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Interview mit SAB-Bröckskes-Geschäftsführerin Sabine Bröckskes-Wetten „Fit für die Zukunft der Kabelherstellung“

SAB Bröckskes GmbH & Co. KG

Sabine Bröckskes-Wetten, Geschäftsführerin bei SAB Bröckskes, beleuchtet die 75-jährige Geschichte des Unternehmens und erörtert dessen Zukunft.

Bild: SAB Bröckskes
03.06.2022

Das Familienunternehmen SAB Bröckskes feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Firmenjubiläum. Der international bekannte Spezialkabelhersteller ist heute eine feste Größe in der Kabel-Industrie und gilt in diesem Bereich als kompetenter Lösungsanbieter. Doch das war nicht immer so. Die Geschäftsführerin Sabine Bröckskes-Wetten beleuchtet die Entwicklung des Unternehmens und gibt einen Einblick in die aktuelle Lage und die zukünftige Ausrichtung.

Können Sie kurz auf die Historie des Unternehmens, dessen Gründung und die Ausrichtung auf das Kerngeschäft eingehen?

Vor 75 Jahren wagte mein Großvater, Peter Bröckskes sen., den Schritt in die Selbstständigkeit mit einer kleinen Werkstatt in einem Schuppen. Niemand konnte damals erahnen, was daraus einmal entstehen würde. Heute zählen wir mit weltweit mehr als 550 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 130 Milionen Euro in über 100 Ländern zu einem führenden Kabelhersteller. 1947 waren es 100 Reichsmark, die nötig waren, um beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf einen Antrag zur Errichtung eines „Betriebs für Elektroapparatebau“ zu stellen. Das Hauptprodukt war eine Alarm-Sicherheitszentrale, die mein Opa als junger Elektroingenieur zum Schutz gegen Einbrecher selbst entwickelt hatte. Wenige Jahre später entwickelte er eine Temperatur-Messanlage für eine Ziegelei. Diese Idee bescherte dem damals noch jungen Unternehmen neuen Aufschwung und legte den Grundstein für den heutigen Erfolg. Die neu entwickelte Temperatur-Messanlage traf exakt die Anforderungen der Ziegeleien. Denn niemand wusste genau, mit welcher Temperatur die Öfen liefen. Die Qualität der Ziegel hing maßgeblich von der Erfahrung der Mitarbeiter ab. Mein Opa erkannte diese Marktlücke und erhielt 1952 den ersten Auftrag eine Temperatur-Messanlage zu entwickeln und zu produzieren. Das Geschäft lief so gut, dass er überlegte, Ausgleichsleitungen für seine Anlagen selbst herzustellen. Als die Kabelwerke nicht termingerecht liefern konnten, war für ihn die Sache klar: “Dann machen wir das eben selbst." Mein Opa war ein Mann der Tat. Also eignete er sich das notwendige Know-how an, die Maschinen wurden beschafft und die Kabelproduktion wurde begonnen.

Für was steht heute SAB Bröckskes beziehungsweise was macht das Unternehmen aus?

SAB Bröckskes steht heute, wie kein anderer Kabelhersteller, für kundenspezifische Spezialleitungen beziehungsweise Hybridleitungen. Nahezu alle unsere hergestellten Produkte sind nach den individuellen Wünschen und technischen Vorgaben unserer Kunden entwickelt worden. Unsere besondere Stärke liegt darin, die technischen Herausforderungen der unterschiedlichen Applikationen zu verstehen und in kürzester Zeit eine Lösung für unsere Kunden zu entwickeln und zu fertigen. Die direkte Nähe zu unseren Industriekunden ist dabei besonders wichtig. Mit unserem Fertigungsstandort in Deutschland können wir auf Kundenwünsche besonders schnell reagieren und das Qualitätsniveau unserer Produkte sichern. Deutlich wird unsere Fokussierung auf Sonderprodukte, wenn man sich die jährliche Anzahl von neuen Leitungen anschaut. Wir fertigen bis zu 1.500 Sonderleitungen pro Jahr, die vorher so noch nicht gefertigt wurden. Häufig können wir aufgrund unserer Fertigungstiefe Spezialleitungen bereits ab einer Leitungslänge von 300 m realisieren. Das ist am Markt außergewöhnlich und zeichnet uns aus.

