Technisch bisher unerreichte mechanische Fähigkeiten Erster elektrischer Nanomotor aus DNA-Material

Hendrik Dietz, Professor für Biomolekulare Nanotechnologie an der TUM, arbeitet mit der Methode des DNA-Origami.

Bild: Astrid Eckert / TUM
21.07.2022

Einem Forschungsteam unter Leitung der Technischen Universität München ist es erstmals gelungen, einen molekularen Elektromotor mit der Methode des DNA-Origami herzustellen. Die winzige Maschine aus Erbgut-Material setzt sich selbst zusammen und wandelt elektrische Energie in Bewegungsenergie um.

Ob im Auto, der Bohrmaschine oder der automatischen Kaffeemühle – Motoren verrichten in unserem Alltag Arbeit, um verschiedenste Aufgaben zu bewältigen. Auf deutlich kleinerer Ebene übernehmen natürliche molekulare Motoren lebenswichtige Aufgaben in unserem Körper. So produziert beispielsweise die sogenannte ATP-Synthase das Molekül Adenosintriphosphat (ATP), das unser Körper zum kurzfristigen Speichern und Übertragen von Energie verwendet.

Während natürliche molekulare Motoren essenziell sind, war es bislang eine Herausforderung, Motoren in dieser Größenordnung mit annähernd ähnlichen mechanischen Eigenschaften wie beispielsweise die der ATP-Synthase nachzubauen. Ein Forschungsteam hat nun einen funktionierenden molekularen Rotationsmotor in Nanogröße mit der Methode des DNA-Origami konstruiert. Maßgeblich beteiligt waren die Arbeitsgruppen um Hendrik Dietz, Professor für Biomolekulare Nanotechnologie an der TUM, Friedrich Simmel, Professor für Physik Synthetischer Biosysteme an der TUM sowie Ramin Golestanian, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation.

Nanomotor setzt sich selbst zusammen

Der neuartige molekulare Motor besteht aus DNA. Zum Zusammensetzen des Motors aus DNA-Molekülen verwendeten die Forschenden die Methode des DNA-Origami, die 2006 von Paul Rothemund erfunden wurde und in der Folge auch an der TUM in den Arbeitsgruppen weiterentwickelt wurde. Mehrere lange DNA-Einzelstränge dienen dabei als Gerüst. An diesen lagern sich weitere DNA-Stränge als Gegenstücke an. Dabei werden die DNA-Sequenzen so gewählt, dass durch die entsprechenden Anlagerungen und Faltungen die gewünschten Strukturen entstehen.

„Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren mit dieser Fabrikationsmethode und können inzwischen sehr präzise und komplexe Objekte entwickeln, wie zum Beispiel molekulare Schalter oder Hohlkörper, die Viren einfangen können. Gibt man die DNA-Stränge mit den entsprechenden Sequenzen in Lösung, setzen sich die Objekte von selbst zusammen“, sagt Dietz.

Der neue Nanomotor aus DNA-Material besteht aus drei Komponenten: Sockel, Plattform und Rotorarm. Der Sockel ist etwa 40 nm hoch und über chemische Verbindungen auf einer Glasplatte in Lösung verankert. Auf dem Sockel ist ein bis zu 500 nm langer Rotorarm drehbar gelagert. Entscheidend für das Funktionsprinzip des Motors ist ein weiteres Bauteil: eine Plattform, die zwischen Sockel und Rotorarm liegt. Diese enthält Hindernisse, die die Bewegung des Rotorarms beeinflussen. Um die Hindernisse zu passieren und sich zu drehen, muss sich der Rotorarm ein wenig nach oben verbiegen, ähnlich wie bei einer Ratsche.

Gezielte Bewegung durch Wechselspannung

Ohne Energiezufuhr bewegen sich die Rotorarme der Motoren getrieben durch zufällige Kollisionen mit Molekülen aus dem umgebenden Lösungsmittel ungesteuert in die eine oder andere Richtung. Sobald jedoch über zwei Elektroden Wechselspannung angelegt wird, drehen sich die Rotorarme gezielt und kontinuierlich in eine Richtung.

„Der neue Motor hat technisch bisher unerreichte mechanische Fähigkeiten: Er kann Drehmomente im Bereich von 10 Piconewton-mal-Nanometer erzielen. Und er kann mehr Energie pro Sekunde erzeugen, als bei der Spaltung von zwei ATP-Molekülen freigesetzt wird“, erklärt Ramin Golestanian, der unter anderem verantwortlich für die theoretische Beschreibung des Motormechanismus zeichnet.

Die gerichtete Bewegung der Motoren entsteht durch eine Überlagerung der fluktuierenden elektrischen Kräfte mit den Kräften, die der Rotorarm aufgrund der Ratschenhindernisse erfährt. Der zugrundeliegende Mechanismus entspricht dabei einer sogenannten „Flashing Brown’schen Ratsche“. Die Forschenden können Geschwindigkeit und Richtung der Rotation über die Feldrichtung und auch über die Frequenz und Amplitude der Wechselspannung kontrollieren.

„Der neue Motor könnte zukünftig auch technische Anwendung finden. Wenn wir den Motor entsprechend weiterentwickeln, könnten wir damit zukünftig eventuell chemische Reaktionen nach dem Vorbild der ATP-Synthase antreiben. Dann könnte man beispielsweise Oberflächen dicht mit solchen Motoren beschichten. Dann gibt man Ausgangsstoffe hinzu, legt ein wenig Wechselspannung an und die Motoren produzieren die gewünschte chemische Verbindung“, sagt Dietz.

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