Modulare Automation „Der OEM hat den Nutzen klar erkannt“

Dr. Eckhard Roos, Leiter Process Automation Management, Festo AG: „Der Bau von Modulen in größeren Stückzahl sollte sich für den Endanwender in geringeren Investitionskosten widerspiegeln.“

Bild: Rüdiger J. Vogel
02.05.2016

Dr. Eckhard Roos von Festo über modulare Anlagen für die Wasseraufbereitung, den Teufel im Detail der Absperrarmatur zwischen zwei Modulen und – Prolist als bedenkenswertes Beispiel.

Herr Dr. Roos, bei Ihrem Konzept zur modularen Automation legen Sie den Fokus auf die Wasseraufbereitung. Kann man Ihren Ansatz auch für andere Anwendungen nutzen?

Dr. Eckhard Roos:

Ja, er lässt sich übertragen. Festo arbeitet ja im Arbeitskreis von Namur und ZVEI mit. Gemeinsam haben wir die möglichen Konzepte für die Umsetzung modularer Automation skizziert. Die Anforderungen kamen ursprünglich aus der Feinchemie und der Biopharma-Industrie. Doch modularer Anlagenbau ist nicht nur für diese Segmente relevant, sondern auch für Food und eben Wasser/Abwasser. Im letztgenannten Segment sind wir konkret mit OEMs in der Diskussion und entwickeln bereits Automatisierungskonzepte für modulare Anlagen.

Wird das auch Thema auf der IFAT werden?

Natürlich. Wobei ich fairerweise sagen muss, dass die Thematik im Wasser/Abwasserbereich nicht ganz so komplex ist wie bei Biopharmaanlagen oder Anlagen der Feinchemie. Bei Wasseranlagen ist nur eine begrenzte Anzahl verschiedener Modularten zu kombinieren. Die Vielfalt möglicher Modularten zum Beispiel der Feinchemie wird hier in keinem Fall erreicht werden.

Sind modulare Wasseraufbereitungsanlagen nur für kleine Volumina sinnvoll?

Das Konzept, das wir zusammen mit einem verfahrenstechnischen Anlagenbauer entwickelt haben, ist für die industrielle Wasser- und Abwasseraufbereitung gedacht. Daher zielt es auf kleine Volumina ab, die mit einer begrenzten Anzahl von Modulen aufbereitet werden können.

Die aktuellen Leitsysteme sind nicht auf die Bedürfnisse von modularen Anlagen zugeschnitten. Wie funktioniert das mit CPX als Automatisierungsplattform? Kann man völlig auf ein Leitsystem verzichten?

Mit unserer CPX-Plattform kann man auf einer Backplane Steuerung, Remote-IOs und auch die Ventilinseln platzieren und damit natürlich auch die zugehörigen Funktionen realisieren. Zudem stellt die Plattform sämtliche Diagnosen zur Verfügung, auch die Diagnose-Signale aus dem Feld.

Sind dafür die heute üblichen Leitsysteme noch die Richtigen?

Sie werden sich sicherlich ändern. Die Intelligenz wird dezentraler werden. In modularen Anlagen werden Steuerungen, Remote-IOs und die zugehörigen SW-Anteile dem jeweiligen verfahrenstechnischen Abschnitt direkt zuordenbar sein.

Die Standardisierungsbestrebungen von ZVEI und Namur bauen auf die Verwendung von MTPs (Module Type Packages) zur modularen Automation. Kommt die Automatisierungsplattform CPX ohne MTPs aus?

Wir prüfen derzeit hausintern, wie wir das konkret umsetzen können. Das ist aber nicht die einzige offene Frage. Eine Frage, die alle betrifft, ist: Wie bringen wir die Konzepte der modularen Anlagen in die Realität? Wenn etwa ein Produktstrom vom Kessel eines Moduls in den Kessel des nächsten Moduls geleitet wird: Haben wir dann in jedem Modul eine eigene Absperrarmatur? Das würde bedeuten, dass die beiden Module völlig autark voneinander wären. Es würde sie aber auch teurer machen. Oder verwenden wir nur ein Ventil – mit dem Ergebnis, dass wir modulübergreifende Kommunikation sicherstellen müssen. Da steckt der Teufel im Detail; das muss geklärt werden.