Mit welchen Herausforderungen müssen Sie sich als Familienunternehmen auseinandersetzen?

Die Herausforderung sehen wir in der Funktionalität und der Vernetzbarkeit der Systeme untereinander. Denn die spezifizierten Eigenschaften müssen auch unter Dauerbelastung und äußeren Umwelteinflüssen im Feld eingehalten werden. Auch nach unzähligen Bewegungen in der Anwendung muss eine Leitung noch zuverlässig Daten übertragen können. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Systeme durchgängig und kompatibel zueinander sind. Für eine breite Akzeptanz ist es unbedingt erforderlich, dass die Systeme und die Peripherie untereinander herstellerunabhängig vernetzt werden können. Es fängt bei der Nutzung einheitlicher Kommunikationsstandards an und hört nicht erst bei der Kompatibilität von Kabeln und Steckverbindern untereinander auf.

Wie hat sich das Produktportfolio in den letzten Jahren bei SAB verändert?

Die Applikationen und Einsatzbedingungen von elektrische Leitungen unserer Kunden werden immer komplexer und erfordern häufig eine individuelle Anpassung an die gegebenen Bedingungen. Wir haben uns deshalb eine breite Palette an Isolations- und Mantelmaterialien aufgebaut und können so nahezu jedes Verbindungsproblem unserer Kunden lösen. Häufig wird vom Markt eine Komplettlösung aus Kabel und Steckverbinder gefordert. Wir haben die Kapazitäten im Bereich der Kabelkonfektion in den letzten Jahren deutlich erweitert. So können wir heute vielfältige, fertig konfektionierte Verbindungslösungen anbieten, die unsere Kunden wünschen.

Was hat Sie dazu bewogen, immer größeren Fokus auf Spezialleitungen zu legen?

In den 1990er Jahren wurde es zunehmend schwieriger wettbewerbsfähig für Produkte „Made in Germany“ zu bleiben. Zum einem nahm der Wettbewerb in der Kabelbranche weiter zu und zum anderen verlagerten immer mehr Kabelhersteller ihre Produktionen weiter in den Osten, was einen Preisverfall bei Standardleitung zur Folge hatte. Zunächst stellte dies eine Krise für SAB Bröckskes dar. Mein Vater, Peter Bröckskes jun., nutzte die Krise als Chance und traf eine folgenschwere Entscheidung und läutete damit einen Paradigmenwechsel ein. Bisher waren 95 Prozent der Produkte Standardleitungen, die in großen Mengen gefertigt und vertrieben wurden. Von nun an konzentrierte sich SAB auf die Produktion von Spezialkabeln. „Wir machen all das, was die Großen in unserer Branche nicht können“, sagte mein Vater damals als er den Strategiewechsel einleitete. Ich bin sehr dankbar für diese mutige Entscheidung, die sich heute als richtig herausgestellt hat. Die neue Unternehmensstrategie sieht vor, direkt an die Industrie statt an den Handel zu verkaufen und die Stärken eines mittelständischen Familienunternehmens in den Vordergrund zu stellen: Flexibilität, technische Kompetenz und kurze Entscheidungswege. Dies sind die optimalen Voraussetzungen, um auf jede Anfrage individuell zu reagieren. SAB konnte so am Produktionsstandort Deutschland festhalten, die Arbeitsplätze sichern und etablierte sich fest als Problemlöser in der Kabelbranche.

Der Markt entwickelt und offeriert ständig neue Steckverbindungen. Welche Bedeutung hat diese Steckervielfalt für SAB?

