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Energie im Pool vermarkten Erlöspotenziale durch Regelenergie

Auktion: Auf der Handelsplattform für Regelenergie werden die Angebote eingestellt.

Bild: LEW/Bleier, SGL Group
17.08.2015

Durch Pool-Vermarktung haben nun auch kleinere, dezentrale Energieerzeuger und -ver­braucher bereits mit Anlagenleistungen ab 200 kW die Möglichkeit, am Regelenergie­markt teilzunehmen. Sie können ihre eigene Stromerzeugung oder Energienachfrage flexibel zur Netzstabilisierung zur Verfügung stellen und damit zusätzliche Erlöse erzielen.

Im Zuge der Energiewende verändert sich die gesamte deutsche Erzeugungsstruktur: weg von einem auf wenigen Großkraftwerken basierenden Netz hin zu einem kleinteiligen, engmaschig vernetzten Energiesystem. Kleine, regenerative Erzeugungseinheiten übernehmen einen immer größeren Anteil an der gesamtdeutschen Stromproduktion. Die Rolle dieser neuen dezentralen Akteure ausschließlich auf die reiner Energielieferanten zu beschränken, greift allerdings zu kurz. Für ein nachhaltig funktionierendes Gesamtsystem ist es sinnvoll und wichtig, dass sie auch über die reine Erzeugung hinaus Systemverantwortung übernehmen.

In Hinblick auf Versorgungssicherheit und Netzstabilität ist das Bereitstellen sogenannter Regelenergie systemrelevant. Die Übertragungsnetzbetreiber setzen diese kurzfristig abrufbaren Reservekapazitäten ein, um bei unvorhergesehenen Schwankungen von Stromangebot und Stromnachfrage die Netzfrequenz stabil bei 50 Hertz zu halten. Die notwendige Erzeugungs- oder Verbrauchsleistung schreiben die vier Übertragungsnetzbetreiber täglich auf einer gemeinsamen Auk­tionsplattform aus.

Bei der Minutenreserve stellen Anbieter ihre Pakete zum selbst festgelegten Preis am Vormittag für den folgenden Tag ein, bei der Sekundärregelung mittwochs für die Folgewoche, anschließend werden jeweils die Zuschläge vergeben. Die Zuschläge erhalten die günstigsten Anbieter. Die Übertragungsnetzbetreiber kontrahieren dabei so viele Angebote, bis die ausgeschriebene Leistung erreicht ist. Vergütet wird bereits das Vorhalten der Leistung, für einen tatsächlichen Abruf gibt es Zusatzerlöse.

Regelenergiemarkt

Traditionell stellen überwiegend Großkraftwerke Reservekapazitäten bereit. Seit Ende 2006 stehen die Auktionsbörsen aber auch kleineren Anbietern offen. Grundsätzlich können auch viele der dezentralen Kleinanlagen ihre Leistung auf Abruf liefern. Eine eigenständige Vermarktung ist für Unternehmen und Anlagenbetreiber allerdings selbst bei Erreichen der Mindestgebotsgröße von 5 MW nur selten sinnvoll.

Die Teilnahme am Regelenergiemarkt bringt aufwendige Qualifizierungsvorgaben mit sich – von der Gebotsabgabe auf den Auktionsbörsen über die Bereithaltung und Lieferung der Regelenergie bis hin zur Abrechnung mit den Übertragungsnetzbetreibern. Die Besonderheiten des volatilen Regelenergiemarktes stellen außerdem hohe operative Anforderungen und erfordern intensive tägliche Analysen der Marktentwicklung. Für einzelne Unternehmen und dezentrale Energieerzeuger sind diese Vorgaben kaum erfüllbar. Zudem stehen die von Einzelbetreibern erzielbaren Erlöse in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zu dem dafür notwendigen Aufwand. Hinzu kommt, dass Einzelanlagen in den allermeisten Fällen allein nicht marktfähig sind, da ihnen eine Absicherung der angebotenen Regelenergie über eine zusätzliche Ausfallreserve nicht möglich ist.

