Digitalisation Digitalisierung in der Verpackungsbranche: Fluch oder Segen?

Ralf Schubert, Jahrgang 1961, studierte Informatik an der Universität Karlsruhe. Seit 1990 ist er bei Gerhard Schubert tätig, seit 2013 als geschäftsführender Gesellschafter. Gerhard Schubert entwickelt, baut und vertreibt roboterbasierte Verpackungsmaschinen für Produkte jeglicher Art und Branche.

Bild: Schubert
06.08.2020

Allen aktuellen Trends zum Trotz wünschen sich Kunden in der Verpackungsbranche von einer Maschine seit Jahrzehnten dasselbe: mehr Flexibilität, weniger Ausfälle. Denn der Konsumgüterbereich dreht sich immer schneller. Zudem verändert die Digitalisierung viele Prozesse fundamental. Können Maschinenbauer diese neue Komplexität noch bewältigen?

Ralf Schubert ist mit diesem Beitrag im P&A-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Prozessindustrie vertreten. Alle Beiträge des P&A-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.

Seit vielen Jahren sehe ich die Digitalisierung als große Gefahr und gleichzeitig als große Chance für die Maschinenbauer. Als Gefahr deshalb, weil Maschinenbauer durch Softwarefirmen in die zweite Reihe gedrängt werden und den direkten Kontakt zu ihren Kunden verlieren könnten. Als Chance, weil Maschinenbauer die digitalen Technologien nutzen können, um Mehrwerte für ihre Kunden zu schaffen.

Wie wäre es, wenn die Programmierung einer Maschine so einfach ist, dass ein Kunde sie mit seinen Mechanikern selbst durchführen kann? Oder die Inbetriebnahme der Maschinen zum großen Teil virtuell erfolgt, wie es während der Corona-Beschränkungen schon praktiziert wurde? Mit etwas Kreativität können Maschinenbauer hier neue Geschäftsmodelle erschließen.

Denn die aktuellen Herausforderungen sind enorm: Die Losgrößen werden kleiner, die Produktvielfalt nimmt zu und die Markteinführungszeiten für Konsumgüter verkürzen sich. Dadurch werden die Prozesse immer komplexer. Viele Maschinenbauer kämpfen damit, dass der Softwareanteil in den Maschinen stetig wächst und die Herstellung der Anlagen verlangsamt.

Gleichzeitig haben sie Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal für die Programmierung zu finden. Nicht zuletzt werden sich durch die Reisebeschränkungen und die gestiegenen Anforderungen jüngerer Mitarbeiter an ihre Work-Life-Balance die Zahl der Außentermine deutlich reduzieren. Die Maschinenbauindustrie ist also gefordert, neue Wege zu beschreiten.

Saturn und Titan: Software und digitaler Zwilling

Bei Schubert haben wir gute Voraussetzungen dafür. Zum einen durch unsere Roboter und modularen Baugruppen, die flexibel zur Herstellung individueller Maschinen eingesetzt werden. Zum anderen durch unsere Erfahrung in der Softwareentwicklung. Die Schubert-Maschinen werden durch unsere eigene Verpackungsmaschinensteuerung VMS gesteuert. Mit der Prozesssoftware Saturn besitzen wir außerdem ein selbst entwickeltes ERP- und MES-System für die Produktionsprozesse.

Der nächste logische Schritt ist die Entwicklung des digitalen Zwillings Titan. Angedockt wird Titan an unsere Saturn-Software. So erklärt sich auch der Name: Titan ist ein Saturnmond mit eigener Atmosphäre. Die neue Software ist ein lauffähiges 3D-Abbild der Maschine und gleichzeitig ein Entwicklungswerkzeug. Jeder Mechaniker soll damit zukünftig in der Lage sein, innerhalb von wenigen Minuten eine Maschine zu konfigurieren, zu programmieren und mit dem Originalcode der Steuerung zu simulieren.

Für die Definition der Bewegungen entwickeln wir eine Programmiersprache, die den Fluss von Produkten und Verpackungen in der Maschine definiert. Durch KI-Methoden werden die Bewegungen der Roboter automatisch erzeugt und Bildverarbeitungsaufgaben gelöst.

Einige Maschinen wurden bereits erfolgreich virtuell in Betrieb genommen. Die nächsten Schritte sind die virtuelle Steuerung in der Cloud und die Programmiersprache. Wir freuen uns sehr auf die Interpack 2023, dort werden wir Titan das erste Mal unseren Kunden vorstellen.

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