Marktplatz Nodes für mehr Flexibilität Engpässe effizient managen

Marktbasierte Flexibilitätsplattformen können beim Einspeisemanagement Abhilfe schaffen.

Bild: BASF Schwarzheide; iStock, Eloi_Omella
28.08.2019

Wenn die Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen abgeregelt werden muss, ist das zumindest ökologisch ärgerlich. Dass zusätzlich durch immer häufigeres Einspeisemanagement hohe Kosten entstehen, ist zusätzlich ein ökonomisches Problem. Abhilfe schaffen marktbasierte Flexibilitätsplattformen, wie das Beispiel am BASF Chemiestandort Schwarzheide zeigt.

Die deutsche Energieversorgung verändert sich – von zentraler zu dezentraler Erzeugung, von konventionellen zu erneuerbaren Energieträgern. Im Frühjahr und Sommer 2019 deckten Erneuerbare in einzelnen Stunden bereits den vollständigen Stromverbrauch – im Mittel lag die Quote im ersten Halbjahr bei gut 44 Prozent. Durch die fluktuierende Einspeisung entstehen jedoch Engpässe und die Anzahl an Eingriffen zur Netzstabilisierung durch Netzbetreiber hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Und mit den Eingriffen, wie die notfallmäßige Abregelung von Erneuerbaren im Verteilnetz über das „Einspeisemanagement“, steigen auch die Kosten für den Netzbetrieb.

Netzbetreiber und Marktteilnehmer suchen daher nach kosteneffizienten und flexiblen Lösungen, die über bisherige operative Maßnahmen hinausgehen. Das Stichwort dafür lautet Flexibilität: Da es für den Netzbetreiber im Falle eines Engpasses gleichwertig ist, ob im Gebiet der Überproduktion die Einspeisung heruntergeregelt wird oder die Nachfrage steigt, können große Verbraucher oder Prosumer Flexibilität anbieten, indem sie ihre Produktionsprozesse steigern oder ihre Eigenerzeugung drosseln.

Plattform Nodes für ganz Europa

Schon 2016 testete der Stromversorger Agder Energi in Norwegen im Rahmen eines Projekts ein marktplatzbasiertes Flexibilitätssystem: So konnte in der Kleinstadt Engene durch den Einsatz marktbasierter Flexibilität die Investition in einen neuen Transformator in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro vorerst vermieden werden. Infolge des erfolgreichen Piloten gründete Agder Energi gemeinsam mit der Strombörse Nord Pool im Jahr 2018 das Unternehmen Nodes AS. Das Ziel war es, die Flexibilitätsplattform auszubauen und in ganz Europa als effizientes Werkzeug für Engpassmanagement einzusetzen. „Flexibilitätsmanagement ist nicht neu“, kommentiert Enno Böttcher, Geschäftsführer von Nodes. „Dass dies aber über immer professionellere, marktbasierte Plattformen geschieht und mehr Player und Technologien einbezogen werden, sehr wohl.“

Die Plattform vermarktet lokale Flexibilität und fungiert dabei als Schnittstelle zwischen allen Akteuren – auf der einen Seite Nachfragern von Flexibilität wie Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern sowie Bilanzkreisverantwortlichen und auf der anderen Seite Anbietern von Flexibilität wie Anlagenbetreibern, Prosumern, Microgrids und Aggregatoren. Der zentrale Nodes-Marktplatz macht vorhandene Flexibilität sichtbar und sorgt für eine effiziente Preisbildung. Es wird dabei sichergestellt, dass die Flexibilität für denjenigen Zweck genutzt wird, für den sie den höchsten Wert hat. Darüber hinaus steht Nodes für Transparenz, sicheren Intraday-Handel und risikolose Abwicklung.

Flexibilitätsprojekt mit dem Chemiepark Schwarzheide

Wie gut das funktioniert, bewies sich im März 2019 im BASF Chemiepark Schwarzheide. Der Projektstandort bot herausfordernde und gleichermaßen ideale Bedingungen für den Piloten: Im Netzgebiet der Mitnetz Strom im Süden Brandenburgs liegt der Anteil regenerativer Erzeugung bereits bei über 200 Prozent vom Letztverbraucherabsatz – somit muss viel Strom in das Übertragungsnetz eingespeist und abtransportiert werden.

Der BASF Chemiestandort Schwarzheide wiederum hat besondere Anforderungen an die Güte der industriellen Energieversorgung. So haben zum Beispiel Spannungsschwankungen und andere Störungen im öffentlichen Netz erhebliche Auswirkungen auf die sensiblen Prozesssteuerungen und Sicherheitsschaltungen. Zudem benötigt Chemie viel Energie – und deren Erzeugung basiert derzeit zumeist auf fossilen Brennstoffen. Um den CO2-Ausstoß perspektivisch zu senken, möchte BASF fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetzen.

