Industrielle Fernwartung „Die Zukunft wird remote sein“

HMS Industrial Networks GmbH

Thierry Bieber, Industry Segment Manager bei HMS Networks: „Eine standardisierte Fernzugriffslösung mit einer zentralen Plattform ermöglicht es Anlagenbetreibern, jederzeit den Überblick über die Fernzugriffe zu behalten.“

Bild: HMS Industrial Networks
22.07.2022

Eine effektive und nachhaltige Wartung für Maschinen ist mithilfe eines Fernzugriffs problemlos möglich. Die P&A sprach mit Thierry Bieber, Industry Segment Manager bei HMS Networks, über Fernzugriffslösungen in der Lebensmittelbranche und Standardisierung.

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Das ist der Schreckensmoment für jeden Anlagenbetreiber: Die Anlage gerät plötzlich ins Stocken und fällt im schlimmsten Fall sogar komplett aus. Wie lässt sich dies vermeiden?

Hier ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Maschinenbauer und dem Anlagenbetreiber sehr wichtig. Denn mit Hilfe des Fernzugriffs lässt sich im Problemfall der Anlagenbauer als Experte der Maschine schnell in die Fehlersuche einbeziehen, sodass das Problem innerhalb kürzester Zeit behoben werden kann. Der Produktionsausfall lässt sich in den meisten Fällen sogar proaktiv vermeiden: durch Erfassung von Produktionsdaten aus der laufenden Anlage. Mithilfe dieser Daten können Abweichungen schon erkannt werden, bevor es überhaupt zum Fehlerfall kommt.

Welche Trends beobachten Sie als Experte im Bereich Fernzugriff in der Lebensmittelbranche?

Wir haben mit unseren Produkten für den Fernzugriff in den letzten Jahrzehnten bereits einen hohen Anteil von Maschinenbauern in der Branche gewinnen können. Seit etwa zwei Jahren stellen wir nun fest, dass auch die Anwender, also produzierende Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, das Thema Fernwartung strategischer betrachten – und dies vor allem aufgrund von zwei Aspekten: Cybersecurity und einer effizienteren Zusammenarbeit mit dem Anlagenbauer, um die Anlagenverfügbarkeit zu gewährleisten.

Womit begründen sich die immer höheren Sicherheitsanforderungen in der Lebensmittelbranche in den letzten Jahren?

Das Thema Cybersecurity ist für jedes Unternehmen, egal welcher Branche angehörend, von großer Bedeutung. Generell beobachten wir hier in den letzten Jahren ein erhöhtes Interesse im produzierenden Gewerbe – allerdings bezieht sich dieses häufig noch auf die IT-Ebene und leider nicht auf die Produktion. Anders in der Lebensmittelbranche: Hier spielt das Thema Lebensmittelsicherheit schon seit Langem eine sehr große Rolle – verschiedene Kon­trollen, Stichwort Rückverfolgung, haben sich hier etabliert.

Beobachten Sie in anderen Branchen Entwicklungen, die bisher in Food & Beverage noch keine große Rolle spielen, aber Ihrer Ansicht nach in einigen Jahren schon?

Wir sehen zwei Branchen in puncto Fernzugriff als Vorreiter: Dies ist zum einen die Lebensmittelbranche, zum anderen die metallverarbeitende Industrie, speziell Automotive. Beide Industrien fokussieren eine sehr hohe Anlagenzuverlässigkeit – alles ist just in time, alles hat Einfluss auf die Lieferkette. Bei den Endanwendern der Automobilbranche spielt das Thema Fernwartung hingegen keine große Rolle, hier wird mehr auf lokale Instandhaltung gesetzt.

Ewon ist die Fernzugriffslösung von HMS. Wie hoch ist hier die Gewichtung in der Lebensmittelbranche?

Insgesamt sind etwa 400.000 Maschinen mit unserer Fernzugriffslösung ausgestattet. Die Lebensmittelbranche mit Verpackungsmaschinen und Verarbeitungsanlagen ist die größte Branche, in der wir vertreten sind – dies stellt etwa ein Viertel unseres Kundenstamms dar. Die Lebensmittelbranche zeichnet sich durch komplexe Maschinen mit einem hohen Automatisierungsgrad, die gleichzeitig sehr service-anfällig sind, aus.

Inwiefern unterscheidet sich Ewon von anderen Lösungen auf dem Markt?

Unser Fokus liegt auf Fernwartung industrieller Applikationen, hier sind wir Marktführer und können folglich auf einen hohen Erfahrungsschatz zurückgreifen. So ist unsere Ewon-Lösung bereits seit 20 Jahren im Markt vertreten. Großer Vorteil von Ewon ist die zertifizierte IT-Sicherheit sowie die einfache Installation ganz ohne Vorkenntnisse innerhalb kürzester Zeit. Auch die Kompatibilität zu Automatisierungsgeräten in der Anlage ist gegeben. Als nächsten Schritt haben wir das Predictive Maintenance als Erweiterung geplant: Mit Ewon können dann problemlos Anlagendaten gesammelt werden, um dann proaktiv Fehler zu vermeiden.

Ewon ist nach der ISO 27001 zertifiziert. Was ist das zentrale Element dieser ISO-Norm?

Die ISO 27001 ist ein Standard, der schon sehr lange etabliert ist. Die Norm definiert 114 Kontrollmaßnahmen, die wir auch alle in Ewon implementiert haben, wofür wir wiederum eine breite Akzeptanz bei unseren Kunden erhalten.

