Abwasserbehandlung Filtermembran soll verseuchtes Abwasser aus Fukushima reinigen

Satellitenbild vom Kernkraftwerk Fukushima, 2011: Zu sehen sind die Reaktorblöcke 1 bis 4 nach mehreren Explosionen und Bränden.

Bild: DigitalGlobe
02.10.2020

2011: Der GAU von Fukushima rüttelt die Erde wach. Bei der Nuklearkatastrophe trat unter anderem radioaktiv verseuchtes Wasser aus, welches die japanische Regierung 2022 zu großen Teilen im Pazifik entsorgen will. Mit einer Filtermembran aus Molkeproteinen und Aktivkohle könnte es sich vorher von den radioaktiven Isotopen säubern lassen.

Die Unfallserie in Fukushima begann im März 2011 mit einem Seebeben vor der japanischen Region Tōhoku. Bei der Katastrophe gelang radioaktives Material in die Umgebung, darunter verseuchtes Wasser. Dieses mussten die AKW-​Betreiber reinigen. Sie nutzten dazu unter anderem die Methode der Umkehrosmose.

Mit dem Verfahren lassen sich zwar bis zu 70 Prozent des radioaktiv verseuchten Wassers reinigen, in den restlichen 30 Prozent reichern sich jedoch die teilweise stark und über Jahrtausende strahlenden radioaktiven Elemente an. Dieses Wasser, insgesamt über eine Million Liter, will die japanische Regierung 2022 im Pazifik entsorgen.

„Das müsste nicht sein, wenn sie unseren Filter verwenden würden“, sagt Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich. Schon vor vier Jahren stellte er zusammen mit seinem Oberassistenten Sreenath Bolisetty eine Filtermembran vor, die Wasser von Schwer- und Edelmetallen wie Gold oder Platin reinigt. In einer neuen Studie haben die Forscher nun gezeigt, dass sie sich auch für radioaktive Elemente eignet.

Tests mit verseuchtem Krankenhausabwasser

Festgestellt haben das Mezzenga und Bolisetty, als sie ihre Membran dazu verwendeten, um Krankenhausabwässer zu säubern, die mit radioaktiven Elementen verschmutzt waren. Im Labor konnten sie so die in der Medizin verwendeten Radionuklide Technetium-​99m, Iod-​123 und Gallium-​68 mit Wirkungsgraden von über 99,8 Prozent aus Wasser entfernen, und zwar in nur einem Filtrationsschritt.

Die Forscher testeten ihre Filtermembran zudem mit einer realen Abwasserprobe aus einem Schweizer Spital. Diese Probe enthielt radioaktives Iod-​131 und Lutetium-​177. Beides wurde fast vollständig aus dem Wasser entfernt.

Mediziner nutzen Radionukleide für Krebsbehandlungen oder als Kontrastmittel bei bildgebenden Verfahren. Diese Stoffe sind in der Regel nur schwach radioaktiv und haben eine kurze Halbwertszeit von wenigen Stunden oder Tagen.

Dennoch dürfen Abwässer oder auch Ausscheidungen von Patienten, die mit diesen Substanzen behandelt wurden, nicht in der Kanalisation entsorgt werden. Bis die Radioaktivität auf unbedenkliche Werte zurückgegangen ist, müssen medizinische Einrichtungen die Abwässer in speziellen Behältern lagern. Neben Platzproblemen führt das auch zu Sicherheitsrisiken, da Personal und Umwelt vor der Strahlung geschützt werden müssen.

Verhandlungen mit Japan

„Unsere Membran erlaubt es, das Abfallvolumen massiv zu verkleinern und die strahlenden Elemente als Feststoffe kompakt und trocken zu lagern“, sagt Mezzenga. Sobald die Aufnahmekapazität der Membran erschöpft sei, könne sie ersetzt und platzsparend aufbewahrt werden. Die filtrierten Flüssigkeiten hingegen ließen sich danach in die Kanalisation ableiten.

Studienmitautor Sreenath Bolisetty plant nun, über seine Firma Bluact Technologies ein Pilotprojekt mit einem großen Schweizer Krankenhaus, das die Filterung von radioaktivem Abwasser testen möchte. Er ist zuversichtlich, dass er damit bald starten kann. Zurzeit laufen Verhandlungen, wie die Filteranlage sicher implementiert werden kann. Bluact wurde vor vier Jahren gegründet.

Weiter hat Bolisetty Verhandlungen mit einer japanischen Firma aufgenommen, die an der Sanierung in Fukushima beteiligt ist. Sein Ziel ist es, eine Probe des verseuchten Abwassers mit der Filtermembran zu behandeln, um herauszufinden, ob diese zuverlässig die meisten radioaktiven Elemente entfernt und auch große Volumina aufbereiten kann.

Lösung eines ernsten Umweltproblems?

Mezzenga ist – auch wegen der aktuellen Studienergebnisse – überzeugt, dass die Filtermembran radioaktive Isotope auf breiter Basis eliminieren kann. Grundsätzlich binden alle radioaktiven Isotope, die im Periodensystem zwischen den getesteten Extremen Technetium und Uran liegen, an die Membran. Dazu zählen auch radioaktives Cäsium, Iod, Silber und Kobalt, die im Abwasser von Fukushima vorhanden sind. Einzig Tritium, das dort in hohen Mengen vorkommt, bindet wahrscheinlich nicht an die Membran, weil es zu klein ist.

„Bestätigt sich unsere Vermutung, könnte mithilfe der Filtermembran das Abwasservolumen in Fukushima massiv reduziert werden, sodass kein radioaktives Wasser im Pazifik verklappt werden müsste“, betont Bolisetty. Die mit den stark strahlenden Elementen gesättigten Filter könnten als Feststoffe dort aufbewahrt werden, wo beispielsweise auch abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken lagerten.

Die Herstellung der Filtermembran ist dabei nicht besonders schwierig. Das verwendete Molkeprotein ist ein Abfallprodukt der Milchwirtschaft, günstig und überall verfügbar. Auch die Aktivkohlekomponente ist einfach erhältlich. „Ich bin schon jetzt davon überzeugt, dass Japan die Filtermembran sofort einsetzen und damit ein ernstes Umweltproblem lösen könnte“, sagt Bolisetty.

Bildergalerie

  • Die Filtermembran, die Raffaele Mezzenga (links) und Sreenath Bolisetty an der ETH Zürich entwickelt haben, besteht aus einfach erhältlichen Molkeproteinen und Aktivkohle.

    Die Filtermembran, die Raffaele Mezzenga (links) und Sreenath Bolisetty an der ETH Zürich entwickelt haben, besteht aus einfach erhältlichen Molkeproteinen und Aktivkohle.

    Bild: ETH Zürich

  • Krankenhäuser verwenden Radionukleide für Krebsbehandlungen oder bei bildgebenden Verfahren. Das belastete Abwasser muss dann in speziellen Zwischenlagern aufbewahrt werden.

    Krankenhäuser verwenden Radionukleide für Krebsbehandlungen oder bei bildgebenden Verfahren. Das belastete Abwasser muss dann in speziellen Zwischenlagern aufbewahrt werden.

    Bild: Inselspital Bern

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