Smarte Sensoren Intelligenz dezentral verteilt

Bild: iStock, imaginima
07.05.2018

Im Feld platzierte Sensoren liefen nur Daten, die andernorts verarbeitet werden? Diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen heißt es in Zukunft: Der Sensor denkt mit. Ein Schritt in Richtung selbststeuernde Anlagen.

Ob flexible und kontinuierliche Prozesse, Predictive Maintenance oder die Optimierung von Anlagen auf Basis von Simulationen – moderne Anforderungen sind ohne Echtzeitmessung und unmittelbare Reaktion kaum zu bewältigen. Zentralisierte Datenverarbeitungssysteme sind dafür zu langsam. Die Lösung: Der Sensor wird smart. Statt der hierarchischen Steuerung aus einem zentralen „Anlagengehirn“ wird die Intelligenz dezentralisiert. Das gilt nicht nur für die Prozessindustrie: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger vom Februar 2017 wächst das Absatzvolumen smarter Sensoren über alle Branchen jährlich um rund 17 Prozent.

Die Prozessindustrie hat daran ihren Anteil. Neue Algorithmen und vor allem die enorm gestiegenen Rechnerkapazitäten erlauben es, viel mehr Daten viel schneller zu verarbeiten, als dies in der Vergangenheit möglich war. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Flexibilität der teilweise hochkomplexen Prozesse.

Mit der Datenflut richtig umgehen

Dabei nützt eine Vielzahl an Messdaten allein wenig: Die Datenflut muss gleichzeitig ausgewertet und die Ergebnisse in den Prozess zurückgespeist werden. Im Dechema-Papier „Smarte Sensoren für die Biotechnologie“ von 2017 sind die wichtigsten Anforderungen an die neue Generation der Sensoren beschrieben; die Analyse lässt sich zum großen Teil auf die Prozessindustrie allgemein übertragen.

Sogenannte Smart Sensors sind in der Lage, nicht nur zu messen, sondern auch Aufgaben der komplexen Signalverarbeitung zu übernehmen und zusätzliche Informationen über sich und die Prozessumgebung bereitzustellen. Denn Sensoren, die zur Selbstdiagnose, Selbstidentifikation und zur Meldung des eigenen Status fähig sind, können auch ihre Messwerte eigenständig validieren und dies dem Steuerungssystem melden. Dadurch reduziert sich der routinemäßige Prüfaufwand im Labor. Überprüfungen finden nur noch im Bedarfsfall statt.

Die Ausführung von dezentralen Logikfunktionen („wenn – dann“) kann bis dahin gehen, dass vollständige Ablauffunktionen dezentral abgearbeitet werden und nur das Ergebnis an die zentrale Steuerung gemeldet wird. Das erhöht die Prozesssicherheit und reduziert das
Datenvolumen, das übertragen werden muss.

Die Intelligenz des einzelnen Sensors kann aber nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn die verschiedenen smarten Komponenten miteinander vernetzt werden. Alle Komponenten im System (Sensoren, Aktoren, Steuerungen) sollen im Verbund bidirektional miteinander kommunizieren, ohne Umweg über die zentrale Steuerung. Da die Anzahl der Systemkomponenten häufig sehr hoch und eine physische Verkabelung entsprechend schwierig ist, werden zunehmend kabellose Lösungen (Wireless Sensing) gewählt – das spart Kosten. Allerdings ist der breite Einsatz drahtloser Sensoren nur dann realistisch, wenn sie auf Batterien verzichten und sich autark versorgen können – entweder durch Energieübertragung oder durch Energie-Harvesting aus der Umgebung.

Multisensorsystem liegt voll im Trend

Speziell im Bereich der Biotechnologie werden zunehmend faseroptische und spektroskopische Messmethoden eingesetzt, die über multivariate Datenanalysen eine Vielzahl an Prozessinformationen liefern. Da es jedoch nicht möglich ist, die zunehmende Menge an Informationen qualifiziert zu übertragen und zu verarbeiten, wird ein Teil der Datenvorverarbeitung zukünftig in den Sensor verlagert. Gerade bio- sowie lebensmitteltechnologische Prozesse lassen sich kaum anhand einzelner Messgrößen bewerten und steuern. Um viele Parameter gleichzeitig und vom gleichen Ort zu erhalten, geht der Trend hin zu Multisensorsystemen.

Der Mehrwert dieser Systeme liegt in interpretierbaren Informationen, die durch eine wissensbasierte Signalverarbeitung zugänglich werden. Wird das Prozesswissen zusammengefasst und mit einer intelligenten Prozessüberwachung kombiniert, ist der Schritt zur ganzheitlichen Prozesskontrolle vollzogen: Die Definition und Beschreibung von Prozesskorridoren durch Selektion und Bewertung von Prozessprofilen, Kennlinien und Parametern führt zu Status- und Zustandsmeldungen wie „in control“ oder „out of control“. Damit lassen sich auch Aussagen zur Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Anlagen ableiten und entsprechende Optimierungspotenziale ermitteln. Noch allerdings ist die Vision von der quasi selbststeuernden Anlage Zukunftsmusik, denn häufig fehlen die Schnittstellen für eine durchgängige Integration über alle Hierarchieebenen und Komponenten unterschiedlicher Hersteller. Auch die Datensicherheit, insbesondere bei der drahtlosen Übertragung, muss gewährleistet sein.

Das ist der Weg zum 
schlauen Sensor

Und wie lässt sich der Sensor der Zukunft technisch umsetzen? Der Branchenverband AMA hat im November 2017 eine Studie „Sensor Technologien 2022“ herausgegeben. „Die Studie zeigt an einigen Beispielen, wie sich völlig neue Anforderungen und Einsatzgebiete für Sensoren ergeben“, erläutert Roland Werthschützky von der TU Darmstadt, Co-Autor und Herausgeber der Studie. „Allerdings ist dazu oft eine komplexe Kombination von innovativen Sensoren, Steuerung, Miniaturisierung der Komponenten und Integration nötig.“

Wie der aktuelle Stand ist, lässt sich auf der Achema erkunden: Ob in der Ausstellung, im Kongress oder im Praxisforum „Sensor-based production control“: Entwickler, Anbieter und Anwender finden hier Ideen und Kooperationspartner auf dem Weg zum schlauen Sensor. Das Papier „Smarte Sensoren für die Biotechnologie“ ist online verfügbar.

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