Gelernte Szenarien aufbauend nutzen Fahrstunden für autonome Fahrzeuge

Autonome Fahrzeuge sollen auch außerhalb von vorgegebenen Szenarien zuverlässig reagieren können.

Bild: iStock, Just_Super
30.11.2020

Automatisierte und autonome Fahrzeuge kommen mit wechselnden Verkehrssituationen bisher schlecht zurecht. Wissenschaftler der Universität Stuttgart erforschen jetzt neue Methoden, um die KI-Module für ein besseres Verständnis der Umwelt zu trainieren. Ziel ist es, bereits vorhandenes Wissen aus bekannten Domänen auf sich ändernde oder neue Verkehrssituationen zu übertragen und autonome Fahrzeuge zur Serienreife weiterzuentwickeln.

Tag – Nacht, Sonne – Regen, Wald – Feld: Wer Auto fährt, muss sich, oft in schneller Folge, auf sehr unterschiedliche Umfeldbedingungen einstellen. Was der Mensch jedoch intuitiv bewältigt, muss einem KI-Modul bisher für jede einzelne Situation antrainiert werden.

„Mit den bisherigen Methoden beim Training von künstlicher Intelligenz kann diese kein echtes Verständnis für die Umwelt entwickeln und spezialisiert sich zu stark“, erklären Prof. Bin Yang und Robert Marsden vom Institut für Signalverarbeitung und Systemtheorie (ISS), die den im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik angesiedelten Projektanteil der Universität Stuttgart koordinieren. „Dadurch haben die neuronalen Netze, auf denen die KI basiert, Schwierigkeiten mit Situationen, die im Trainingsdatensatz nicht abgebildet wurden.“

Ein Modell, das zum Beispiel auf das Erkennen eines Autos bei Tag trainiert ist, kann Fahrzeuge, die bei Nacht unterwegs sind, deutlich schlechter erkennen.

Lernen auf Basis der Unterschiede

Um KI zum Generalisten zu machen, sind bisher enorm große Trainingsdatensätze erforderlich, Das ist ein kostspieliges und zeitaufwändiges Unterfangen. Daher suchen die Forschenden im Projekt KI Delta Learning nach Wegen, um vorhandene KI-Module autonomer Fahrzeuge zu erweitern und so zu transformieren, dass sie auch außerhalb von vorgegebenen Szenarien zuverlässig reagieren.

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Methoden zur effizienten Übertragung bereits vorhandenen Wissens aus bekannten Domänen auf neue Zieldomänen. Mithilfe dieser Methoden soll die KI zukünftig aufbauend auf existierendem Wissen lediglich die Unterschied oder Deltas zu unbekannten Zieldomänen erlernen müssen.

Diese Deltas lassen sich in sechs Anwendungsfälle unterteilen. Hierzu zählt beispielsweise der Umgang mit Weiterentwicklungen im Bereich der Fahrzeugsensoren oder mit langfristigen Veränderungen in der Verkehrswelt. Die Berücksichtigung von kurzfristigen Änderungen, wie unterschiedliche Tageszeiten oder Wetterverhältnisse sowie die Erweiterung des Einsatzes der KI-Methoden auf weitere Länder sind ebenfalls im Umfang enthalten, um nur einige Aspekte zu nennen.

Das bereits Gelernte soll bei der Überbrückung des Deltas nicht verworfen, sondern darauf aufbauend genutzt werden. „Nur so können autonome Systeme langfristig die gesamte Komplexität der Verkehrswelt zuverlässig abdecken und mit den immer kürzeren Innovationszyklen und der sich ständig ändernden Mobilität Schritt halten“, betont Dr. Mohsen Sefati (Mercedes Benz AG), der Gesamtleiter des Projekts KI Delta Learning.

Dabei konzentriert sich das Projekt auf drei Hauptbereiche für das Delta Learning: Transfer Learning, Didaktik und Automotive Tauglichkeit. Der Stand der Technik wird in allen drei Bereichen so weit vorangetrieben, dass die nächste Generation der KI-Algorithmen für einen uneingeschränkten Einsatz im autonomen Fahrzeug gewappnet ist.

Training mit simulierten Daten

Das ISS der Universität Stuttgart geht innerhalb des Projekts der Frage nach, wie man das Modell beim Erlernen einer generelleren Repräsentation unterstützen kann. Dabei sollen simulierte Daten für Kamerabilder von Fahrszenen, generiert aus der Computerspiel- und Filmindustrie, für das Training verwendet werden.

Die Forschenden untersuchen unter anderem einen Ansatz, bei dem simulierte Bilder so in ihrem Aussehen verändert werden, dass sie nicht mehr von echten zu unterscheiden sind. Darüber hinaus arbeiten sie auch an Methoden für kontinuierliches Lernen, bei dem neues Wissen in das Modell integriert werden soll, ohne dass altes wieder vergessen wird.

Über KI Delta Learning

Das Projekt KI Delta Learning besteht aus 19 Konsortialpartnern von namhaften Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie Automobilherstellern, -zulieferern und Technologieprovidern. Das von der VDA Leitinitiative „Autonomes und Vernetztes Fahren“ als Teil der KI-Familie initiierte und entwickelte Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

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