Es gibt unzählige Typen von Steckverbindern, zum Beispiel für Ethernet-Leitungen, die auf eine ebenso hohe Zahl an verschiedenen Ethernet-Leitungen treffen. Standardisierungen sorgen dafür, dass die Kommunikationsprotokolle bei Verwendung spezifischer Kombinationen funktionieren. Im Detail gibt es leitungsspezifische Konstruktionsmerkmale, die es notwendig machen, eine Auswahl zu treffen, damit Produkte untereinander wirklich konfektionierbar sind und auch die spezifizierten Werte halten. Die enorme Vielfalt im Bereich Kabel und Steckverbinder stellt unsere Kunden häufig vor großen Herausforderungen. Genau hier setzten wir als Spezialkabelhersteller an und entwickeln anwendungsorientiere Verbindungslösungen. Wir arbeiten intensiv daran, diesen Punkt bereits vor der ersten Konstruktion eines neuen Produktes zu klären. Wie muss unsere Leitung beschaffen sein, wie wird in der Anwendung kontaktiert und welche Eigenschaften sind in dieser Hinsicht wichtig?

Die Single-Pair-Ethernet-Technologie stellt die nötige Infrastruktur für das Industrial Internet of Things (IIoT) und darüber hinaus bereit. Wie geht SAB mit dieser Technologie um?

Mit Single-Pair-Ethernet wird ein weiterer Meilenstein in der industriellen Vernetzung entwickelt. Als Mitglied im SPE Industrial Partner Network e.V. prägen wir von Anfang an die Entwicklung der neuen Technologie. Wir haben bereits zahlreiche Single Pair Ethernet Leitungen für diverse Einsatzgebiete auf den Markt gebracht. Die Vereinfachung und Verschlankung von Verkabelungssystemen ist ein wichtiger Trend, der in vielen Bereichen Einzug hält. Der Weg geht immer mehr in Richtung Optimierung und Miniaturisierung.

Neben bloßen Produkten verlangt der Markt immer mehr nach Service und Beratung? Wie hat sich SAB auf diese Entwicklung eingestellt?

Die Kundenzufriedenheit hat für uns oberste Priorität. Wir richten unser gesamtes Handeln danach. Nicht zuletzt durch unseren Vertrieb und Außendienst mit der direkten Anbindung an unsere Produktion, können wir unsere Kunden bei neuen Projekten und Entwicklungen von Anfang an begleiten. So können wir die besonderen Anforderungen und Wünsche jedes Kunden direkt in die Entwicklung und Konstruktion von Spezialleitungen berücksichtigen. Nicht selten entwickeln wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden neue Leitungen mit einer oder mehreren Musterfertigungen. Nur so lässt sich eine optimale und dauerhaft funktionierende Leitung konstruieren. Unsere Kunden schätzen diesen Service sehr, da wir aufgrund unserer 75-jährigen Erfahrung viele Parameter vorab berücksichtigen und die Entwicklungszeit reduzieren können.

Welche Aspekte sind für die zukünftigen Herausforderungen beziehungsweise Ausrichtung des Unternehmens besonders wichtig?

In den kommenden Jahren werden wir uns noch stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Bereits im Jahr 2005 haben wir erfolgreich ein Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001 eingeführt. 2011 folgte dann noch ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001. In diesem Jahr steht die Teilnahme an einem Energie- & Klima-schutznetzwerk auf dem Programm. Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht mehr wegzudenken und wird in allen strategischen Entscheidungen mit betrachtet. Neben der Digitalisierung stehen sicherlich auch die Fachkräftegewinnung und die Mitarbeiterbindung im Mittelpunkt. Gerade in den letzten 3 Jahren hat sich der Fachkräftemangel immens verstärkt. Hier gilt es gegenzusteuern und unsere Vorteile als innovatives, familiengeführtes und mitarbeiterfreundliches Unternehmen zu präsentieren. Natürlich bleibt für uns auch weiterhin der Kunde im Fokus. Wir verstehen unsere Kunden nicht bloß als Auftraggeber, sondern auch als Partner. Dies hat sich gerade in der aktuellen problematischen Rohstoffliefersituation gezeigt. Trotz einbrechender Lieferketten konnten wir in Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und Kunden bis dato die Herausforderung gut bewältigen und die Auslieferung von zugesagten Produkten für unsere Kunden sicherstellen.

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