Verfahrenstechnik Es geht um die Wurst

11.09.2013

Omega-3-Fettsäuren finden sich in Fischen, Algen und etlichen Pflanzen. Obwohl sie lebensnotwendig sind, essen die meisten zu wenig davon. Um das zu ändern, hat das Fraunhofer IVV Wurstsorten entwickelt, die diesen Mangel beheben sollen.

Herr Dr. Eisner, Sie haben am Fraunhofer IVV Wurstsorten entwickelt, die Omega-3-Fettsäuren enthalten. Wie genau bringt man diese Fettsäuren in die Wurst und welche Herausforderungen gab es dabei?

Das Problem ist, dass diese Fettsäuren nach Fisch riechen, sobald sie mit Sauerstoff in Berührung kommen. Die neue Omega-3-Emulsion die wir entwickelt haben, zielt darauf ab, Omega-3-Fettsäuren zu schützen, sodass sie nicht oxidieren. Wir mussten also sicherstellen, dass die Fettsäuren vor Sauerstoff abgeschirmt sind. Dazu haben wir eine Art Mehrschichtenmodell entwickelt. Die Fettsäuren haben mehrere ungesättigte Stellen im Molekül, an denen Sauerstoff sehr leicht angreifen kann. Um diese Fettsäuren mussten wir Antioxidantien platzieren. Wir haben Rapsöl als abfangendes Öl eingesetzt, das eine große Anzahl an mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält. Das heißt, man bietet dem Sauerstoff eine Alternative an ungesättigten Stellen, damit er nicht gleich die Omega-3-Fettsäuren abbaut. Darüber hinaus haben wir entsprechende Extrakte zugesetzt, zum Beispiel aus Rosmarin, die ebenfalls anti-oxidativ wirken. Das heißt, wir haben eine Mischung aus unterschiedlichen Antioxidantien und den Omega-3-Fettsäuren entwickelt, die die Wirkung der verschiedenen Anti-oxidantien miteinander kombiniert. Bis der Sauerstoff diese durchdrungen hat, dauert es einige Zeit. Wie lange ist die Omega-3-Fettsäure geschützt oder mit anderen Worten: Wann schmeckt die Wurst nach Fisch?Wir haben unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt. Natürlich ist das kein Prozess, der schlagartig nach zwei Wochen einsetzt. Der Oxidationsprozess beginnt unmittelbar nach der Herstellung, da natürlich eine gewisse Anzahl von Fettsäuren an der Oberfläche schon zugänglich ist. Aber man kann davon ausgehen, dass die Produkte in der Wurst mindestens vier Wochen haltbar sind, bevor wirklich sensorisch merkliche Oxidationseffekte spürbar sind.

Was waren die größten Probleme bei der Herstellung?

Es gab eine Reihe von Herausforderungen im Bereich der Sensorik. Welche Proteine und Antioxidantien verwende ich, bei welcher Konzentration schmecken sie vor? Diese Fragen haben uns sehr beschäftigt. Wir mussten dann zwischen Oxidationsschutz einerseits und Geschmack andererseits abwägen. Es nutzt ja nichts, wenn das fertige Produkt nicht nach Fisch, aber dafür bitter oder nach würzigen Pflanzenaromen schmeckt.

Bleibt es bei der Wurst oder wollen Sie auch andere Lebensmittel anreichern?

Die Grundidee war, Omega-3-Fettsäuren in Lebensmitteln anzureichern. Man kann das auch mit Teigwaren machen, mit Nudeln, Pizza oder Brot. Da es mit Wurstwaren in dieser modifizierten Ausgestaltung relativ einfach geht, haben wir damit angefangen. Die anderen Produkte werden Schritt für Schritt auf den Markt kommen. Denn Menschen, die keine Wurst essen, hätten sonst nichts von unserer Entwicklung.

Wurde das Produkt am Institut nur im Labormaßstab entwickelt oder auch in größeren Mengen?

Zuerst haben wir die Wurst nur in kleinen Mengen hergestellt, aber wir haben auch das entsprechende Equipment, um größere Mengen herzustellen, also auch mal mehrere Kilogramm. Ein großes Fleischwerk hat vielleicht keinen Kutter mehr wie unserer mit Chargen von 60 kg. Größere Maßstäbe lassen sich dann relativ leicht übertragen. Es hat sich in der Vergangenheit auch bei unserer fettarmen Wurst gezeigt, dass die Übertragung aus einem Metzgermaßstab auf einen technischen Maßstab in den meisten Fällen keine großen Probleme macht. Das heißt, wir haben das Scale-Up gleich in der Entwicklung berücksichtigt.

Wie viel Wurst müsste man essen, um den Bedarf an gesunder Fettsäure zu decken?

Das ist abhängig vom Produkt; in jedem sind unterschiedliche Mengen Omega-3. Wir gehen ja auch davon aus, dass es für die meisten Menschen nicht die einzige Omega-3-Quelle ist. Vor diesem Hintergrund kann man das ein wenig relativieren. Die Verbraucher müssen also nicht 200 g Wurst am Tag essen.

Die Produkte sind nun schon seit Mitte April im Handel. Wie war das Feedback?

Unser Partner Edeka war von Anfang an begeistert. Wir stellen allerdings fest, dass es ein sehr kommunikationsbedürftiges Produkt ist. Für den Konsumenten klingt Omega-3 zuerst mal gut, aber mehr kann er in der Regel damit nicht anfangen. Einfach nur einen Zettel "Kauft die Wurst!" bei Edeka auszulegen wäre wohl wenig wirkungsvoll. Deswegen denke ich, wir stehen in den nächsten Monaten vor der Herausforderung, den Leuten bewusst zu machen, wo das eigentliche Defizit ist. Wenn die Menschen wüssten, wie wertvoll Omega-3 tatsächlich ist und welche Potenziale sie in ihrem Organismus nicht nutzen, weil sie zu wenig davon essen, würden die Produkte aus den Regalen gerissen werden.

Dr. Peter Eisner ist Leiter der Verfahrensentwicklung Lebensmittel und der Verfahrensentwicklung pflanzliche Rohstoffe am Fraunhofer IVV in Freising

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