Smart Traffic & Mobility Erkenntnisse für die 
Mobilität der Zukunft

Bild: Schaeffler
06.05.2014

Die Globalisierung schreitet voran, führt jedoch keineswegs zu weltweiten Einheitslösungen. Dies zeigt die Schaeffler-Mobilitätsstudie, die Kundenanforderungen und Verhaltensmuster bis zum Jahr 2025 untersucht. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dazu, über systematisches Innovationsmanagement künftige, nachhaltige Mobilität weltweit mitzugestalten.

Mobilität ist nicht nur ein Grundbedürfnis des Menschen, sie korreliert auch streng mit wirtschaftlichem Wachstum. Dies gilt nicht nur für den Personenverkehr sondern auch für den Gütertransport, insbesondere auf der Straße (Abbildung Seite 114). Experten gehen davon aus, dass es zu einem selbstverstärkenden Effekt zwischen Verkehrs- und Wirtschaftsleistung kommt. Anders als beim Gesamtprimärenergieverbrauch ist die Entkopplung des Verkehrs- vom Wirtschaftswachstum bislang nicht gelungen. Dementsprechend sind die Motorisierungsraten in Schwellenländern deutlich geringer als in etablierten Märkten wie der EU oder den USA, allerdings wachsen sie deutlich stärker.

Zwar hat der technische Fortschritt in den letzten Jahrzehnten zu erheblichen Einsparungen beim spezifischen Energieverbrauch geführt. Dennoch steigt die Gesamtemission von Kohlendioxid aus dem Verkehrssektor weiter an. Die Politik reagiert darauf mit immer strengeren Grenzwerten. Dabei handelt es sich um ein weltweites Phänomen, bei dem die Grenzwerte konvergieren, wenn auch mit zeitlichem Versatz.

Es gilt, den steigenden Mobilitätsbedarf mit einem geringeren Ressourceneinsatz zu decken und insbesondere CO2-Emissionen zu senken. Dazu muss es gelingen, gezielt solche Technologien zu entwickeln, die aufgrund hoher Kundenakzeptanz und Marktdurchdringung tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasen leisten. Es werden sich nur Mobilitätslösungen durchsetzen, die einen direkten Kundennutzen hinsichtlich der Mobilitätsanforderungen einzelner Menschen bieten. Dabei ist unbedingt von einer euro-zentrischen Betrachtungsweise abzusehen, da sich aus der Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Mobilität ergibt, dass der größte Zuwachs in den Wachstumsregionen außerhalb der „alten“ Industrienationen der Triade erfolgen wird.

Mobilität ist ein globales Bedürfnis. Aus diesem Grund hat Schaeffler einen umfassenden Ansatz gewählt, um sich die Entwicklung künftiger Bedürfnisse für verschiedene Weltregionen zu erarbeiten. Die jüngst abgeschlossene, erste Mobilitätsstudie basiert auf einer dreistufigen Methodik:

Zunächst wurde eine Matrix entwickelt, die anhand fester Kriterien die Übertragung gefundener Mobilitätsmuster auf alle Weltregionen ermöglicht. Anschließend wurden Mobilitätsmuster für zwölf ausgewählte, reale Weltregionen erstellt. Abschließend wurden vier, verdichtete „Spotlights“ der künftigen Mobilität entwickelt, die für die Herausforderungen stehen, zu deren Bewältigung Schaeffler beitragen kann.

Cluster für weltweite Mobilität

Für die systematische Einordnung unterschiedlicher regionaler Mobilitätsbedürfnisse wurde eine dreidimensionalen Matrix mit den Dimensionen Urbanisierungsgrad, Kaufkraft der Nutzer und Stand der wirtschaftlichen Entwicklung verwendet (Abbildung Seite 115).

Die Clusterung ist für die Übertragbarkeit oder auch Nicht­übertragbarkeit von Lösungen von einer auf die andere Region von entscheidender Bedeutung. Deutlich wird dies am Beispiel der Elektromobilität: Diese noch relativ teure Technologie wird vor allem von Städten mit relativ hohem Wohlstandsniveau aktiv gefördert. Dabei dürfte der zunehmende Wunsch gebildeter urbaner Eliten nach einem nachhaltigen Lebensstil eine wesentliche Rolle spielen. Auch für andere Verkehrsträger und -moden lässt sich je nach Verankerung der Region in diesem Cluster eine Tendenz ableiten.

