Prüfstand für Flüssigtriebwerke Die nächste Generation von Raketen

Die Triebwerktests fanden aus Sicherheitsgründen an entlegenen Orten wie zum Beispiel Steinbrüchen statt.

Bild: Max Gruber, TU Wien Space Team Video: TU Wien

11.07.2022

Dem TU Wien Space Team gelang ein wichtiger Erfolg: Der Triebwerkteststand „Franz“ für leistungsfähige Flüssigtriebwerke wurde in Betrieb genommen. Mit dieser Entwicklung ist man der Entwicklung von Raketen der nächsten Generationen einen deutlichen Schritt näher gekommen.

Seit Jahren gelingen dem TU Wien Space Team immer wieder spektakuläre Erfolge: Man beförderte Raketen in eine Höhe von mehreren Kilometern, man entwickelte Mini-Satelliten, die ins All transportiert wurden, immer wieder trat man auch bei internationalen Challenges gegen Teams von anderen Universitäten an. Nun glückte dem Verein, der aus Studierenden verschiedener Fachrichtungen der TU Wien besteht, der nächste Meilenstein: Man entwickelte einen Raketenprüfstand, mit dem man leistungsfähige Flüssigtriebwerke testen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die nächste Generation von Raketen, die das Team nun konstruieren möchte.

Fest oder flüssig?

Wenn ein Raketentriebwerk gezündet wird, braucht es mehr Sauerstoff als die Umgebungsluft zur Verfügung stellen kann. Man muss der Flamme also den Sauerstoff direkt zuliefern. Dafür gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten: „Bei kleinen Raketen, besonders im Hobbybereich, verwendet man normalerweise Feststoffmotoren, in denen der Oxidator mit dem Brennstoff vergossen wird“, erklärt Taras Weinl, Vizepräsident des TU Wien Space Teams. „Wenn man den Motor zündet, reagiert beides miteinander. So funktionieren auch gewöhnliche Feuerwerksraketen.“

Die meisten Trägerraketen heutzutage verwenden Flüssigtreibstoffe. Man verwendet getrennte Flüssigkeitstanks – einen für den Brennstoff, den anderen für das Oxidationsmittel. Flüssigtriebwerke geben mehr Flexibilität, ermöglichen dazu oft Schubregelung und Wiederzündbarkeit, sind dafür aber wesentlich komplexer: Man muss die Stoffe im richtigen Verhältnis zusammenfügen und die passende Mischung erzeugen, um eine kontinuierliche, effiziente Verbrennung zu ermöglichen.

Franz, die neue Testanlage

„Die NASA oder SpaceX verwenden immer Flüssigraketen. Für Studierendenteams ist das aber noch ungewöhnlich“, sagt Weinl. „Es gibt weltweit derzeit nur ganz wenige Teams, die sich an das Thema Flüssigrakete heranwagen.“ Das TU Wien Space Team beschloss bereits 2017, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Weil die Technologie deutlich komplizierter ist, muss man die Triebwerke unbedingt am Boden testen, bevor man Raketen in den Himmel schickt. Kleine Triebwerke testet das Team bereits seit einigen Jahren. Mit der neuen Triebwerktestanlage „Franz“, können nun auch Testreihen für große Triebwerke durchgeführt werden.

„Franz“ ist auf Raketentriebwerke mit einem Schub von bis zu 25 KN ausgelegt. Zum Vergleich: Ein Formel-1-Auto, das innerhalb von 2,5 s auf 100 km/h beschleunigt, hat einen Schub von etwa 8 KN. Die gesamte Testanlage wurde so konstruiert, dass sie auf einen Fahrzeuganhänger passt. Aus Sicherheitsgründen werden große Raketentriebwerke nur an entlegenen Orten getestet, wo man garantiert niemanden gefährdet – etwa in Steinbrüchen, die für den Test gesperrt werden.

Das Team ist während des Tests gut 100 m vom Teststand entfernt und steuert den Ablauf am Computer. Sauerstoff und Ethanol werden zerstäubt und gezündet. Aus der Brennkammer, die aus einer dicken Kupferschicht besteht, schießt ein weißer Feuerstrahl. Sensoren überwachen den Ablauf aller wesentlichen Prozesse und messen den erzielten Schub.

Erster Triebwerkstest

Im Juni wurde nun erstmals ein Triebwerksversuch durchgeführt, nun wurden die Daten ausgewertet. Getestet wurde ein Triebwerk mit neuartiger Injektortechnologie. „Alles hat super geklappt. Für uns ist das ein wichtiger Durchbruch. Wir haben mit unserem Teststand nun die Möglichkeit, leistungsstarke Flüssigtriebwerke zu testen und damit viel größere Raketen zu konstruieren als bisher“, sagt Weinl.

Auch wenn Österreich nicht zu den führenden Nationen der Weltraumforschung gehört – das Knowhow des TU Wien Space Teams stößt auch hier in der Industrie auf viel Interesse. „Wir arbeiten gern mit verschiedensten Firmen zusammen und freuen uns, dass vom kleinen Start-up bis zum großen Player viele an unseren Leistungen interessiert sind“, sagt Weinl.

Die Stärke des Teams liegt vor allem in seiner Vielseitigkeit: Von mechanischen Berechnungen bis zur Elektronik werden viele kleinere und größere Probleme vom Team selbst gelöst – daher sucht das Team auch immer wieder Space-begeisterte aus allen Studienrichtungen, die ihr Wissen in der Praxis umsetzen wollen, etwas komplett Neues lernen möchten oder einfach nur auf der Suche nach Herausforderungen sind.

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