Verfahrenstechnik Eiskalt reagiert

11.10.2013

Die Herstellung von Butylkautschuk verläuft schnell und gibt viel Energie ab. Daher arbeitet man bei extrem tiefen Temperaturen. Ein axialförderndes Rührwerk und Leitvorrichtungen im Reaktor erleichtern den Prozess. Für diese Komponenten ist allerdings auch bei Minusgraden eine verlässliche Rührwerksdichtung nötig.

Das Herzstück einer Polymerisationsanlage ist der Reaktor. In ihm sind üblicherweise eine Vielzahl von Rühraufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Die meisten industriell durchgeführten Reaktionen laufen in einem Temperaturbereich deutlich oberhalb der Umgebungstemperatur ab. Will man allerdings kinetisch schnelle und gleichzeitig stark exotherme Reaktionen steuern, so weicht man auf tiefe Temperaturen aus. Großtechnisch von hoher Bedeutung ist die Polymerisation synthetischer Butylkautschuke wie IIR, ein Co-Polymerisat aus Isobutylen und Isopren, das für Klebstoffe, Beschichtungs- und Dichtungsmaterialien und vor allem in der Reifenindustrie angewendet wird. Die Lösungspolymerisation in Hexan und die Fällungspolymerisation in Dichlormethan wird durch Aluminium(III)-Chlorid katalysiert. Um ein hohes Molekulargewicht zu erreichen, muss die exotherme Reaktion kontrolliert bei tiefen Temperaturen ablaufen, nämlich im Bereich von ca. -90 bis -100°C. Tieftemperatur-Reaktoren zur Polymerisation von IIR sind als Leitrohrapparate mit einem Rohrregister im Ringraum ausgeführt, wobei das Prozessmedium in den Rohren geführt wird. Der Leitrohrapparat führt die Reaktion gezielt mit definiertem Verweilzeitverhalten. Dadurch, dass die Reaktionspartner im kontinuierlichen Betrieb sofort umgesetzt werden, wird mit entsprechenden Überwachungen auch die Akkumulation nicht umgesetzter Reaktanden vermieden und damit auch die Gefahr einer durchgehenden Reaktion.

Durchgehende Reaktionen vermeiden

Die Anforderungen gehen für solche Reaktoren weit über das hinaus, was in üblichen Leitrohrapparaten, wie zum Beispiel kontinuierlichen Kristallisatoren, notwendig ist:

�?� hohe Strömungsgeschwindigkeiten in den Kühlrohren von circa 4 m/s, um Ablagerungen des ausfallenden Polymerisats zu verhindern; �?� strömungslenkende Einbauten, um die umgelenkte Strömung in den Rohren gleichmäßig zu verteilen und damit eine einheitliche und ausreichende Strömungsgeschwindigkeit in allen Rohren sicherzustellen; �?� schnelle Einmischung der Einspeiseströme, um die Qualitätsparameter des Kautschuks zu erreichen; �?� minimale Strömungsverluste, da die Verlustwärme im Tieftemperaturbereich durch ein Mehrfaches an Leistung des Kälteaggregates abgeführt werden muss; �?� sichere und totraumfreie Abdichtung der Wellendurchführung des von unten eingebauten Rührwerks.

Auch bei Reaktoren zur Herstellung von synthetischen Kautschuken lässt sich der Trend zu immer größeren Anlagen beobachten. Die Economy of Scale wird ausgenutzt, um die spezifischen Investitions- und Betriebskosten niedrig zu halten. Die Grenze von 100.000t pro Jahr und Anlagenstrang hat man auch hier überschritten. Eine Grenze der Anlagenvergrößerung kann der Wärmeübergang darstellen. Bei gleicher Raum-Zeit-Ausbeute reduziert sich in größeren Reaktoren generell das Verhältnis Kühlfläche/Volumen. Da hinsichtlich der Kühltemperatur wenig Freiheit besteht, bleibt nur die Vergrößerung der Kühlfläche durch die entsprechende Rohrlänge und -anzahl. Darauf muss man dann die Rührwerksleistung wieder anpassen, um die oben genannten Anforderungen an die Strömungsverhältnisse zu erfüllen. Das Rührwerk, das als Axialpumpe ausgeführt und auf die Geometrie von Behälter und Einbauten abgestimmt ist, trägt wesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Prozesses bei und erfordert hohe Wirkungsgrade. Gleichzeitig muss man den Apparat strömungstechnisch so ausführen, dass es nur einen geringen Druckverlust gibt. Dies gelingt, indem man die optimalen Querschnittsverhältnisse der Umlenkungen auswählt und den Behälterboden und das Leitrohr strömungskonform ausbildet. Der Wirkungsgrad wird einerseits durch die Leitvorrichtung und die Kontur des Laufrads bestimmt. Es genügt nicht, die Leitvorrichtung als einfache Stromstörer aus ebenen Blechen auszuführen. Eine Nachleitreihe, die dem Abströmwinkel des Rotorblatts angepasst ist, erreicht eine nahezu drallfreie axiale Strömung bei minimalem Druckverlust. Andererseits trägt die Blattkontur der Laufräder mit angenähertem Tragflächenprofil und einem über den Blattradius variierenden Anstellwinkel zu einer ablösefreien Umströmung und damit zum Wirkungsgrad bei.

