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Elektroinstallation in Wohngebäuden „Gebäudebestand nicht energiewendefähig“

Der Vorsitzende des ZVEI- Fachverbands Elektroinstallationssysteme, Daniel Hager.

Bild: Thomas Dashuber
03.02.2020

Der Elektroindustrieverband ZVEI hat in einer Studie ermittelt, dass der Gebäudebestand nicht energiewendefähig ist. Der Vorsitzende des ZVEI- Fachverbands Elektroinstallationssysteme, Daniel Hager, erläutert die konkreten Mängel und fordert einen nachhaltigen Impuls durch die Politik.

Welche Rolle spielen Gebäude heute im Rahmen der Energiewende?

Die Energiewende ist eine Gebäudewende. Green Buildings sind allemal machbar. Die energieeffizienten Technologien sind vorhanden. Wärmepumpen beispielsweise, die mit Solarenergie betrieben werden, bieten die Chance auf CO2-Neutralität. Wenn die Politik es mit dem Klimaschutz ernst meint, wird das Green Building wirtschaftlich und damit skalierbar. Denn das energieautarkere Haus kann mit entsprechenden intelligenten Anreizen aus den CO2-Einnahmen des Zertifikatehandels wirtschaftlich werden. Damit wird es möglich, Gebäude, die einen Großteil ihrer Energie selbst erzeugen, im Gebäude speichern und entweder selbst verbrauchen oder je nach Netzzustand ins Netz einspeisen, massentauglich zu machen. Das Energiemanagement des Gebäudes übernimmt in solchen Hybridsystemen die Koordination von Batterie- und Warmwasserspeicher mit der Wärmepumpe, der Solaranlage bis hin zur Ladesäule im Gebäude. Weiterhin kann dieses Energiemanagement Preissignale des Energieversorgers aufnehmen und im Sinne des Kunden planen und handeln. Durch eine Verbindung mit dem Smart Grid können diese Systeme auch einen Beitrag zur Netzsicherheit leisten.

Was war der Hintergrund für die Beauftragung der aktuellen Studie?

Das Elektrohandwerk, unsere Kunden, kennen den Zustand der Elektroanlagen im Gebäudebestand sehr gut. Ihre Beschreibungen waren alarmierend und das hat den Verband – auch angesichts der Bedeutung von Gebäuden hinsichtlich der politischen Ziele – bewogen, diesen Bereich wissenschaftlich untersuchen zu lassen.

Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Erkenntnisse?

In Deutschland sind Millionen Bestandsgebäude elektrotechnisch überaltert, da ihre Installationen nicht für die heutigen, alltäglichen Anforderungen konzipiert wurden. An Anwendungen wie Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpe, BHKW oder Elektromobilität – wichtige Bausteine der Energiewende – ist hier gar nicht zu denken. Somit ist die Mehrzahl der Wohngebäude heute nicht energiewendefähig. Und – schlimmer noch – bei Überlastung der Elektroinstallation ist im Extremfall die Sicherheit der Hausbewohner nicht mehr gewährleistet.

Was sind die drängendsten Schwachstellen in Gebäuden, die die Studienautoren ermittelt haben?

Es mangelt an Stromkreisen, so dass der Elektroherd mit reduzierter Leistung läuft oder bei gleichzeitigem Betrieb mehrerer Küchengeräte die Sicherung auslöst. Die elektrische Sicherheit der Elektroinstallation in Gebäuden sinkt, insbesondere dann, wenn Nutzungsänderungen, wie die Integration von Batterie- und Warmwasserspeicher, PV-Anlagen oder Ladesäulen für das Elektroauto diese Entwicklung sogar beschleunigen. Auch die Anzahl der Steckdosen ist nicht für die Vielzahl von Geräten beziehungsweise Ladegeräten ausgelegt, die heute in einem Haushalt üblich sind. Nutzer werden so zum exzessiven Gebrauch von Mehrfachsteckdosen gezwungen.

Wie unterscheidet sich hier die Situation bei Zweck- und Wohngebäuden?

