Fahrräder reinigen die Luft Die Luftverschmutzung einfach wegstrampeln

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Ein Filtersystem am Lenker soll verschmutzte Luft einsaugen, reinigen und dem Fahrer als frische Brise entgegen blasen.

Bild: Studio Roosegaarde

26.05.2017

Im Kampf gegen den Smog kombiniert der niederländischer Visionär Daan Roosegaarde ein Luftfiltersystem mit einem Fahrrad – cleveres Konzept oder letztlich nur eine gut gemeinte Idee?

Kaum ein Land hat mit einer so hohen Luftverschmutzung zu kämpfen wie China. Gerade in den großen Städten ist die Smog-Belastung enorm.

Der niederländische Künstler und Erfinder Daan Roosegaarde will mit seinem „Smog Free Project“ nicht nur gegen das Problem vorgehen, sondern die Menschen dabei aktiv einbinden. Als neueste Innovation im Kampf gegen den Smog stellt der Visionär nun ein Fahrrad vor, das belastete Luft einsaugt und dem Fahrer als frische Brise wieder ins Gesicht bläst.

Reinigung der Luft dank positiver Ionisation

Das Konzept ist gerade erst im Entstehen begriffen, doch es könnte in etwa so aussehen: Das Filtersystem wird am Lenker montiert. Dort zieht es während der Fahrt die verschmutzte Luft ein und reinigt sie mit Hilfe positiver Ionisation von den Schadstoffen.

Kupferspulen laden die Feinstaubteilchen elektrisch auf, die dann von Filtern gebunden und in einem Sammelbehälter aufgefangen werden. Anschließend entlässt das System die gereinigte Luft vor dem Radfahrer, der somit keine schädlichen Partikel mehr einatmen muss.

Turm soll in Peking für frische Luft sorgen

Die Idee an sich ist nicht neu. Schon die Smog Free Tower, die Roosegaarde 2015 und 2016 in Rotterdam und Peking errichten ließ, setzen auf dieselbe Technik. Rund 30.000 Kubikmeter Stadtluft soll die rund sieben Meter hohen Konstruktionen jede Stunde von gesundheitsschädlichen Feinstaubteilchen befreien. Diese können aufgrund ihrer geringen Größe bis in die Bronchien und Lungenbläschen gelangen und dort unter anderem Entzündungen verursachen und das Krebsrisiko erhöhen.

Bei Windstille und auf offenem Feld erzielt der Turm in einem Umkreis von gut 10 Metern folgende Ergebnisse, wie Untersuchungen der Technischen Universität Eindhoven zeigen: Das Filtersystem reduziert die PM10-Partikel (maximaler Durchmesser 10 Mikrometer) in der Luft um rund 45 Prozent, die PM2.5-Partikel (maximal 2,5 Mikrometer) um circa 25 Prozent. Je nach Windstärke sollen die Werte des Turms sogar noch deutlich höher ausfallen und eine PM10-Reduktion von bis zu 70 Prozent erreichen.

Die chinesische Regierung unterstützt das ambitionierte Projekt und es sind schon weitere luftreinigende Türme in anderen Städten geplant.

Tatsächlicher Wirkungsgrad umstritten

Allerdings scheint sich die versprochene Leistung der Smog Free Towers unter realen Bedingungen nicht zu bewahrheiten. Laut chinesischen Journalisten ist der Turm in Peking längst nicht so effektiv in der Feinstaubreinigung wie ursprünglich gedacht.

Bei den PM2.5-Partikeln schafft das Filtersystem zum Beispiel lediglich eine Reduktion um etwa 19 Prozent – und das auch nur innerhalb eines Radius von fünf Metern um die Anlage. Damit betrug die Teilchenkonzentration rund um den Turm immer noch 89 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine maximale Konzentration von maximal 25 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Effekt der Smog Free Towers ist also derzeit eher symbolischer Natur. Dementsprechend benannten die Journalisten den Turm kurzerhand in den „Smog Alert Tower“ um.

Damit stellt sich eine weitere Frage: Große Luftfiltertürme sind die eine Sache. Doch was bringt es, wenn ein paar Fahrräder mit Miniatur-Filtersystemen bestückt werden? Sie können noch viel weniger gegen die immense Luftverschmutzung ausrichten, selbst wenn sie einzelne Radfahrer zumindest etwas vor den schädlichen Partikeln schützen mögen.

Bike-Sharing gegen die Luftverschmutzung

Tatsächlich hoffen Roosegaarde und seine Mitarbeiter darauf, ihr Projekt mit Hilfe moderner Trends, wie etwa das Bike-Sharing, umsetzen zu können. Denn der weltweit größte Anbieter auf diesem Gebiet ist zugleich ein chinesisches Unternehmen. Mobike mit Sitz in Peking ist in den größten Städten Chinas aktiv und hat jüngst Shanghai zur weltweit größten Bike-Sharing-Stadt gemacht.

Bereits jetzt sind mehr als eine Millionen Fahrräder alleine bei Mobike im Einsatz. Würde man sie alle mit dem Filtersystem ausstatten, wäre der Effekt nicht mehr ganz so marginal. Bedenkt man außerdem das Potential von Bike-Sharing-Angeboten – nicht nur in China, sondern auf der ganzen Welt – dann könnten viele Fahrradfahrer ein wenig dazu beitragen, die Luftverschmutzung in unseren Städten zu reduzieren. Bis diese Vision Realität wird, ist es aber noch ein sehr weiter Weg.

Fürs Erste scheint das Projekt – bei allen gut gemeinten Ambitionen – allerdings nur eines bewirken zu können: ein Bewusstsein für die Luftverschmutzung zu schaffen. Das mag nicht so beeindruckend sein wie eine Armada von Fahrrädern, die im Alleingang den Smog besiegen, aber es ist immerhin ein Anfang.

Bildergalerie

  • Der Initiator des Smog Free Project, Daan Roosegaarde, posiert vor dem erst Lufteinigungsturm in Peking.

    Der Initiator des Smog Free Project, Daan Roosegaarde, posiert vor dem erst Lufteinigungsturm in Peking.

    Bild: Studio Roosegaarde

  • Der gesammelte Feinstaub wird nicht weggeworfen, sondern zu Kuben gepresst und in Schmuckstücke verarbeitet. Das soll den Ausbau des Projekts finanzieren.

    Der gesammelte Feinstaub wird nicht weggeworfen, sondern zu Kuben gepresst und in Schmuckstücke verarbeitet. Das soll den Ausbau des Projekts finanzieren.

    Bild: Studio Roosegaarde

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