Smart Traffic & Mobility Elektrisch mobil in Europa

Marktplatz für Elektromobilität: Der B2B-Marktplatz für Geschäftstransaktionen verbindet Ladedienstanbieter, Ladestationsbetreiber, Energieversorger und Anbieter von Zusatzdiensten.

11.09.2013

Europaweit gibt es eine Vielzahl von Pilotprojekten zur Elektromobilität, die jeweils ihre eigenen Applikationen und Schnittstellen entwickeln. Eine übergeordnete Interoperabilität ist damit aber nicht gegeben. Für den europäischen Massenmarkt muss daher ein durchgängiges System geschaffen werden, das Fahrern von Elektroautos überall Zugang zu Ladesystemen gibt.

Es existieren heute schon viele Normen für die Elektromobilität. Doch in manchen Bereichen wie zum Beispiel beim Stecker überlappen sie sich und in anderen fehlen noch Normen wie etwa bei IKT-Lösungen und Schnittstellen. Dazu entstehen in den vielen Demoregionen und -projekten voneinander unabhängige Systemlösungen. Der Bedarf nach Integration zum Nutzen des Fahrers von Elektrofahrzeugen ist erkannt und wird in teilweise regionalen, nationalen und länderübergreifenden Forschungsprojekten erforscht wie bei MobiE, European Clearinghouse und Crome. Darüber hinaus befinden sich auch erste kommerzielle Angebote in der Entstehungsphase, die eine übergreifende Integration anbieten wie zum Beispiel Gireve und Hubject (siehe Seite 116). Erst mit einem wirklich europaweit interoperablen System für Elektromobilität können Fahrzeuge auch flächendeckend genutzt und damit verkauft werden. Lokale oder regionale Partner müssen dann die Nutzung der Infrastruktur nicht mehr aufeinander abstimmen. Ein solches System bietet der im EU-Förderprojekt Green eMotion entwickelte Marktplatz für Elektromobilität.

Green eMotion

Die Europäische Kommission hat im März 2011 ein auf vier Jahre angelegtes europaweites Projekt zur Vorbereitung des Massenmarktes für Elektromobilität in Europa gestartet - Green eMotion ([2], [5]). Der Fokus liegt dabei in der Definition und Demonstration eines interoperablen und damit verbraucherfreundlichen Elektromobilitätssystems. Dabei wird auf den bereits vorhandenen Installationen und dem daraus gewonnenen Wissen aufgesetzt. Im Projekt werden die Rahmenbedingungen für Elektromobilität definiert und analysiert, welche Komponenten oder Umsetzungen heute noch fehlen. Diese werden dann beispielhaft in den zehn über Europa verteilten Demoregionen implementiert. Zu den 43Partnern der Initiative zählen Industrie- und Automobilunternehmen, Stromversorger, Stadtverwaltungen, Universitäten sowie Prüf- und Forschungseinrichtungen.