Was präferieren Sie?

Wir glauben, dass zukünftig Module völlig eigenständig sein werden, das heißt, auch eine eigene Steuerung beinhalten. Eine Anbindung über Remote-I/O ohne dezentrale Steuer- und Regelungsfunktionen macht keinen Sinn. So wird auch die dargestellte Wasseraufbereitung umgesetzt werden. Dies bedeutet für das genannte Beispiel: zwei Absperrarmaturen.

Die Standardisierung wird ja gefordert, damit ein Anlagenbauer Module verschiedener Hersteller problemlos miteinander kombinieren kann. Wie funktioniert das mit CPX?

Das Konzept sieht vor, dass die Modullieferanten frei sind in der Wahl der Automatisierungsplattform. MTP ist eine Variante, die wir prüfen. In dem Projekt, das wir derzeit in der Wasseraufbereitung realisieren, automatisiert der Anlagenbauer aber tatsächlich sämtliche Module mit CPX.

In vielen Prozessen gibt es neben der Wasseraufbereitung viele weitere zu automatisierende Herstellschritte. In der Getränkeindustrie etwa die Abfüllung, ein diskreter Fertigungsschritt. Greift der Ansatz auch da?

Aus meiner Sicht muss er das. In der diskreten Fertigung hat sich die Modulbauweise sogar bereits früher durchgesetzt als in Anlagen der Prozessindustrie. Die Betriebsdauer der Anlagen in der Fertigungsindustrie ist aber auch meist deutlich kürzer, Migrationskonzepte und Support über 20 Jahre spielen dort keine Rolle. Daher begannen Systeminte­gratoren früher damit, Pakete von verschiedenen Zulieferern zu integrieren. Durch die Standardisierung der modularen Automation wird aber auch dies noch einfacher werden.

Die Vorteile für den Endanwender sind offensichtlich. Erkennen auch die OEMs den Nutzen für sich?

Der OEM, mit dem wir zusammenarbeiten, hat den Nutzen klar erkannt. Um einfacher Kapazitätserweiterungen durchführen zu können, ging er auf die Modulbauweise über. Die Integration fällt ihm besonders leicht, da er alles aus einer Hand erhält. Bei vielen Modulbauern werden wir aber noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Diese Maschinenbauunternehmen haben oftmals die Elektrotechnik und Automatisierung in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt. Und jetzt kommen wir mit einem Thema, das noch deutlich komplexer ist als die Standardautomatisierungstechnik.

Die Standardisierung der modularen Automation wird wohl in absehbarer Zeit Realität. Wie schnell rechnen Sie damit, dass sie sich am Markt durchsetzt?

Ich bin mal gespannt, wie dies im Markt fliegen wird. Manchmal habe ich die Befürchtung, dass wir hier etwas Ähnliches erleben könnten wie bei Prolist. Betreiber engagieren sich, erstellen das Lastenheft und fordern Konzepte ein. Und machen wir uns nichts vor: Wir reden über einen hohen Automatisierungsgrad, der Anlagenteile miteinander kombinierbar macht. Auf der anderen Seite sehen wir, dass im Markt Technologien wie der Feldbus oder auch das Hart-Protokoll wenig eingesetzt werden. Warum werden bestehende Diagnosemöglichkeiten zu selten genutzt?

Tipp: Auf www.festo.com/modular erleben Sie, wie sich modulare Automation von ihren Anfängen 2016 entwickeln wird: ein zwar fiktiver aber durchaus realistischer Blick auf zehn Jahre Entwicklung der modularen Produktion bis 2026.

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