Regelenergie im Pool vermarkten

Mit dem Vermarkten der Regelenergie im Pool durch einen etablierten Energiedienstleister wird für Unternehmen und Anlagenbetreiber der Aufwand zur Teilnahme am Regelenergiemarkt minimiert. Der Pool-Betreiber bündelt die Leistungen der Kleinanlagen zu einem virtuellen Kraftwerk und übernimmt für die Betreiber alle Anforderungen und Abläufe der Vermarktung. Dazu zählen auch die notwendige Anlagendokumentation und die Präqualifizierung. Praxistests in Zusammenarbeit mit den Übertragungsnetzbetreibern stellen dabei sicher, dass alle Voraussetzungen für die verlässliche Bereitstellung und Lieferung von Regelenergie nachweislich erfüllt sind.

In Frage kommen die meisten steuerbaren Anlagen zur Energieerzeugung: von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, kleineren Gasturbinen oder Notstromaggregaten bis hin zu Biomasse- und Biogasanlagen. Wenn zu wenig Strom im Netz ist, fahren sie ihre Erzeugungsleistung hoch und liefern damit positive Regelenergie. Gibt es dagegen ein Überangebot an Leistung im Übertragungsnetz, wird Kapazität vom Netz genommen. Diese negative Regelenergie lässt sich noch auf andere Weise erzeugen: von Unternehmen durch flexibles Energiemanagement. Die Stromnachfrage für Prozesswärme, für Kühlanlagen oder für Produktionsprozesse lässt sich in vielen Fällen innerhalb gewisser Zeitfenster verschieben und so als Verbrauch auf Abruf zur Stabilisierung der Stromnetze zur Verfügung stellen.

Anbieter entscheiden über mögliche Gebote

Die Pool-Vermarktung ermöglicht Anlagenbetreibern und Unternehmen, ihre flexibel verfügbaren Energieleistungen wirtschaftlich sinnvoll als Regelenergie zu vermarkten. Speziell kleinere, dezentrale Energieerzeuger und energieintensive Industrieunternehmen können damit die Rentabilität ihrer Anlagen erhöhen und gleichzeitig einen Beitrag zur Energiezukunft Deutschlands leisten. Die Teilnahme an einem Regel­energie-Pool sichert den Anlagenbetreibern dabei gleichzeitig größtmögliche Entscheidungsfreiheit: Sie können praktisch täglich frei beschließen, ob, wann und in welchem Umfang sie Regelenergie anbieten wollen.

Vermarktet werden verschiedene Klassen der Regelenergie: Leistungen der sogenannten Minutenreserve (Tertiärregelung) werden täglich auktioniert und müssen innerhalb festgelegter Zeitfenster von vier Stunden bereitgehalten werden. Sie müssen auf Abruf innerhalb von fünfzehn Minuten vollständig aktiviert oder wieder deaktiviert sein. Und sie müssen bis zu vier Stunden lang zur Verfügung stehen. Alternativ ist die Teilnahme im Rahmen der Sekundärregelung möglich, die wöchentlich auktioniert wird. Die Voraussetzungen dafür sind, dass der Übertragungsnetzbetreiber die Regelleistung automatisch abrufen kann, diese innerhalb von fünf Minuten vollständig und bis zu sechzig Minuten lang zur Verfügung steht.

Pool-Vermarktung ab 200 kW

Durch das Modell der Pool-Vermarktung steht der Regel­energiemarkt bereits Anlagenbetreibern und Unternehmen offen, die nur eine verhältnismäßig geringe flexible Einzelleistung von mindestens 200 kW anbieten können. Zudem lassen sich über das Pool-Konzept die hohen Anforderungen des Regelenergiemarktes an die Leistungsabsicherung sicher erfüllen: Ein Teil der virtuellen Kraftwerksleistung wird dazu als Reserveleistung in Bereitschaft gehalten.

