Thermodynamische Analysen Effizient und störungsfrei: 
Thermische Prozesse in Balance

TÜV SÜD

07.10.2015

Wer Produktionsanlagen umbaut oder erweitert, kann häufig die Chance nutzen, energieintensive thermische Prozesse effizienter zu gestalten. Welche Lösungen energetisch und finanziell sinnvoll sind, können thermodynamische Bilanzanalysen zeigen. Sie decken gleichzeitig Planungsfehler auf, die den störungsfreien Betrieb beeinträchtigen können.

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Wärmerückgewinnung bietet Anlagenbetreibern häufig die Möglichkeit, den Energieaufwand in der Produktion zu reduzieren. Die Abwärme geht nich mehr ungenutzt verloren, sondern wird den Herstellungsprozessen wieder zugeführt. Zugleich sinkt auch der Energiebedarf für die Rückkühlung. Im Rahmen eines geplanten Ausbaus beauftragte ein Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie die Experten von TÜV Süd damit, die bestehende Anlage und die Pläne zur Erweiterung unter energetischen Gesichtspunkten zu prüfen. Sie sollten Möglichkeiten identifizieren, wie die anfallende Abwärme wirtschaftlich für die verschiedenen Produktionsschritte nutzbar gemacht werden kann.

Konkret ging es dabei um eine Anlange zur Pulverherstellung, die durch eine zusätzliche Suspensionstrocknungsstrecke erweitert werden sollte. Damit sollten die Kapazitäten für den gesamten energieintensiven Veredelungsprozess, der mehrere Prozessschritte umfasst, ausgebaut werden, sodass rund 60 Tonnen Suspension pro Stunde mehr verarbeitet werden können. Die Suspension wird in einem ersten Schritt durch einen Eindampfer und einen Umlaufverdampfer eingedickt und in einem zweiten Schritt abgekühlt. Dadurch bilden sich Kristalle, die ausfallen. Diese werden anschließend in mehreren Stufen dekantiert und von der Lösung getrennt. Das dabei entstehende Rohprodukt wird gewaschen und in einem Fließbett bei 150 °C getrocknet. Das Endprodukt entsteht in einem Veredelungsprozess durch mehrere Mahl- und Trennschritte. Dabei wird das Produkt durch Druckluft befördert.

Hauptsätze der Thermodynamik als Werkzeug

Um die Effizienzpotenziale beim Ausbau der Anlage zu ermitteln, analysierten die Experten zunächst die Energie- und Stoffströme und damit die Bedingungen, wie sie in den verschiedenen Prozessschritten der Anlage herrschen. Diese Analyse basiert auf dem ersten und zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Mit dem ersten Hauptsatz, dem Energieerhaltungssatz, lässt sich die Anlage energetisch bilanzieren. Mit dem zweiten Hauptsatz lässt sich berechnen, wie Nutzen und Aufwand sich unter optimalen Umständen zueinander verhalten. Damit lassen sich Aussagen darüber treffen, welcher Effizienzgrad bestenfalls erreicht werden kann.

Mit diesen Daten konnten die Experten die Energiemengen bilanzieren, die in der Anlage eingesetzt und transformiert werden, von der Vorwärmung, Eindampfung mit mechanischem Brüdenverdichter in der ersten Stufe und Dampfstrahlbrüdenverdichter in der zweiten Stufe, Dampfkondensation, Kristallisation und Trocknung bis hin zur externen Kälteerzeugung samt Rückkühlung.

Es wurde die Bilanz des Dampfstrahlverdichters erstellt, indem die Dampfdruckkurve anhand der Suspensionstemperatur in den Verdampfern und der Kühlwassertemperatur im Brüdenkondensator ermittelt wurde. Über die Dampfdruckkurve ließen sich der Verdampfungs- und Kondensationsdruck, sowie die dazugehörigen Dampfenthalpien bestimmen. Die Bilanz des Dampfstrahlverdichters wurde wiederum anhand eines Vergleichswirkungsgrads bewertet. Anschließend wurden mathematische Simulationen erstellt, um verschiedene Anlagenvarianten abzubilden und unter energetischen Gesichtspunkten miteinander zu vergleichen. So konnte der Analgenbetreiber bewerten, wie sich unterschiedliche Anpassungen auf die Bilanz auswirken, etwa eine größere Heizfläche zur Übertragung der Prozesswärme. Vor- und Nachteile unterschiedlicher Anlagenkonfigurationen können auf diese Weise auch monetär beurteilt werden.

Kühlwasserbedarf tatsächlich zehn Mal höher

Bei der Bilanzierung der Anlage stellten die Experten gleichzeitig fest, dass die Pläne an mehreren Stellen fehlerhafte Berechnungen enthielten, die einen störungsfreien Betrieb der Anlage verhindert hätten. Die Fehler bezogen sich vor allem auf die Annahmen zum Prozessdampf, Abdampf und Kühlwasser. Beispielsweise sah die Planung vor, dass die Kondensation von Brüdendampf für die Wiederaufwärmung der Suspension von 16 °C auf 30 °C verwendet wird und nur die überschüssige Wärme über die Rückkühlung abgeführt wird. In den Planungsunterlagen war dafür eine Kühlwassermenge von 3,5 t/h vorgesehen. Die thermodynamische Analyse zeigte allerdings, dass diese Menge deutlich zu gering gewesen wäre. Bei einer Temperaturspreizung des Kühlwassers von 28 °C/42 °C ergab sich ein Kühlwasserbedarf von 35,8 t/h – ein Wert der um den Faktor 10 höher ist, als ursprünglich angenommen. Die benötigte Kühlwassermenge wurde also deutlich unterschätzt. In gleichem Maße gilt das für die Abwärmemenge und damit für das energetische Potenzial der Wärmerückgewinnung.

Einen weiteren Fehler enthielten die Berechnungen zum Energiebedarf der Eindampfanlage. Die Pläne sahen hierfür einen Dampfbedarf von 3,0 t/h vor. Dieser Wert enthielt jedoch den Energiebedarf zum Vorwärmen der Suspension vor dem Eintritt in die erste bzw. zweite Stufe der Eindampfanlage. Dieses Vorwärmen ist allerdings nur beim Anfahren der Anlage notwendig. Im laufenden Betrieb hat die Suspension bereits die notwendige Temperatur von 60°C für die erste Stufe und wird im Verlauf dieser Stufe auf 71°C erhitzt, was der Soll-Temperatur für die zweite Stufe entspricht. Die Energie, die nur beim Anfahren der Anlage zum Vorwärmen notwendig ist, darf daher nicht als kontinuierliche Größe in die Bilanz für den stationären Betrieb hinein gerechnet werden. Der korrigierte Dampfbedarf für den laufenden Betrieb betrug lediglich 2,1 t/h, also rund 70% des ursprünglichen Planungswertes.

Sorgfältige Planung von komplexen Systemen

Die Analyse machte im Ergebnis deutlich, dass die Anlage in der geplanten Form nicht realisiert werden kann. Betriebsstörungen wären sehr wahrscheinlich gewesen. Denn als Konsequenz aus dem unterschätzten Kühlwasserbedarf war der Kühler deutlich zu klein ausgelegt worden. Gleichzeitig waren die Planer von einem Wärme- und Dampfbedarf in der Eindampfanlage ausgegangen, der tatsächlich nicht existiert hätte. Die Folge wäre eine deutlich höhere Kühlwassertemperatur als erwartet gewesen. Das wärmere Kühlwasser hätte nicht im erforderlichen Maße zur Rückkühlung dienen können, was zu einer größeren Menge an Abdampf geführt und den Betrieb der Anlage stark beeinträchtigt hätte.

Im Zuge der Energiewende sollen auch Prozesse in der Lebensmittelindustrie umweltfreundlicher werden. Planer und Betreiber von Produktionsanlagen sollen bei der Bereitstellung von Wärme, Kälte oder Dampf Effizienzmaßnahmen realisieren und auf erneuerbare Energien zurückgreifen.

Dafür müssen sie in der Regel innovative Lösungen entwickeln, um situativ den spezifischen Gegebenheiten im Unternehmen gerecht zu werden. Dabei entstehen häufig komplexe Anlagensysteme, für die mitunter wenig Erfahrungswissen vorliegt. Das Risiko von Planungsfehlern mit gravierenden Folgen steigt deutlich an.

Vorsorge statt Schadensbegrenzung

Im Fall des Anlagenbetreibers aus der Lebensmittelindustrie haben die TÜV-Süd-Experten zeigen können, dass die Anlage nicht wie geplant betrieben werden kann. Sie entwickelten stattdessen gemeinsam mit den Energiefachleuten des Betreibers alternative Vorschläge für die Anlagenkonfiguration. Anstelle eines Konzeptes mit zwei Dampfstrahlverdichtern und einem mechanischem Verdichter erstellten sie eine Variante mit zwei mechanischen Verdichtern und einem Dampfstrahlverdichter.

So konnte verhindert werden, dass eine fehlerhafte Trocknungstrecke in Betrieb geht, die später kostenintensive Anpassungsmaßnahmen erfordert hätte. Wer Anlagenpläne und Energiebilanzen vorab von unabhängigen Experten prüfen lässt, kann somit nicht nur Effizienzpotenziale identifizieren, sondern stellt auch sicher, dass ein störungsfreier Produktionsprozess möglich ist. Das verhindert unkalkulierbare Kosten durch Produktionsausfälle oder nachträgliche Anpassungsmaßnahmen.

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  • Simulation und Berechnung der Prozesse in einer thermischen Anlage

    Simulation und Berechnung der Prozesse in einer thermischen Anlage

    Bild: Tüv Süd

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