Interview mit Channel-Marketing-Experte Philipp von der Brüggen „Der Verkaufsprozess ist nicht nur digitaler geworden, in Teilen hat er sich diametral umgekehrt.“

Philipp von der Brüggen, Geschäftsführer von Leadtributor

Bild: Leadtributor
15.01.2019

Das Ziel des Münchner Unternehmens Leadtributor ist es, komplexe Vertriebsstrukturen transparenter zu gestalten und dem Leadmanagement zu neuer Schlagkraft zu verhelfen. Im Gespräch mit Industr.com verrät Geschäftsführer Philipp von der Brüggen mehr über die hochkonfigurierbare Webplattform und wie diese einen Überblick über die Prozesse garantiert.

publish-industry: Was verstehen Sie unter einem 360-Grad-Blick auf den Kunden, beziehungsweise ihn während der gesamten Customer Journey im Blick zu behalten?

von der Brüggen: Die Kaufprozesse haben sich bei vielen Produkten radikal geändert. Mittlerweile kündigt sich, gerade bei erklärungsbedürftigen oder sogenannten High-Involvement-Produkten, der Kauf bereits über das Internet an. Ein Beispiel hierfür ist, darüber das Wunschauto zu recherchieren und konfigurieren. Die meisten Menschen machen dies mittlerweile auf der Hersteller-Webseite. Erst sehr viel später im Kaufprozess gehen sie dann ins Autohaus. Den ersten Touchpoint zum Kunden bildet immer öfter der Hersteller und nicht wie früher der Händler. Eigentlich logisch, denn die Nachfrage im Internet organisiert der Hersteller und selten der Händler. Wir haben heute die technische Möglichkeit, die ganze Reise des potenziellen Kunden vom ersten Touchpoint bis hin zum Abschluss digital zu erfassen, zu überwachen und eben auch zu beeinflussen. Schon heute kann man den 360-Grad-Blick auf den Kunden realisieren und nutzen. Viel zu selten wird das jedoch getan! Allein auf der Kundenreise von der Webseite zu einer Probefahrt gibt es so viele unüberwachte Medienbrüche, dass diese häufig eher frustrierend als motivierend ist. Leads werden oft mittels intelligenter Werkzeuge und Prozesse generiert, in den Vertriebskanälen verlieren Unternehmen aber nahezu immer den Überblick. Nicht selten haben die Hersteller keine Ahnung was mit Ihren weitergegebenen Interessenten passiert ist. Kundenpflege, Cross- oder Upselling – Fehlanzeige! Der Rundumblick lebt von perfekten Datenkreisläufen, wie es sie in kaum einem Unternehmen gibt.

publish-industry: Wie hilft der Leadtributor bei der Bearbeitung von Leads?

von der Brüggen: Aus unserer Sicht sind über 90 Prozent der Customer Journey weder digitalisiert noch überwacht. Auf diese konzentrieren wir uns. Nehmen wir unser Beispiel von eben. Der Interessent wird an einen Vertriebspartner weitergeleitet, meist per E-Mail oder Telefon. Eine Überwachung, Analyse oder Auswertung der Anfragen beim Händler findet nicht statt. Selbst wenn die Kontaktaufnahme durch den Händler oder Außendienst tatsächlich stattgefunden hat, kann selten überprüft werden, was dabei herausgekommen ist. Der Leadtributor stellt sicher, dass Interessenten zeitnah betreut und angerufen werden. Gewährleisten können wir das, indem sichergestellt wird, dass alle Informationen zwischen Händler und Hersteller fließen, so dass jeder weiß, wer, was, wann, wo macht und mit welchem Erfolg. Dass eine Kundenanfrage nicht oder zu spät bearbeitet wird, ist in unserem System nicht möglich. Ermöglicht wird das durch Eskalationsmechanismen, Schwellenwertüberwachung und Push/Pull-Reporting.

publish-industry: Der Leadtributor dient als Lead-Management-System für den Vertrieb diverser Branchen. Wie wird diese Vielseitigkeit möglich? Schließlich sind ja alle Branchen und deren Anforderungen an das System unterschiedlich.

