bezahlbar – und sorgen gleichzeitig für einen höheren Medikamentenbedarf.

Während in den sogenannten Pharmerging Markets zunächst der Bedarf an herkömmlichen Medikamenten wie Schmerzmittel und auch verschreibungspflichtigen Antibiotika steigt, eröffnen sich in den Industrienationen ganz neue Behandlungsmöglichkeiten durch den Zugang zu komplexeren Wirkstoffen. Entsprechend zeichnet sich eine Ausweitung des größten pharmazeutischen Trends der letzten Jahre in immer mehr Regionen ab: Im Bereich der biologischen Wirkstoffe vollziehen sich bahnbrechende Veränderungen, etwa in der Behandlung von Krebs, Autoimmunerkrankungen und seltenen Krankheiten, die nur kleine Patientengruppen betreffen.

Durchbrüche in der Krebstherapie

In der noch jungen Krebsimmuntherapie beispielsweise wird das eigene Immunsystem ertüchtigt, gegen Tumorzellen vorzugehen. Monoklonale Antikörper heften sich an die charakteristische Strukturen auf der Tumoroberfläche und markieren die Zelle für Makrophagen beziehungsweise leiten selber den Zelltod ein.

Ein weiterer Durchbruch in der Krebstherapie wurde mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren erzielt: Um den eigenen Organismus vor Autoimmunangriffen zu schützen und kein körpereigenes Gewebe zu zerstören, verfügt das Immunsystem über Kontrollpunkte, auch Checkpoint-Moleküle genannt, die eine Reaktion des Immunsystems ausbremsen. Indem Checkpoint-Inhibitoren die Kontrollpunkte blockieren, machen sie den Weg für das Immunsystem frei, den Tumor zu bekämpfen.

Krankheiten noch gezielter bekämpfen

Ein sehr vielversprechender Forschungs- und Anwendungsbereich beschäftigt sich mit Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC). Diese hochwertigen Biopharmazeutika koppeln bestimmte Wirkstoffe an einen Antikörper, der an eine Zielstruktur bindet, beispielsweise ein Antigen auf der Oberfläche der Tumorzelle. So gelangen etwa Zytostatika wie in einem trojanischen Pferd ins Innere der Krebszelle und können dort sehr gezielt ihre chemotherapeutische Wirkung entfalten.

Weitere gezielte Therapien zur Behandlung von Krebserkrankungen sind Kinase-Inhibitoren. Diese vermögen das ungebremste Zellwachstum, zum Beispiel bei chronischer myeloischer Leukämie, zu stoppen, indem die das Zellwachstum auslösende Signalkaskade blockiert wird.

Der nächste Schritt hin zu einer noch zielgerichteteren Behandlung besteht in der Anwendung stratifizierter Medizin. Im Gegensatz zu Zytostatika, die auch gesunde Zellen mit hoher Teilungsgeschwindigkeit abtöten und so etwa zu Haarausfall führen, richtet sich die stratifizierte Medizin gezielt an Patientengruppen mit den gleichen genetischen Voraussetzungen. Mit Hilfe von molekularer Diagnostik lässt sich der Genotyp des Patienten bestimmen und so die Wirksamkeit und Verträglichkeit des jeweiligen Arzneimittels vorhersagen.

Günstigere Lösungen für die Massen

Mehrere Jahre sah die pharmazeutische Industrie der Biopharma-Patentklippe mit einer gewissen Sorge entgegen. Jetzt sind die Patente einiger großer biotechnischer Moleküle abgelaufen – und die Herstellung von Biosimilars hat begonnen. In den letzten zwei Jahren wurden bereits erste Biosimilars zugelassen – etwa zur Behandlung von Neutropenie oder rheumatoider Arthritis. Darüber hinaus werden derzeit beispielsweise um die 15 Nachahmer des monoklonalen Antikörpers Bevacizumab getestet. Die Patentrechte für das Referenzprodukt laufen 2019 in den USA und 2022 in Europa aus.

Für Patienten bedeutet diese Entwicklung einen enormen Fortschritt. Behörden wie die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) fördern die Zulassung von Biosimilars. Bei der Krebstherapie verhält es sich in den Pharmerging Markets: Hier eröffnet eine kostengünstige Herstellung generischer Zytostatika Zugriff auf bislang für den Großteil der Bevölkerung nicht verfügbare Therapien.