Grundlegend, weil die Überprüfung der Elektroanlagen durch die Berufsgenossenschaft alle vier Jahre gefordert werden. Somit erhalten die Betreiber von Zweckgebäuden regelmäßig einen Zustandsbericht. Darüber hinaus ist ein Zweckgebäude ein Produktionsfaktor und natürlich abschreibungswürdig, weswegen sich die Elektroanalgen rein strukturell in einem anderen Zustand befinden als in einem Wohngebäude.

Sie empfehlen eine gesetzliche Verankerung einer anlassbezogenen Überprüfung der Elektroinstallation in den Gebäuden. Wie sollte dies konkret ausgestaltet werden, was sollte dort erfolgen und in welchem Turnus sollte dies passieren?

Geeignete Anlässe für die Überprüfung elektrotechnischer Anlagen sind beispielweise die Investitionen in neue Anlagen wie Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpe, Blockheizkraftwerk oder Ladepunkte. Zudem eignen sich Eigentümerwechsel oder größere Renovierungen eines Gebäudes als Überprüfungsanlässe. Es sollte geprüft werden, ob die Elektroinstallation den aktuellen und geplanten Anforderungen der Gebäudebesitzer sicher und effizient erfüllen kann. Gleichzeitig wären Empfehlungen durch den prüfenden Fachbetrieb sinnvoll, was im Rahmen einer größeren Renovierung zusätzlich erneuert werden kann, um die Installation zukunftsfähig zu gestalten. Denn im Sinne des Verbraucher- und Investitionsschutz ist das sinnvoll. Der freiwillige E-Check des ZVEH sollte bei solchen Anlässen verpflichtend sein.

Welche Optionen sehen Sie, um die Situation zu verbessern? Welche Forderungen haben Sie diesbezüglich an die Politik?

Ein erster, wichtiger Schritt, wäre die gesetzliche Verankerung der anlassbezogenen Überprüfung. Wenn wir Energie- und Verkehrswende wollen, dann müssen wir die Infrastruktur ertüchtigen – und das darf nicht an der Hauswand enden. Wir fordern für den Ausbau der notwendigen privaten Ladeinfrastruktur im Neubausektor einen verpflichtenden Einbau eines Leerrohres im Fundament, um das Nachrüsten einer Ladesäule nicht an den Nachrüstkosten scheitern zu lassen. Dies kostet nach Berechnungen von ZVEI und ZVEH wenige hundert Euro. Die Nachrüstkosten ohne vorbreitende Maßnahmen sind um den Faktor zehn höher. Hinzu die Kosten für die Ladesäule an sich. Dieses Beispiel zeigt, wie verhältnismäßig einfache Maßnahmen dazu beitragen können, Hemmnisse abzubauen. Uns geht es hier um die Zukunftsfähigkeit eines Neubaus und der ist nur über die richtige Planung zu erreichen.

Was fordern Sie für den Gebäudebestand?

Hier kommen wir nur über Anreize weiter. Klimaschutz muss Spaß machen und sollte nicht über Verbote gestaltet werden. Wenn der CO2-Zertifikatehandel richtig aufgesetzt ist, sollten die Einnahmen konsequent in Anreize und Förderung von CO2-Minderungstechnologien fließen. Nur so werden diese Technologien tauglich für den breiten Markt und können dann die gewünschte Wirkung erzielen. Desweiteren sind die Rahmenbedingungen für das Energie- und Lademanagement zwischen Netz und Gebäude im Energiewirtschaftsrecht zu schaffen. Die Gebäudetechnologien sind soweit. Wir können über Energiemanagement im Gebäude netzdienlich Energie laden oder auch einspeisen. Solange aber kein Preisimpuls, also keine flexiblen Tarife, angeboten werden, solange bleibt das Smart Grid ein Zukunftsbild. Wir setzen uns daher dafür ein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Energieversorgung anzupassen.

Inwieweit ist der Politik die Situation bewusst?

Unsere Anliegen finden mittlerweile Gehör: Die Politik hat verstanden, dass Elektroanlagen das vergessene System der Energie- und Mobilitätswende sind. Jetzt, wo Elektroautos immer stärker nachgefragt werden und Käufer Ladepunkte suchen, wird der Engpass und der schlechte Zustand immer deutlicher. Deshalb bin ich optimistisch, dass die Politik hier handeln wird – schlicht, weil sie auch handeln muss.

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