Pumpen & Kompressoren Funktionen integrieren und sparen

Die Inertgas-Station, die Proportionalregelventile beinhaltet, wird in einem Schaltschrank installiert.

Bild: Boehringer, Festo
01.09.2016

Prozessanlagen in der pharmazeutischen und chemischen Industrie sind über lange Jahre erprobt, könnten aber mit neuen Automatisierungskomponenten kostensparender laufen. Mit der Integration von Funktionen kann der Umstieg auf eine alternative Technik gelingen.

Neue Automatisierungskomponenten können durch die Integration von Funktionen auch in bestehenden Prozessschritten eingesetzt werden, zum Beispiel in der chemisch-pharmazeutischen Wirkstoffproduktion. Damit kann der Anwender bei der Erstinstallation, beim Umrüsten aber auch im laufenden Betrieb der Anlagen Geld sparen. Und dies nicht nur in der eigentlichen technischen Umsetzung, sondern auch durch reduzierte Anforderungen an die für die Produktion erforderliche Infrastruktur. Das von einem führenden Pharmaunternehmen in Zusammenarbeit mit Festo entwickelte und im Folgenden vorgestellte Konzept ist ein eindrucksvolles Beispiel.

In Produktionsanlagen der pharmazeutischen oder chemischen Industrie ist es oftmals notwendig, Tanks, Reaktoren, Fermenter, Mischer und andere Prozessapparate zu inertisieren und verschiedene weitere Funktionen bis hin zum Transfer des Materials durch Überdruck in nachfolgende Verarbeitungsschritte umzusetzen. Damit verbundenen sind Anforderungen an Einrichtungen zur Druck- und Durchflussregelung. So herrscht beim Intertisieren, dem kompletten Austausch des enthaltenen Gasvolumens eines Behälters, ein ungeregelter, hoher Durchfluss. Bei der Drucküberlagerung ist eine Druckregelung notwendig. Durchflüsse sind beim Überströmen in Behältern und Prozessapparaten im laufenden Syntheseprozess zu regeln. Weiterhin gibt es Materialtransfers zu weiteren Reaktoren oder Behältern oder der Druck von gasgeschmierten Gleitringdichtungen muss geregelt werden.

Die Komplexität wird noch größer, wenn dies für mehrere Gase in unterschiedlichen Druckstufen umzusetzen ist. Für die Regelung von inerten Gasen ist im Vergleich zur traditionellen Automatisierung daher die Proportionalventiltechnik eine Alternative – vor allem für modular aufgebaute Anlagen mit dezentralen Automatisierungsstrukturen.

Proportionalventile statt Regelventile

In einem führenden Pharmaunternehmen bestand die bisherige Lösung aus klassischen Regelventilen, Durchfluss- und Druckmessgeräten direkt am Reaktor in Ex-Zone 2 oder 1. In der neuen Lösung, die mit dem Anwender abgestimmt und erarbeitet wurde, werden diese Komponenten nun dezentral in einem Schaltschrank außerhalb des Ex-Bereiches installiert. So konnte wertvoller Platz im Reinraum des neuen Technikums gespart werden.

Statt der bisherigen Regelventile kommen Proportionalventile zum Einsatz. Da sich jeweils zwei Reaktoren in einem Reaktorraum befinden, haben die Ingenieure aufgrund der räumlichen Nähe eine kompakte Inertgas-Station für jeweils zwei Reaktoren ausgelegt. Pro Behälter haben sie ein Ventil für Argon und zwei für Stickstoff vorgesehen, ein Viertes regelt die Stickstoffversorgung der Gleitringdichtung des Rührwerks. Das erste Ventil für Stickstoff hat einen Druckbereich von 0 ... 2 bar, das zweite einen Druckbereich von 0 ... 6 bar. Die erste Variante ermöglicht eine genauere Regelung bei kleineren Drücken und Durchflusswerten, während sich mit der Variante 0 ... 6 bar deutlich höhere Durchflusswerte realisieren lassen. Je nach Funktion werden die beiden Ventile hintereinander geschaltet – erst schnell füllen und danach präzise regeln. Damit wird einerseits die gewünschte Genauigkeit bei der Drucküberlagerung gewährleistet, andererseits ausreichend hohe Durchflüsse beim Inertisieren.