Anhand des Clusters wurden zwölf Beispielorte ausgewählt, für die in Expertenworkshops detaillierte Mobilitätsmuster erstellt wurden. Die Muster analysieren nicht nur die Ist-Situation, sondern extrapolieren in das Jahr 2025.

Mobilitätsmuster

Die in den Workshops erarbeiteten Mobilitätsmuster zeigen eine große Diversifizierung der Bedürfnisse je nach Einordnung der Region in die Matrix. Im Folgenden vier Beispiele dazu:

USA: Mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von 52.900 Euro (2011) darf der New Yorker Stadtteil Manhattan zweifelsohne als wohlhabend bezeichnet werden. Die hohe Verkehrsdichte führt vor allem tagsüber zu permanent überfüllten Straßen. Die Bereitschaft der Einwohner, öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) zu nutzen ist hoch, für sie hat die Minimierung der Reisezeit absolute Priorität. Allerdings stößt die Kapazität des ÖPNV ebenfalls an seine Grenzen. Gleichzeitig will die Stadt die aus dem Verkehr resultierenden Lärm- und Schadstoff­emissionen reduzieren. Zu den Lösungsansätzen gehören nicht nur ein Ausbau des ÖPNV und eine vermehrte Fahrradnutzung, sondern auch die Einführung kleiner, wendiger Elektrofahrzeuge und entsprechender Lademöglichkeiten, um die Nutzung der Verkehrsflächen zu maximieren.

Deutschland: Einen Kontrast dazu stellt das deutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern dar, das mit 1,6 Millionen Menschen etwa gleich viele Einwohner wie Manhattan hat – allerdings bei 260-fach größerer Ausdehnung. Nicht nur die Bevölkerungsdichte, sondern auch das durchschnittliche Einkommen mit 22.884 Euro/Person (2011) ist deutlich geringer. Außerhalb der Städte ist der ÖPNV aufgrund der schwachen Nachfrage schlecht ausgebaut. Dementsprechend wird ein Großteil des Personenverkehrs mit – überwiegend gebrauchten – Fahrzeugen zurückgelegt. Da gleichzeitig die Bevölkerung älter wird, ist mit einer Zunahme mobiler Dienstleistungen zu rechnen. Der bevorzugte Antrieb wird der Verbrennungsmotor bleiben.

Südamerika: Ganz anders sind die Verhältnisse in der 2,7-Millionen-Metropole Medellín in Kolumbien. Die Bevölkerungsdichte ist mit mehr als 7000 Einwohnern je Quadratkilometer sehr hoch, wobei ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung in inoffiziellen Siedlungen am Stadtrand (Favelas) lebt. Um in die Innenstadt zu kommen, ist bislang „Paratransit“ das bevorzugte Transportmittel. Dabei handelt es sich um privat betriebene Kleinbusse oder Großraumtaxis ohne festen Routenverlauf oder definierte Haltestellen. Ein Ausbau des offiziellen ÖPNV und striktere Emissionsstandards für Fahrzeuge könnten die von Smog geplagte Innenstadt entlasten. Hinzu kommt eine ungewöhnliche Lösung: Medellín hat zwei Seilbahnlinien in den regulären ÖPNV integriert; sie bedienen Favelas an den Hängen der Stadt und besitzen eine Transportkapazität von 3000 Personen pro Stunde.