Marktplatz für Elektromobilitätsdienste

Eines der Ziele von Green eMotion ist, ein IKT-Systemkonzept für einen europäischen Marktplatz für Elektromobilitätsdienste einschließlich der benötigten Schnittstellen zu erstellen und dessen Funktionsfähigkeit zu demonstrieren. Dazu wurden zunächst die theoretischen und begrifflichen Grundlagen definiert und anschließend Anwendungsfälle formuliert. Diese „Use-Cases“ beschreiben jeweils, was im Detail in den Anwendungen geschehen soll und dokumentieren die unterschiedlichsten Anforderungen aus allen Bereichen. Daraus wurden im weiteren Projektverlauf die Spezifikationen für die IKT-Referenzarchitektur für Elektromobilität erarbeitet. Der Business-to-Business-Marktplatz (B2B) für Geschäftstransaktionen verbindet erstmalig alle Teilnehmer rund um das Thema Elektromobilität: Fahrzeughersteller, E-Mobility-Diensteanbieter, Ladestationsbetreiber Energieversorger und Anbieter von Zusatzdiensten rund um die Elektromobilität. Der Marktplatz verbindet Unternehmen auf einer B2B-Ebene und ermöglicht angeschlossenen Unternehmen ihren Kunden, den Nutzern von Elektroautos, die auf dem Marktplatz angebotenen Leistungen oder Services anzubieten. Die Marktplatzprozesse verdeutlicht die Abbildung oben links: Die Ladestationen (Electric Vehicle Supply Equipment,EVSE) sind an das System-EVSE-Back-End des Ladeinfrastrukturbetreibers (EVSEO, Electric Vehicle Supply Equipment Operator)angeschlossen (1). Dieser bietet über das EVSE-Back-End Dienste auf dem Marktplatz an (2). Diese können von E-Mobility Service Providern (EVSP) über ihr Back-End (EVSP-Back-End) genutzt (3) und ihren Kunden zur Verfügung gestellt werden (4). Auch der umgekehrte Fall ist möglich. Zusätzlich können Dritte angebotene Dienste nutzen oder darauf aufbauend Mehrwertdienste auf dem Marktplatz anbieten (5). Zur Veranschaulichung werden im Folgenden die grundlegenden Dienste eines „Roaming-Szenarios“ erläutert wie aus dem Mobilfunk bekannt. Das Szenario deckt folgende Prozesse ab:

  • Ein Fahrer (Kunde eines EVSP) sucht eine Ladestation.

  • Der Fahrer findet eine technisch geeignete und freie Ladestation und fährt zu ihr.

  • Er identifiziert sich.

  • Der Ladevorgang startet.

  • Der Kunde beendet Ladevorgang.

  • Die Informationen über den Ladevorgang werden an den EVSP geschickt; die B2C-Abrechnung mit dem Fahrer erfolgt durch seinen EVSP.

  • Die Abrechnung erfolgt zwischen dem Marktplatz, dem EVSP und dem EVSEO.

Suche nach Ladestationen

Für die Suche nach Ladestationen ist einerseits erforderlich, dass EVSEO ihre Ladestationsdaten zur Verfügung stellen, andererseits müssen aber auch Daten zusammengeführt werden, um einem Nutzer den Zugriff auf die Daten zu vereinfachen. Auf dem Marktplatz stellt sich dies wie folgt dar (siehe Abbildung oben rechts): Ladestationsbetreiber (EVSEO) stellen Informationen über ihre Ladeinfrastruktur auf dem Marktplatz zur Verfügung (1). Ein Service Provider abonniert die Dienste der EVSEO (2). Der Service Provider bietet einen konsolidierten Service auf dem Marktplatz an (3). Ein E-Mobility Provider (EVSP) abonniert den Service (4) und ruft diesen Dienst auf, wenn sein Kunde eine Ladestation sucht (5). Der Such-Service-Provider stellt die Daten zur Verfügung (6), die zuvor von den abonnierten Diensten der EVSE-Back-Ends übertragen wurden (7).Allgemein kann die Kommunikation über den Marktplatz oder direkt erfolgen. Zudem können die Informationen ad hoc oder regelmäßig zur Verfügung gestellt werden.

Ladevorgang autorisieren und abrechnen

Zur Autorisierung seines Kunden an der Ladestation eines Ladestationsbetreibers bietet der EVSP einen Autorisierungsdienst an. Analog zum Suchdienst ist auch hier ein ergänzender Service erforderlich, um die Nutzung für die Beteiligten zu vereinfachen. In diesem Fall handelt es sich um einen Clearing Service. Dieser bündelt die Autorisierungsservices der EVSP und bietet den gebündelten Service den Ladestationsbetreibern an. Sofern der EVSEO den Service abonniert, werden Autorisierungsanfragen über den Marktplatz an den Clearing Service gesendet und bestätigt, gegebenenfalls durch eine Anfrage an den EVSP. Ähnlich erfolgt die Kommunikation des Service Detail Records (SDR) am Ende einer Transaktion. Diese Informationen dienen sowohl zur Abrechnung des EVSP mit dem Kunden als auch zur Abrechnung der Partner untereinander, wobei auch weitergehende Log- und Transaktionsdaten verwendet werden können.

Demonstration der Funktionen

Praktisch alle zehn Green-eMotion-Demoregionen in Europa werden diesen Ansatz umsetzen und ihre IT-Systeme über die definierten IT-Schnittstellen an den B2B-Marktplatz anbinden. Es werden dabei in zwei Phasen Funktionen getestet und demonstriert: Der Prototypen-Test begann im September 2012 und umfasst Funktionen zum Auffinden von Ladesäulen und die vertragliche Klärung beim Nutzen von Fremdanbietern, das sogenannte Roaming, die nun in der ersten Phase seit März 2013 den Demoregionen zur Integration bereitgestellt werden. In einer zweiten Phase kommen energiebezogene Dienste zum Optimieren der Netzauslastung mit hinzu sowie zusätzliche Mehrwertdienste für Endkunden wie Reservierung von Ladesäulen. Zudem steht der B2B-Marktplatz für weitere Dienstanbieter offen, damit innovative neue Konzepte und Dienste für Elektromobilität angeboten werden können. Der Marktplatz ist die zentrale technische Komponente, um die Vielzahl von Schnittstellen zwischen den Beteiligten zu reduzieren und über standardisierte Software-Services den Beteiligten einfachen Zugang zu allen Angeboten zu ermöglichen. Mit der Veröffentlichung der Beschreibung dieser offenen Systemarchitektur und den standardisierten Schnittstellen und Business-Objekten ist sichergestellt, dass alle Marktteilnehmer die Services nach ihren Businessmodellen entwickeln und anbieten können. So kann hier ein wettbewerbsorientiertes Gesamtsystem entstehen, das Raum für individuelle Lösungen bietet. Der Green-eMotion-Marktplatz für Elektromobilität kann auch mit weiteren Marktplätzen kommunizieren - etwa regionalen Lösungen, die schon entstanden sind. Ziel ist es, ein wirklich flächendeckendes Netz für Europas Nutzer von Elektrofahrzeugen zu schaffen.

Offene Diskussion mit ähnlichen Vorhaben

Das erzielte Ergebnis der Green-eMotion-Projektpartner basiert auf einer Analyse bestehender Ansätze, umfangreichen Untersuchungen der Anforderungen und einer detailierten Dokumentation der Ergebnisse und hat sowohl durch die erstellte Spezifikation als auch die Offenlegung der Schnittstellen eine hohe Relevanz, um der Elektromobiltät in Europa zum Durchbruch zu verhelfen. Nichtsdestotrotz handelt es sich nicht um die einzige Initiative, wenngleich es in der Größenordnung keine vergleichbaren Aktivitäten gibt. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist daher eine offene Diskussion mit ähnlichen Vorhaben zu führen. Ein Schritt in diese Richtung wird im Rahmen der Industrieinitiative „eMobility ICT Interoperability Interest Group“ (eMI3) verfolgt, an der sich immer mehr Partner aus verschiedenen Branchen beteiligen.

Weitere Informationen

[1] cars21.com: Green eMotion: towards a European marketplace for electromobility services, November 2012
[2] Volker Fricke, Detlef Schumann: Roaming für Elektroautos, Mobility2.0, Oktober 2012, S. 14, www.mobility20.net/pi/index.php?StoryID=1392&articleID=220169 (abgerufen am 7.8.2013)
[3] cars21.com: Exclusive interview with Heike Barlag from Siemens, Project Coordinator of Green eMotion, Mai 2012
[4] www.greenemotion-project.eu[5] Green eMotion: „Ab jetzt wird es mehr Mitteilungen geben“, Interview mit Dr. Heike Barlag, mobility2.0week Nr. 9-2012 S. 2, 10. Mai 2012, www.mobility20.net/pi/index.php?StoryID=1328 (abgerufen am 7.8.2013

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