Die Blattkontur entscheidet

Bei einfacher Blattausführung mit Fehlanströmung löst die Strömung ab. Der Verlauf der Stromlinien zeigt die verlustreiche Rückströmung (siehe Abb. oben). Farblich dargestellt ist die Axialgeschwindigkeit, wobei rote Bereiche Staupunkte und Rückströmzonen anzeigen. Diese erstrecken sich über die gesamte Saugseite des Blatts. Durch eine optimierte Formgebung des Rotors kann man Ablösezonen auf der Saugseite komplett vermeiden. Der zweite, den Wirkungsgrad mindernde Faktor ist die Leckageströmung zwischen der Blattspitze des Rotors und dem Leitrohr. Durch einen minimalen Spalt kann man diesen Effekt reduzieren und der Wirkungsgrad maximieren. Konstruktive Randbedingungen wie die Auslenkung der freifliegenden Welle und die Behältertoleranzen begrenzen die realisierbare Spaltweite. Ein Wellenführungslager ist nicht akzeptabel; es würde verkleben, wäre dann nicht mehr vollständig produktgeschmiert und würde rasch verschleißen. Die Auslenkung in der Rotorebene, also am Wellenende, nimmt näherungsweise quadratisch mit der Wellenlänge zu, weshalb sie möglichst kurz ausgeführt werden soll. Dies lässt sich nur mit einem Einbau des Rührwerks von unten sowie der Anordnung des Propellers am unteren Leitrohrende erreichen. Zur Abdichtung der von unten in den Reaktor eingeführten Welle kommen für den rauen Rührwerksbetrieb geeignete, doppeltwirkende Gleitringdichtungen mit ihren Versorgungseinheiten zum Einsatz. Dabei ist die Dichtung innerhalb des konischen Verdrängers zur Strömungsumlenkung angeordnet. Erfahrungsgemäß würden die nicht durchströmten Räume zwischen den produktseitigen Dichtringen und dem Austritt der Welle aus dem Verdränger nach und nach „zupolymerisieren“, was längerfristig Betriebsstörungen zur Folge hätte. Dies kann mit einer Spülung mit Hexan oder Dichlormethan von der Dichtung zum Prozessraum hin vermieden werden. Der Spülstrom muss aber ständig überwacht werden. Besondere Bedeutung kommt der Spaltsystemausführung beim Austritt des Spülmittels zu. Es muss einerseits verschleißfrei und damit berührungslos sein, andererseits sollen die Spalte klein gehalten werden, um mit minimalen Spülströmen auszukommen. Die Strömungsgeschwindigkeiten am Austritt sollte man so wählen, dass keine Feststoffpartikel durch Sedimentation oder Rückströmungen eindringen können. Das Betriebsverhalten der Dichtung, die über den Rührwerksflansch den tiefen Temperaturen ausgesetzt ist, muss besonders beachtet werden. Es besteht die Gefahr, dass die Sperrflüssigkeit gefriert oder zumindest so dickflüssig wird, dass sich im Dichtspalt kein hydrodynamischer Schmierfilm mehr aufbaut und die hohen Reibungskräfte Schäden verursachen. Außerdem verlieren die O-Ringe, die an verschiedenen Stellen innerhalb der Dichtung statische Dichtfunktionen übernehmen, ihre Elastizität und damit ihre Dichtwirkung. Ein zuverlässiger Betrieb ist also nur möglich, wenn die Dichtung ausreichend warm gehalten wird. Man führt das Dichtungsgehäuse daher mit einem Doppelmantel aus und schaltet der Dichtung einen Hohlflansch vor. Beide werden von einem Heizmedium durchströmt. Hier muss man sicherstellen, dass das Heizmedium, zum Beispiel Warmwasser, im Heizflansch nicht gefriert.

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