Inertgas-Stationen realisiert Funktionen

Für eine Inertgas-Station sind die Proportional-Druckregelventile VPPM auf der Ventilinsel MPA integriert. Gemeinsam mit der Automatisierungsplattform CPX sitzt sie auf einer Backplane. Diese Plattform beinhaltet Remote I/O, Druck-Sensoren zur Kontrolle des Eingangsdrucks der Gase und den Feldbusknoten. Durchfluss-Sensoren, die den Volumenstrom erfassen, sind wie die Regelventile im Schaltschrank integriert und auch an die Analogmodule der CPX angeschlossen.

Im Rahmen des realisierten Projektes sind die Inertgas-Stationen an ein Siemens PCS 7-System angebunden. Genauer gesagt, sind die Automatisierungsplattform, die Proportionalventile und die Ventilinseln über einen Profinet-Busknoten an das Leitsystem gekoppelt. Für die Integration stehen Treiberbibliotheken zur Verfügung. Die Rack- und Modultreiber werden von der Leitsystemsoftware automatisch im Programm eingebaut und verschaltet. Es sind keine Eingriffe durch den Programmersteller erforderlich. Die Treiberbausteine sind kostenfrei downloadbar. Dadurch entsteht bei der Konfiguration der Automatisierungsplattform CPX kein Mehraufwand im Vergleich zu den herstellereigenen Remote I/Os.

Bei der Funktionsintegration werden sämtliche Funktionen, die traditionell über separate Regelventile, Druck- und Durchflusssensoren für einzelne Reaktoren umgesetzt werden, durch die beschriebenen Inertgas-Stationen realisiert. Dabei gibt es eine Reihe von Vorteilen. So werden für die Ansteuerung und für Rückmeldungen der Proportionalventile Remote I/O-Kanäle eingespart. Der Platzbedarf im ex-geschützten Reinraum ist geringer. Auch die Anschaffungskosten sind geringer, da weniger Komponenten im Ex-Bereich installiert sind. Hinzu kommt eine schlankere Infrastruktur für die Versorgung der Anlage mit verschiedenen Gasen in unterschiedlichen Druckstufen. Die Diagnosefähigkeit einzelner Komponenten und des Gesamtsystems ist verbessert. Was zu geringeren Wartungskosten über den Lebenszyklus der Anlage führt.

Dazu trägt auch bei, dass die Anforderung an die Infrastruktur, zum Beispiel Remote I/Os, geringer ist. Die Komponenten im Schaltschrank sind besser zugänglich. Auch die Installationskosten sind geringer, denn statt einer starren Edelstahlverrohrung sind bei Nennweiten bis DN 14 flexible Schläuche einsetzbar.

Monetäre Analyse

Der ZVEI hat ein Tool zum Vergleich von Technologien in Bezug auf deren Wirtschaftlichkeit und wie sich das monetär auswirkt. Das Excel-basierte Werkzeug „Lifecycle Cost Evaluation“ (Berechnungstool LCE) kann kostenfrei von der Web-Seite des Verbandes heruntergeladen werden: http://www.zvei.org/Themen/Energie/Seiten/Lifecycle-Cost-Evaluation-(LCE).aspx. Damit ist es möglich, den gesamten Lebenszyklus einer Anlage und deren betriebswirtschaftlichen Kostenkategorien wie Personal, Energie, Material abzubilden. Der Barwert der gesamten Lebenszykluskosten wird über einen parametrierbaren Diskontierungssatz ermittelt. Weiterhin sind Sensitivitätsanalysen wie Diskontierungssatz, Anteil der Wartungskosten einfach möglich.

Das oben aufgeführte Beispiel zeigt die Vorteile der Funktionsintegration in einer konservativen Abschätzung. Durch die neue Anwendung kann in Bezug auf die jeweils zu realisierende Funktion bis zu 50 Prozent der Investitionskosten eingespart werden. In der Regel ergeben sich bei der Funktionsintegration weitere Vorteile wie zum Beispiel geringere Wartungskosten, bessere Diagnosemöglichkeiten und damit eine verbesserte Betriebsführung der Anlagen. Letztere sind nur schwer monetär zu bewerten. Die erforderlichen Eingabedaten des ZVEI-Tools können aber auch anwenderspezifisch leicht angepasst werden.

Bildergalerie

  • Die Grafik stellt die Funktionsintegration von Geräten, hier von Regelventilen, in einem Schaltschrank dar.

    Die Grafik stellt die Funktionsintegration von Geräten, hier von Regelventilen, in einem Schaltschrank dar.

    Bild: Festo

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