Thailand: Wieder einen anderen Ansatz verfolgt Bangkok: Die Metropolregion mit mehr als 12 Millionen Einwohnern verfügt heute über einen für Entwicklungsländer beachtlichen Wohlstand, das Jahreshaushaltseinkommen beträgt etwa 9600 Euro (2007), mehr als doppelt so viel wie in Medellín. Das Straßennetz ist völlig überlastet, die Bereitschaft der Einwohner, mit dem ÖPNV gemeinsam zur Arbeit zu pendeln ist hoch. Allerdings stehen die weit verbreiteten Busse mit den Pkw im Stau. Ein Ausbau des Schienenverkehrs wäre langwierig und teuer, daher setzt Bangkok auf ein „Bus Rapid Transport“-System. Dabei handelt es sich um Linienbusse, die eigene, vom übrigen Verkehrsraum vollständig abgetrennte Spuren und metroartige Haltestellen nutzen. Die Transportkapazität ist mit 18.000 Personen/Tag auf der ersten, 16,5 km langen Strecke sehr hoch, die Kosten liegen um den Faktor 20 unter einer Hochbahn.

Diese Mobilitätsmuster zeigen vor allem eines: Es gibt keine allumfassende Antwort auf die Bewältigung des wachsenden Verkehrs, es herrscht Vielfalt, die auf die jeweiligen lokalen Voraussetzung bis hin zur Topographie reagiert. Zudem zeigt sich, dass zumindest in den urbanen Räumen die Kommunen einen ausgesprochenen Lösungswillen zeigen und die Mobilität als Faktor im Standortwettbewerb erkannt haben.

Übergreifende Herausforderungen

Im abschließenden dritten Schritt wurden vier konsolidierende Spotlights ausgearbeitet, die nach Ansicht von Schaeffler die Mobilität der Zukunft bestimmen werden. Diese sind:

  • Betrachtung der kompletten Energiekette: Künftige Mobilitätslösungen werden nicht mehr nur noch aus isolierten Einzelmaßnahmen bestehen, sondern die CO2-Bilanz der gesamten Energiekette einbeziehen. Dabei ist insbesondere die Erzeugung und Speicherung von Strom für Elektro­autos beziehungsweise von Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge zu betrachten. Dies bedeutet, auch die gesamte stationäre Infrastruktur für zukünftige Mobilitätslösungen zu betrachten.

  • Neue Mobilitätskonzepte für die Stadt: Intermodaler Verkehr auf begrenztem Raum mit reibungslosem Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wird in der Stadt der Zukunft eine Selbstverständlichkeit darstellen. Zudem wird in vielen rasch wachsenden Städten außerhalb der klassischen Industrieländer die Mehrheit der Bevölkerung eine pragmatische Haltung zur eigenen Mobilität entwickeln und den jeweils zeit- und kosteneffizientesten Weg wählen.

  • Ressourceneffiziente interurbane Mobilität: Für einen wachsenden Anteil der Weltbevölkerung wird es wichtig, sich zeiteffizient zwischen den urbanen Wirtschaftszentren zu bewegen. Die Ressourceneffizienz wird bei allen Verkehrsträgern, ob Flugzeug, Hochgeschwindigkeitszug oder Automobil, zunehmend zum entscheidenden Merkmal.

  • Umweltverträgliche Antriebe: Über die Energieeffizienz und damit die Umweltverträglichkeit von Mobilität entscheidet zu einem großen Teil der Fahrzeugantrieb. Daher wird die Entwicklung energieeffizienter Antriebe auch künftig erste Priorität genießen. Der Anspruch, weniger oder eines Tages gar kein CO2 mehr zu emittieren, erstreckt sich nicht nur auf die Nutzung eines Fahrzeugs, sondern auf dessen kompletten Lebenszyklus einschließlich der Produktion.

Mobilitätslösungen der Zukunft werden folglich mehr denn je auf die individuelle Anwendung und Bedarf zugeschnitten sein müssen. Die Menschen werden über die Politik ihre Bedürfnisse ausdrücken und entsprechende Randbedingungen schaffen.

Bildergalerie

  • Personenverkehr: Entwicklung von 1970 bis 2010 des deutschen Bruttoinlandsprodukts und der jährlich zurückgelegten Personenkilometer (Quellen: Statistisches Bundesamt, VDA)

    Personenverkehr: Entwicklung von 1970 bis 2010 des deutschen Bruttoinlandsprodukts und der jährlich zurückgelegten Personenkilometer (Quellen: Statistisches Bundesamt, VDA)

    Bild: Schaeffler

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel