Verfahrenstechnik „Dünger-Pastillierung wird zusätzliches Standbein“

Ulrich Nanz, Vertriebsleiter bei Sandvik: "Höherpreisige Spezialitäten rechtfertigen den Anlagenpreis."

19.08.2014

Ulrich Nanz, Direktor Marketing & Vertrieb bei Sandvik Process Systems, über ­Wachstumsschübe im Öl-und-Gas-Sektor und seine Bestrebungen, alternative ­Marktbereiche auf- und auszubauen.

Herr Nanz, das Rotoform-System gibt es seit über 30 Jahren. Hat das Produkt langsam den Zenit seines Lebenszyklus überschritten?

Ulrich Nanz:

Es ist erstaunlich, aber das Gegenteil ist der Fall. In den 30 Jahren haben wir so um die 2000 Anlagen produziert. Lange Jahre haben wir im Durchschnitt eine pro Woche ausgeliefert. In letzter Zeit sind es eher mehr. Tatsächlich würde man ja erwarten, dass in den 30 Jahren irgendwann mal jemand eine bessere Idee hat. Das war aber nicht so.

Haben Sie demnach keine Wettbewerber?

Doch, durchaus. Es gibt indirekten Wettbewerb wie die Hersteller von Fließbettanlagen oder Pastilliertellern. Und etliche direkte Nachahmer, auch in China, die entsprechende Pastilliersysteme für den Bruchteil unseres Preises anbieten. Aber die können es einfach nicht.

Warum nicht? Eigentlich tropft doch einfach eine Schmelze auf ein gekühltes Metallband, oder?

Das Entscheidende ist, zu verstehen, wie der Prozess funktioniert, dass man die Strömungsverhältnisse der jeweiligen Schmelze im Apparat kennt und weiß, welche Vertropfungsgeschwindigkeit, Auf­gabetemperatur und Kühlwassertemperatur im jeweiligen Fall ideal sind. Das ist bei der Produktvielfalt, die wir pastillieren, eine Herausforderung. Zum Beispiel gibt es Produkte, die schüsseln, die also auf dem kalten Band sozusagen erschrecken und eine Schüssel bilden. Dann besteht nahezu keine Kontaktfläche mehr und das Produkt kühlt nicht ab. Oder Produkte, die nur mit einem kleinen Feststoffkeim in der Schmelze überhaupt fest werden. In unserem Productivity Center hier in Fellbach können wir neue Produkte testen. Oft demons­trieren wir aber nur neuen Kunden, dass es bei ihrem Produkt funktioniert – bei vielen Produkten wissen wir es aus Erfahrung bereits vorher. Für etliche Branchen ist die Pastille quasi ein Standard – etwa für Schwefel in der Petrochemie oder für Harze in der Chemie. Im letzteren Fall betreiben die drei Marktführer zusammen rund 60 Anlagen von uns.

Eine Steigerung des Absatzes mit einem dreißig Jahre alten Produkt ist außergewöhnlich. Wie erklären Sie sich das?

Ein großer Teil entfällt auf Schwefelpastillierung. Da heute gefördertes Öl und Gas viel dreckiger als früher ist, also einen deutlich höheren Schwefelanteil hat, gleichzeitig die Grenzwerte aber strenger werden, besteht eine große Nachfrage nach unseren Anlagen.

Erwächst daraus nicht eine gefährliche Abhängigkeit? Schließlich sind die Öl-und-Gas-Vorkommen endlich.

Das ist der Grund für unsere Diversifizierungsbestrebungen. Der Öl-und-Gas-Sektor macht heute einen großen Teil unseres Geschäfts aus. Das zweitgrößte Segment ist das historische Geschäft: Tausende von Chemikalien, die zu pastillieren sind. Eher eine Nische besetzen wir bei Nahrungs- und Genussmitteln: Schokolade, löslicher Kaffee und Kaugummi im Wesentlichen. Der vierte, noch junge Bereich, in dem wir uns künftig deutlich verstärken wollen, sind Düngemittel und andere Mischprodukte auf Urea-Basis.

Düngemittel werden in sehr großen Mengen hergestellt. Kommt das Rotoform-Verfahren da nicht an seine Leistungsgrenze?

Bei Düngemittelanlagen für pures Urea schon. Eine moderne Harnstoff-Anlage hat eine Kapazität von 3.000 bis 4.000 Tonnen am Tag – da sähen wir schlecht aus mit Stahlbandanlagen. Wir konzen­trieren uns auf Spezialitäten: Düngemittel mit mehreren Komponenten, etwa Mischungen aus Urea und Schwefel oder Ammoniumsulfat in einer Pastille. Da sind die Leistungen weniger groß – und die höherpreisigen Spezialitäten rechtfertigen für den Kunden zusätzliche Investitionen. Reines Urea für Hautcremes oder Ad-Blue pastillieren wir auch: Gerade haben wir zwei Ad-Blue-Anlagen im Nahen Osten in Betrieb genommen. Da wir im Gegensatz zur Fließbetttechnologie ohne Formaldehyd auskommen, hat unser Verfahren hier die Nase vorn.

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