„Unser ehrgeiziges Ziel war es, am praktischen Beispiel unseres Chemiestandortes zu zeigen, dass eine regionale Nutzung der vor Ort erzeugten erneuerbaren Energie entsprechend dem Grundsatz ‚Nutzen statt Abregeln‘ volkswirtschaftlich vorteilhaft ist und damit Kosten im Netzbetrieb und Netzausbau minimiert werden können“, erläutert Dr. Peter Otto, Leiter Standortentwicklung des BASF Werks Schwarzheide. Darüber hinaus wollten die Projektbeteiligten rund um Nodes, BASF, Mitnetz und Entelios aufzeigen, dass Windstrom in einer regionalen, industriellen Nutzung mit integrierter thermischer und chemischer Sektorenkopplung volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist.

Live-Beweis: Der Markplatz funktioniert

Der Chemiestandort benötigt neben Elektrizität vor allem Wärme und Dampf, die über ein GuD-Kraftwerk produziert werden. Der Standort liegt an der gleichen Mitnetz-Hochspannungsleitung wie mehrere nahegelegene Wind- und Photovoltaikparks. Im Projekt zeigte sich, dass der Nodes-Marktplatz funktioniert: Für die 110-kV-Leitung ‚Lauta-Schwarzheide‘ wurde in einer konkreten Situation im März 2019 ein Engpass prognostiziert. Gleichzeitig wurde die bei BASF vorhandene Flexibilität vom Flexibilitätsvermarkter Entelios auf dem Marktplatz angeboten. Mitnetz erwarb sie und Entelios sendete die entsprechende Schaltanfrage an den Chemiestandort. „Das BASF Werk Schwarzheide erhöhte seinen Netto-Strombezug aus dem Netz, sodass der Windpark nicht abgeregelt werden musste“, erläutert Böttcher. „Die Kosten hierfür waren geringer als die sonst erforderliche Entschädigungszahlung – die Flexibilität wurde über unsere Plattform für 20 Euro pro Megawattstunde gehandelt.“

Das gesamte Potenzial an Kostenersparnis bezifferten die Projektpartner für einen beispielhaften Tag mit einem 16 Stunden andauerndem Engpass und einer durch BASF verfügbaren Flexibilität von 10 MW auf etwa 40.000 Euro. Dass sich durch die zusätzliche Nutzung erneuerbarer Energien auch die CO2-Bilanz verbessert, ist ein bedeutsamer positiver Nebeneffekt: „Berechnungen zeigen, dass bei der betrachteten Engpasssituation ein CO2-Vermeidungspotential von 240 Tonnen bestand“, so Böttcher stolz.

Die Zukunft für lokale Flexibilitätsmärkte

Damit das marktbasierte Flexibilitätsmanagement seine volle Wirkung erzielen kann, ist ein regulatorisches Bekenntnis zu lokalen Flexibilitätsmärkten nötig. Faire Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Netzentgelt-, Steuer- und Abgabenstruktur müssen gewährleisten, dass jede system- oder netzdienliche Flexibilität gleich – oder gar nicht – belastet wird. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Anreizregulierung. „Aus Sicht der Projektpartner sollten Netzbetreiber effiziente Anreize erhalten, um die günstigste Option für Engpassmanagement in der ‚gelben Ampelphase‘ auszuwählen. Dazu gehört für uns natürlich die Nutzung marktbasierter Flexibilität“, fordert Böttcher. Direkte Eingriffe des Netzbetreibers, wie das Engpassmanagement in seiner heutigen Form, könnten dann auf die operative „rote Ampelphase“ beschränkt werden.

Bildergalerie

  • Nutzen statt Abregeln: Am BASF Chemiepark Schwarzheide wird das Engpassmanagement getestet. So nutzte man kürzlich eine „Überproduktion“ an Windstrom für die eigenen Herstellungsprozesse. Kostenpunkt: 20 Euro pro MWh.

    Nutzen statt Abregeln: Am BASF Chemiepark Schwarzheide wird das Engpassmanagement getestet. So nutzte man kürzlich eine „Überproduktion“ an Windstrom für die eigenen Herstellungsprozesse. Kostenpunkt: 20 Euro pro MWh.

    Bild: BASF Schwarzheide

  • Enno Böttcher, Geschäftsführer von Nodes, fordert zur Nutzung marktbasierter Flexibilität auf: „Damit können direkte Eingriffe des Netzbetreibers, wie das Engpassmanagement in seiner heutigen Form, auf die operative rote Ampelphase beschränkt werden.“

    Enno Böttcher, Geschäftsführer von Nodes, fordert zur Nutzung marktbasierter Flexibilität auf: „Damit können direkte Eingriffe des Netzbetreibers, wie das Engpassmanagement in seiner heutigen Form, auf die operative rote Ampelphase beschränkt werden.“

    Bild: Nicki Twang

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