Ein Bestandteil der Ewon-Lösung ist Cosy; die neueste Gerätegeneration sind die Cosy+-Gateways. Das zentrale Merkmal ist hier der Sicherheits-Chip. Was macht diesen Chip so besonders?

Cosy+ erhöht die Sicherheitsunterstützung auf eines der höchsten Niveaus, die erreichbar sind. Dies erreichen wir mit einem dedizierten Security-Chip, der in dem Gateway integriert ist. Dieser Chip speichert die gesamten Zertifikate und macht sie nach außen unlesbar. Gleichzeitig verwaltet dieser Chip die komplette Sicherheitskette von der Hardware-Plattform in Richtung 
Firmware-Konfiguration. So wird die Authentizität der einzelnen Komponenten und der Verbindung zur Talk2M gewährleistet.

Für die Sicherheit ist es wichtig, seine Geräte auf dem aktuellen Stand zu halten. Wie wird dies mit Ewon sichergestellt?

Unsere Plattform Talk2M, neben Cosy+ zweiter Bestandteil der Ewon-Lösung und zentrale Kommunikationsstelle der Anlage, verwaltet alle Geräte im Feld. Der Benutzer kann hier in den Einstellungen auswählen, ob er seine Anlage manuell oder automatisiert aktualisieren möchte.

Vor etlichen Jahren war am Markt noch eine große Skepsis bezüglich der Cloud spürbar. Hat sich dies aufgrund der Corona-Pandemie geändert?

Eine Skepsis beobachten wir in Projekten, in denen die Cloud der Datenspeicherung dient. Die Talk2M-Plattform stellt zwar eine zentrale Schnittstelle für den Fernzugriff dar, speichert aber keine Daten ab. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen steht hier im Fokus – jeder verbindet sich von extern mit dieser Cloud-Plattform, öffnet aber keine Tür in seine Firewall. Für den Fernzugriff werden gezielte Zugriffsregeln festgelegt: Wer kann was sehen, wer kann sich wo verbinden? Wir haben mit Talk2M als Firmenwartungs-Cloud-Plattform keine Schwierigkeiten bei der Validierung dieser Lösung.

Fassen wir noch einmal zusammen: Was sind diese wichtigsten Vorteile mit Ewon für den Anlagenbetreiber, aber auch für den Anlagenbauer?

Die Ewon-Lösung bietet eine hohe Konnektivität zur Anlage. So haben Anlagenbetreiber und -bauer eine gute Plattform, um auf die verschiedenen Anlagenstandorte zuzugreifen. Mit Ewon lässt sich das Thema Digitalisierung beziehungsweise Datenerfassung Schritt für Schritt umsetzen. Großer Vorteil: Ewon ist eine Plattform, die die Dienstleistungsmöglichkeit des Anlagenbauers integriert, da die verschiedenen Akteure ihre Daten untereinander teilen.

Das Handelsblatt hat 2021 einen Artikel veröffentlicht mit folgender Überschrift: „Digitalisierung in der Lebensmittelbranche - Remote als Rezept für die Zukunft". Würden Sie sagen, Remote ist in der Lebensmittelbranche komplett angekommen, wo gibt es Nachholbedarf?

Das Thema Remote ist heute schon überall angekommen, viele Unternehmen sind von den Vorteilen eines Fernzugriffs überzeugt. Nachholbedarf sehen wir bezüglich der Professionalität der Lösungen. Häufig werden diese bei kleineren und mittelständischen Unternehmen im Notfall schnell über einen PC eines Service-Techniker eingerichtet. Firmenstrategien und Standardisierung des Fernzugriffs sind heute hauptsächlich bei den größeren Playern am Markt zu sehen. Ich bin mir jedoch sicher, dass sich dies in den nächsten Jahren auch bei den KMUs ändern wird, um sich so eine solide Basis für die Digitalisierung aufzubauen.

Welche Vorgehensweise raten Sie Anlagenbetreibern, wenn es um Fernzugriff geht?

Die ersten Fragen, die sich Anlagenbetreiber stellen müssen, sind: Welche verschiedenen Remote-Konnektivitätslösungen wurden von den Anlagenbauern in der Produktion installiert? Hier sieht die Welt sehr oft sehr bunt aus: Jeder hat seine eigene Lösung – ein großer Teil der Anlagen ist sogar noch gar nicht mit Konnektivitätslösungen ausgestattet. Im Notfall wird hier, wie schon erwähnt, ein eingeschränkter Remote-Zugriff mit einem PC umgesetzt.

Die Welt des Remote ist bunt, wie Sie eben schon gesagt haben. Aber lässt sich diese Vielfalt überhaupt verhindern?

Die Welt ist bunt; die Welt muss bunt sein. Wettbewerb ist gesund. Nichtsdestotrotz muss sich ein Unternehmen, wenn es seine Anlagenkonnektivität effizient verwalten möchte, auf eine Lösung fokussieren. Eine standardisierte Fernzugriffslösung mit einer zentralen Plattform – wie bei uns Talk2M – ermöglicht es Anlagenbetreibern, jederzeit den Überblick über die Fernzugriffe zu behalten – im Hinblick auf die einzelnen VPN-Verbindungen genauso wie im Hinblick auf die jeweiligen Benutzer. Damit ist die Nutzung des Fernzugriffs jederzeit nachvollziehbar. Ein wichtiger Aspekt beim Thema Cybersecurity.

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