von der Brüggen: Jedes Unternehmen glaubt völlig anders zu funktionieren als alle anderen. Tatsächlich mag das stellenweise so sein. Im Zusammenspiel mit Vertriebspartnern, Handelsvertretern, Installateuren oder dem Außendienst sind sich diese jedoch ähnlicher als vermutet. Es gibt bestimmte Ausprägungen, die branchenspezifisch sind, diese können wir aber leicht abbilden. Bei rund 90 Prozent unserer Kunden können Basisprozesse angewandt werden, die wir dann individuell an ihre Bedürfnisse anpassen. Der Kunde kann alle Prozesse aber auch selbst verändern, ohne programmieren zu müssen. Mit den meisten unserer Kunden bilden wir in einem Zeitraum von drei bis vier Wochen, einen vollständigen Bearbeitungs-Kreislauf für ihre Vertriebsorganisation.

publish-industry: Welche Vorkehrungen müssen Unternehmen treffen, bevor sie ihren Vertrieb aktuell digitalisieren?

von der Brüggen: Sie müssen Daten sammeln, auswerten und interpretieren können. Viele Unternehmen beschäftigen sich damit Leadgenerierungsphilosophien, wie Content- oder Inbound-Marketing, einzuführen. Das ist jedoch ohne Technologien wie Marketing-Automation schwierig, umständlich und komplex. Die meisten Unternehmen fangen dabei am falschen Ende an. Sie investieren erst in die Leadgenerierung, um dann festzustellen, dass alle Prozesse dahinter löchrig und ineffizient sind. Ich halte wenig davon, viel Zeit und Geld in Marketing-Automation- und ein CRM-System zu investieren, wenn nicht zuvor wichtige Vertriebsprozesse im Unternehmen auf Effizienz getrimmt werden. Eine gute Lösung ist, den Prozess rückwärts vom Kunden ins Unternehmen nachzuvollziehen. Es macht keinen Sinn viel Geld in die Generierung von Interessenten zu stecken, wenn diese Interessenten nicht, kaum nachvollziehbar oder schlecht bearbeitet werden. Unternehmen sollten also viel öfter bei sich selbst einkaufen. Denn umso komplexer die Vertriebsstruktur, desto frustrierender ist oft der Kaufprozess. Hierbei ist es egal ob wir vom B2B- oder B2C-Bereich sprechen.

publish-industry: Würden Sie sagen, dass die Digitalisierung des Vertriebs für den Erfolg eines Unternehmens mittlerweile unabdingbar ist?

von der Brüggen: Ja. Die Digitalisierung ist ein zentraler Punkt. Gerade der Kaufprozess hat sich nicht nur digitalisiert, sondern sogar in Teilen umgekehrt. Wenn Menschen heute vorhaben, eine Investition zu tätigen, besuchen sie nicht erst den Händler, sondern recherchieren im Internet. Der Hersteller ist längst zwischen Kunde und Händler geraten. Da war er früher nicht. Vor zehn Jahren war er außen vor, da der Kunde in der Regel direkt zum Vertriebspartner ging. Heute steht er in der Mitte, zwischen seinem Kunden und Vertriebspartner. Dazu gekommen ist es, weil Kunden die vielfältigen digitalen Angebote nutzen um sich zu informieren, etwas zu konfigurieren oder kalkulieren. Aber auch, weil Sie über Online-Werbung, SEA oder SEO auf die Herstellerseiten gelockt werden. Dafür haben die meisten Händler aber weder Budget noch Know-how. In der Regel gehen Interessenten erst dann aktiv auf Händler zu, wenn sie die Kaufentscheidung schon fast getroffen haben. Somit landet alles, was früher beim Vertriebspartner gelandet ist, heute zuerst beim Hersteller. Dieser muss nun entscheiden, wie er einen effizienten Kreislauf mit den Vertriebspartnern gestaltet.

publish-industry: Wie sieht Ihrer Meinung nach das ideale digitale Vertriebsmodell aus?

von der Brüggen: Der Optimalfall ist das in einem 360-Grad-Modell, in dem alle Informationen über den potenziellen Kunden gesammelt werden, etwa wie und wo er sich informiert oder was er auf Social Media liked. Diese Informationen laufen in ein sogenanntes Scoring und Rating. Damit findet man heraus, ob der Kunde reif für die vertriebliche Betreuung ist. Ist das der Fall, wird ein Alarm ausgelöst, der den Lead an unser System übergibt. Wir sorgen dann dafür, dass er sofort bearbeitet wird und Prozesse angestoßen werden. Ist der Interessent Kunde geworden, starten Cross- und Upselling-Prozesse. Entscheidet er sich für einen Wettbewerber, werden Rückgewinnungsaktivitäten gestartet. Das Wichtigste ist jedoch, Kreisläufe zu schaffen, die niemals unterbrochen werden.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr von der Brüggen.

Leadtributor ist Partner des INDUSTRY.forward Summits 2019.

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