Pionierarbeit bei Lithium-Ionen-Akkus Europäischer Wissenschaftspreis geht an britische Batterieforscherin

„Mir ist wichtig, dass die Grundlagenforschung an neuen Batterietechnologien bereits heute voll in Angriff genommen wird – morgen ist es zu spät“, sagt die Chemikerin Clare Grey.

Bild: Gabriella Bocchetti, University of Cambridge
22.06.2021

Der mit einer Million Euro dotierte Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft geht in diesem Jahr an die Britin Clare Grey. Erhalten hat sie ihn für ihre Arbeit im Bereich der Batterieoptimierung: Mit einer nicht-invasiven Methode erlaubt sie Einblicke in das Innenleben von Lithium-Ionen-Akkus.

Clare Grey ist Preisträgerin des diesjährigen Körber-Preises für die Europäische Wissenschaft. Die Chemikerin von der University of Cambridge leistete Pionierarbeit bei der Optimierung von Batterien mithilfe der NMR-Spektroskopie (Nuclear Magnetic Resonance). Diese Methode ermöglicht nicht-invasive Einblicke in das Innenleben von Batterien, ähnlich der Magnetresonanztomographie (MRT).

Greys NMR-Untersuchungen halfen, die Leistung von Lithium-Ionen-Akkus für Handys, Notebooks oder E-Fahrzeuge deutlich zu steigern. Außerdem war sie maßgeblich an der Entwicklung neuartiger Batterietypen beteiligt, darunter Lithium-Luft-Akkus, die eine zehnfach erhöhte Energiedichte aufweisen, oder Batterien, die sehr schnell aufladen und besonders betriebssicher sind.

Die Britin forscht auch an kostengünstigen und langlebigen Speichersystemen für Strom aus regenerativen Quellen. Diese Grundlagenforschung sieht sie als wichtigen Beitrag, um das von der Europäischen Union erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

Über die Preisträgerin

Clare Grey, 56, studierte Chemie an der britischen Oxford University. Bereits im Alter von 22 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Fachartikel im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Nach ihrer Promotion im Jahr 1991 ging sie an die Radboud-Universität im niederländischen Nijmegen. 1992/93 arbeitete sie dann als Gastwissenschaftlerin beim US-Chemiekonzern Dupont.

Ab 1994 war Grey als Assistant Professor an der State University of New York at Stony Brook tätig, wo sie 2001 eine volle Professur erhielt. 2009 wurde sie Geoffrey-Moorhouse-Gibson-Professorin an der britischen University of Cambridge. Seit 2011 ist sie zudem Fellow der Royal Society.

Genauer als Röntgenstrahlen

Schon als Undergraduate-Studentin hatte sich Grey mit NMR-Spektroskopie befasst und damit Metalle wie Zinn untersucht. Das war damals Neuland, denn klassisch untersuchen Physiker und Chemiker die Struktur von Festkörpern meist, indem sie diese mit Röntgenstrahlen beschießen.

Bei der NMR-Methode hingegen werden Resonanzen von Atomkernen genutzt, um neuartige Einblicke in Materialien zu gewinnen. So konnte Grey die elektrochemischen Vorgänge beim Laden und Entladen von Akkus im laufenden Betrieb untersuchen und die Bewegung der Lithium-Ionen in Batteriematerialen verfolgen.

NMR funktioniert dabei am einfachsten mit flüssigen Proben, in denen sich die Moleküle sehr schnell bewegen, was Wechselwirkungen zwischen ihnen wegmittelt. Grey aber untersuchte als eine der ersten auf ihrem Gebiet auch Festkörper wie Metalle. In ihrer Zeit in den USA lernte sie Forscher der Firma Duracell kennen, die sie inspirierten, mit NMR-Technik Materialien in Batterien zu studieren.

„Die zuvor üblichen Untersuchungen mit Röntgenstrahlen lieferten nur ein durchschnittliches Bild“, sagt Grey. „Mithilfe von NMR konnte ich nun auch die feinen Details in diesen oft unstrukturierten Materialien aufspüren.“

Anfangs untersuchte sie einzelne Inhaltsstoffe, indem sie die Batterien in einem bestimmten Stadium ihres Lade- und Lebenszyklus öffnete. Ziel war unter anderem, herauszufinden, welche chemischen Prozesse die Batterien altern lassen und wie sich deren Lebensdauer und Kapazität erhöhen lässt.

Später verbesserte Grey die NMR-Technologie so, dass sie damit auch Zellen im laufenden Betrieb zerstörungsfrei in sogenannten In-situ-Experimenten untersuchen konnte. Diese halfen, kurzlebige Substanzen aufzuspüren und die Studien enorm zu beschleunigen.

Forschung an Lithium-Alternativen

Grey forscht zudem an Akkus der kommenden „Beyond Lithium“-Ära, die statt Lithium das umweltfreundlichere Natrium enthalten. Solche Batterien sind jedoch schwerer und eignen sich eher als kostengünstige Zwischenspeicher für Wind- oder Solarstrom.

Das Gleiche gilt für neuartige Redox-Fluss-Batterien, die elektrische Energie in zwei separaten Tanks mit Chemikalien speichern. Die Vorgänge in solchen Flüssigkeitsbatterien konnte Grey mittels NMR-Studien ebenfalls „live“ verfolgen und dabei unter anderem den Ursachen für Alterungsprozesse auf den Grund gehen. Sie arbeitet daran, die NMR-Methode künftig weiter zu optimieren und damit noch leistungsfähigere, schneller ladende und umweltfreundlichere Akkus zu konzipieren.

2019 war Grey an der Gründung einer Firma für ultraschnell ladende Batterien beteiligt, die von ihr entwickelte Technologien verwendet. Eine andere Firma liefert die von der Britin konzipierte NMR-Messtechnik an Labors in aller Welt. Zum Erreichen der Klimaziele ist es Grey dabei sehr wichtig, dass „die Grundlagenforschung an neuen Batterietechnologien bereits heute voll in Angriff genommen wird“ – denn morgen sei es zu spät.

Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft wird Clare Grey voraussichtlich am 10. September 2021 im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses überreicht.

Zum Körber-Preis

Der mit einer Million Euro dotierte Körber-Preis zählt zu den weltweit höchstdotierten Forschungspreisen. Die Körber-Stiftung zeichnet mit ihm seit 1985 jedes Jahr einen wichtigen Durchbruch in den Physical oder Life Sciences in Europa aus. Prämiert werden innovative Forschungsansätze mit hohem Anwendungspotenzial. Nach Verleihung des Körber-Preises erhielten bislang sechs Preisträger den Nobelpreis.

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