Gas- und Geruchssensoren für Kunststoffe Damit der Apfel nicht nach Waschmittel schmeckt

Dennis Arendes von der Universität des Saarlandes und Dr. Caroline Schultealbert von 3S vor einer Gasmischanlage, mit der hochsensitive Gassensoren kalibriert werden

Bild: Oliver Dietze, Universität des Saarlandes
18.05.2022

Recycelter Kunststoff kommt in vielen Bereichen zum Einsatz. Manchmal haften ihm allerdings Gerüche an, die potenziell schädlich sind. Neue Gas- und Geruchssensoren der Universität des Saarlandes sollen solche Rückstände nun zuverlässig aufspüren.

Wir umgeben uns täglich mit einer Vielzahl von Kunststoffgegenständen, die Substanzen und Gerüche ausströmen, von denen nicht klar ist, ob sie einfach nur unangenehm riechen oder eventuell schädlich sind. Spezialisten der Universität des Saarlandes und der Firma 3S, einer Ausgründung des Lehrstuhls für Messtechnik, stellten auf der diesjährigen Hannover Messe ihre neueste Generation Gas- und Geruchssensoren vor, die diese Zweifel in Zukunft beseitigen könnten.

„Inzwischen werden ja zum Beispiel Kunststoffe für viele Anwendungen recycelt. Es gibt Autohersteller, die machen bereits heute Sitze aus wiederaufbereitetem Kunststoff“, sagt Andreas Schütze, Professor für Messtechnik an der Universität des Saarlandes. An dieser Stelle wird es allerdings heikel: „Ich habe mal an einem Sack Kunststoffgranulat gerochen, der hat auch nach mehreren Reinigungen immer noch nach Waschmittel gerochen, denn das Granulat ist aus alten Waschmittelflaschen gewonnen worden.“ Dieses Plastik für etwas anderes zu verwenden, ist so gut wie ausgeschlossen. Insbesondere für Lebensmittelverpackungen sind solche Kunststoffe bisher undenkbar.

Zielgenauere Kunststoffverwertung

Ingenieure wie Andreas Schütze wollen hier in Zukunft ihren Beitrag leisten, um den richtigen Kunststoff für die richtige Wiederverwendung zu finden. Denn er und die mittelständische Firma 3S, die von ehemaligen Mitarbeitern des Lehrstuhls und Absolventen gegründet wurde, erforschen unter anderem, wie Sensoren zuverlässig Gerüche identifizieren können. Gelänge es, zweifelsfrei auch kleinste Geruchsrückstände beim Plastikrecycling aufzuspüren, könnten Kunststoffe viel zielgenauer wiederverwertet werden. Mit denselben Sensortechnologien ließen sich auch gesundheitsschädliche Stoffe, egal ob aus der alten Nutzung der Materialien oder entstanden während des Recyclings, erkennen und bewerten.

Das sind nur zwei Beispiele für die Anwendungsmöglichkeiten der Sensoren. Ein großes Zukunftsthema ist etwa die Luftqualität in Innenräumen, sowohl im Hinblick auf unangenehme Gerüche als auch auf die Belastung mit (nicht immer wahrnehmbaren) Schadstoffen. „Heutzutage verströmen viele Gegenstände, Möbel, Teppiche und nicht zuletzt auch wir Menschen in Innenräumen flüchtige organische Substanzen oder Volatile Organic Compounds, sogenannte VOC“, erklärt Schütze. Die genaue Zusammensetzung dieses Gasgemisches kann bisher nicht kontinuierlich mit einheitlichen Methoden gemessen werden.

Sensoren statt Riech-Experten

Die Saarbrücker Ingenieure erarbeiten deshalb gerade eine Prüfnorm, die bei der Zulassung entsprechender Geräte zum Einsatz kommen kann. „Wir wissen, dass diese VOC auch für viele der als unangenehm empfundenen Gerüche in Innenräumen verantwortlich sind. Wir wissen aber häufig nicht, um welche Verbindungen es sich genau handelt oder welche darüber hinaus auch gesundheitsschädlich sind und welche nicht“, erläutert Dr. Caroline Schultealbert von 3S.

Hier könnten Sensorsysteme, die mit Methoden des maschinellen Lernens zielgenau Gerüche und Schadstoffe identifizieren, in Industrie, Büro und in Privathaushalten, aber auch in Außenbereichen wie dem Umfeld von Industrieanlagen gute Dienste leisten. „Autohersteller haben zum Beispiel Teams aus bis zu fünf Fachleuten, die neue Modelle auf Gerüche hin prüfen“, sagt Schütze. Das sind alles speziell ausgebildete Geruchsexperten. „Aber nach kurzer Zeit riechen die auch nicht mehr so genau. Das liegt an der menschlichen Nase, die nach einer gewissen Gewöhnung Gerüche nicht mehr so gut wahrnimmt.“

Hier helfen Sensoren, die ohne subjektive Verzerrungen Gerüche messen. „Die menschliche Nase braucht man aber immer noch als Referenz“, betont Schultealbert. Die Menschen sind dann die übergeordnete Instanz, die die Arbeit der Sensoren nochmals genauer in Augenschein nehmen sollen.

Die auf objektiven Messungen beruhende Technologie ist also einerseits zuverlässiger als die menschliche Nase. „Darüber hinaus ist es auch deutlich günstiger, als zum Beispiel fünf top ausgebildete Riech-Spezialisten zu bezahlen“, sagt Schütze.

Geruchsmix in der Gasmischanlage

Die Sensoren messen sowohl geruchsfreie gesundheitsbelastende Schadstoffe im Innenraum als auch unangenehme Gerüche, die nicht zwangsläufig schädlich sind. „Die Technologie dabei ist immer dieselbe“, erklärt Schütze. „Die Sensoren werden temperaturzyklisch betrieben und erzeugen so charakteristische Signalmuster.“ Von grundlegender Bedeutung sei viel mehr, die Sensoren richtig zu kalibrieren.

Sensoren, die zuverlässig auf wenige Gase und Verbindungen zuverlässig anschlagen, sind oftmals nicht sehr feinfühlig. „Wir haben jedoch eine spezielle Gas-Mischanlage, die 18 unterschiedliche Gase in jeder möglichen Konzentration untereinander mischen kann“, sagt Dennis Arendes, der als Mitarbeiter von Schütze die Anlage wesentlich mit entwickelt hat. „Auf diese Weise können wir nahezu jedes denkbare Gasgemisch erzeugen, womit wir die Sensoren im Anschluss kalibrieren können.“ Die Kombinationsmöglichkeiten seien nahezu unendlich, was weltweit nur ganz wenige Gasmischer leisten könnten.

Sogenannte vollfaktorielle Versuche, mit denen automatisch alle denkbaren Mischungsverhältnisse durchgespielt werden, sind hierbei nicht einsetzbar, die Kombinationsmöglichkeiten würden zu viel Zeit erfordern. Der Gasmischer erzeugt daher bei der Kalibrierung lediglich einige hundert zufällige Gasgemische, mit denen der Sensor dann mittels Künstlicher Intelligenz lernt, auf welche Stoffe und Gemische er reagieren soll. „Diese Kombination aus komplexer Anlagentechnik, dynamisch betriebenen Sensoren und KI ist es, was unsere Sensorsysteme so einmalig macht“, sagt Schütze.

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