Scale-up und Scale-out

Ehe pharmazeutische Neuentwicklungen im Markt eingeführt werden, durchlaufen sie langwierige und teure Forschungs- und Entwicklungsprozesse. Das Stichwort für eine zügige Markteinführung lautet „Scale-up“, also der Transfer vom Labor- zum Produktionsmaßstab. Dabei müssen Parameter und Rezepturen exakt und gemäß der guten Herstellungspraxis (GMP) vom Laborequipment auf größere Anlagen übertragen werden.

Neben dem Scale-up ist aktuell insbesondere bei kleinen Losgrößen zielgerichteter Pharmazeutika ein neuer Trend hin zu „Scale-out“ zu beobachten: Um Produktionskapazitäten zu erhöhen, wird das vorhandene Equipment exakt für andere Standorte oder Lohnhersteller nachgebildet. Dafür bedarf es sehr klar definierte Prozesse sowie erschwingliche und robuste Maschinen mit einem hohen Automatisierungsgrad.

Höchste Sicherheit für Mensch und Produkt

Im Bereich der Biologics werden Prozesse komplexer und Sicherheitsbestimmungen immer strikter. ADCs beispielsweise sind hochpotente, für den Maschinenbediener giftige Produkte, die aus einem Biologika-Teil (dem Antikörper), einem Linker und einem kleinen Wirkmolekül bestehen. Gleichzeitig ist der Mensch die höchste Gefahrenquelle für Produktkontamination. Daher gilt es, Mensch und Produkt durch geeignete Containment-Lösungen voreinander zu schützen. Im Bereich flüssiger Pharmazeutika kommt Isolatoren eine immer wichtigere Bedeutung zu.

Um ADCs auch vor anderen äußeren Einflüssen wie Sauerstoff, Feuchte oder Sonnenlicht zu schützen, werden diese meist nach der Abfüllung in Vials gefriergetrocknet. Während der Lyophilisierung wird das Produkt gefroren und unter Vakuum gesetzt, ehe ihm anschließend Wasser entzogen wird. So geht das Eis direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über, ohne sich zu verflüssigen. Die Wirkstoffe sind dadurch gut konserviert und deutlich länger haltbar als ihr flüssiges Pendant. Voraussetzung dafür ist eine sehr genaue Dichtigkeitsprüfung des Packmittels.

Neue Regularien verändern die Pharmabranche

Container Closure Integrity (CCI) spielt eine wichtige Rolle, um die Sterilität und Stabilität – und somit Qualität und Sicherheit – der Produkte zu gewährleisten. Die United States Pharmacopeia (USP) hat deshalb ihr Generalkapitel 1207 überarbeitet und fordert mehr quantitative, nicht-destruktive CCI-Testverfahren.

Beispiele sind etwa die mittels Hochspannung durchgeführte Dichtigkeitsprüfung (High-Voltage Leak Detection, HVLD) oder die Headspace-Analyse (HSA). Auch bei der Revision der „EU GMP Guideline for Manufacture of Sterile Medical Products Annex 1“ (kurz Annex 1) wird die CCI-Inspektion von sterilen Produkten ein Thema sein. Mit der Revision von Annex 1 steht die größte und umfangreichste Änderung seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 1972 bevor.

Neues Rollenverständnis

Im Zuge dieser Entwicklungen und den damit einhergehenden Anforderungen hat sich auch das Rollenverständnis in der Zusammenarbeit zwischen Pharmaherstellern und Anlagenanbietern gewandelt – von der reinen Geschäftsbeziehung von Auftraggeber und Zulieferer hin zu einer partnerschaftlichen Kooperation, in der dem Maschinenbauer eine größere Verantwortung zukommt.

Bildergalerie

  • Um die Sterilität und Stabilität der Produkte zu gewährleisten, werden die Rufe nach mehr quantitativen, nicht-destruktiven CCI-Testverfahren (z. B. Dichtigkeitsprüfung) laut.

    Um die Sterilität und Stabilität der Produkte zu gewährleisten, werden die Rufe nach mehr quantitativen, nicht-destruktiven CCI-Testverfahren (z. B. Dichtigkeitsprüfung) laut.

    Bild: Bosch Packing Technology

  • Isolatoren sind in der Pharmabranche nicht mehr wegzudenken, wenn es um das sterile Abfüllen flüssiger Pharmazeutika geht.

    Isolatoren sind in der Pharmabranche nicht mehr wegzudenken, wenn es um das sterile Abfüllen flüssiger Pharmazeutika geht.

    Bild: Bosch Packaging Technology

  • Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) werden nach dem Abfüllen in Vials gefriergetrocknet. So sind sie länger haltbar.

    Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) werden nach dem Abfüllen in Vials gefriergetrocknet. So sind sie länger haltbar.

    Bild: Bosch Packaging Technology

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