Die Vermarktung der gebündelten „Kraftwerksleistung auf Abruf“ übernimmt der Energiedienstleister: Regelmäßig ruft er dazu bei den Pool-Mitgliedern Informationen darüber ab, an welchen Tagen und in welchen Zeitfenstern sie positive oder negative Regel­energie bereitstellen können. Jedes Pool-Mitglied entscheidet dabei immer selbst, wann es die Leistung seiner Anlagen und Maschinen vermarkten will. Die eingegangenen Verfügungsoptionen werden dann entsprechend der Mindestlosgröße in Paketen zu jeweils 5 MW auf den Auktionsbörsen platziert.

Der Pool-Dienstleister ist zudem für die Abrechnungsmodalitäten mit den Übertragungsnetzbetreibern verantwortlich. Von den Übertragungsnetzbetreibern wird bereits die Bereithaltung von Kapazitäten vergütet. Die bei der Auktion dafür erzielten Erlöse werden anteilig auf die beteiligten Anlagenbetreiber verteilt. Allein für die Bereithaltung von 1 MW Minutenreserveleistung können im Jahr bis zu 20.000 Euro, bei der Sekundärregelleistung bis zu 50.000 Euro erlöst werden. Wird die Regelleistung tatsächlich abgerufen, erhalten die Pool-Teilnehmer dafür eine zusätzliche Vergütung.

Regelenergie-Pool in der Praxis

Das Handelsteam der Lechwerke (LEW) ist bereits seit 2007 regelmäßig auf der Auktionsbörse der Übertragungsnetzbetreiber aktiv. Inzwischen entspricht der Regelenergie-Pool mit über 600 MW qualifizierter Gesamtleistung der Kapazität von zwei mittelgroßen Gaskraftwerken. Die Pool-Mitglieder reichen vom Notstromaggregat auf Sylt über Biogasanlagen im Allgäu bis zu steuerbaren Anlagen und Prozessen in der Industrie.

Bei SGL in Meitingen zum Beispiel werden Aufheizprozesse der Graphitöfen zeitlich flexibel gesteuert. Die Pool-Vermarktung seines Strombedarfs als negative Minutenreserve nutzt das Unternehmen zum Senken der Energiekosten. Die Aktivierung einer zugesagten Regelleistung erfolgt dabei nicht durch den Pool-Dienstleister. Vielmehr bleibt die Kontrolle über die Produktionsprozesse vollständig in der Hand des Unternehmens, das auf eine Benachrichtigung des LEW-Teams hin die Stromabnahme selbst startet.

Eine ferngesteuerte Aktivierung über den LEW-Energieregler ist auch bei unkritischen Anlagen wie Notstromaggregaten, Biogas- oder Biomasseanlagen möglich. Das Pool-Konzept für die Regelenergievermarktung hat sich am Markt bewährt. Seit Beginn 2015 vermarktet LEW damit nun auch Regelenergie in Österreich.

Regelenergie

In Deutschland setzen die vier Übertragungsnetzbetreiber Regel­energie zur gezielten Stabilisierung der Netzfrequenz ein. Sie gleicht unvorhergesehene Schwankungen aus, die durch einen Mangel oder ein Überangebot an Leistung entstehen. Entsprechend wird positive oder negative Regelenergie eingesetzt.

Die Regelenergie schreiben die Übertragungsnetzbetreiber täglich auf einer gemeinsamen Plattform aus. Anbieter stellen dort am Vormittag ihre Gebote für den Folgetag ein. Den Zuschlag erhalten die jeweils günstigsten Gebote, bis die erforderliche Leistung erreicht ist. Vergütet werden das Vorhalten sowie zusätzlich der Abruf der Leistung.

Die Internetplattform zur Ausschreibung von Regelleistung der deutschen Übertragungsnetzbetreiber ist www.regelleistung.net.

Bildergalerie

  • Potenzial im Unternehmen: Am Markt für Regelenergie beteiligt sich auch die SGL Group mit dem energieintensiven Graphitierungsprozess.

    Potenzial im Unternehmen: Am Markt für Regelenergie beteiligt sich auch die SGL Group mit dem energieintensiven Graphitierungsprozess.

    Bild: SGL Group

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