Interview mit Thierry Bieber, HMS „Datenaustausch mit der IT-Welt wird unvermeidbar“

HMS Industrial Networks GmbH

Thierry Bieber ist Industrie-Manager Industrial Automation bei HMS. Im Interview spricht er über die Vorzüge von Fernzugriffen und warum der Cloud die Zukunft gehört.

Bild: HMS
11.09.2019

Für Industrie 4.0 braucht es vernetzte Maschinen. Doch wenn es darum geht, Maschinendaten in die Cloud zu übertragen, werden Unternehmen nervös. Thierry Bieber, Industrie Manager Industrial Automation bei HMS, erläutert im Interview, wie eine sichere und kostengünstige Datenübertragung möglich ist.

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Dieses Interview ist Teil der Titelreportage der P&A Quarterly 3.2019 . Lesen Sie hier die zugehörige Titelstory.

Die Wertschöpfung von Maschinen und Anlagen zu erhöhen, ist das große Ziel hinter Industrie 4.0. Wie kann HMS hier unterstützen?

HMS ist Spezialist für die industrielle Kommunikation und OT Connectivity. Das ist zugleich der erste Ansatzpunkt unserer Lösungen: Wir bieten zahlreiche Möglichkeiten an, auf die Daten einer Produktionsanlage zuzugreifen und diese auszulesen. Zum einen stellen wir die entsprechende Hardware, wie Router und Gateways, bereit. Zum anderen bieten wir zahlreiche Möglichkeiten an, die Daten zu sammeln und an weitere Cloud-Plattformen weiterzuleiten. Unser Ziel ist es, dem Maschinen- oder Anlagenbauer eine offene Plattform zur Verfügung zu stellen, die er in seine eigene Lösung implementieren kann.

Was meinen Sie damit?

Letztlich hat jeder Kunde andere Anforderungen. Manche setzen zum Beispiel auf SAP, während andere Anwendungen nutzen, die in der Azure-Cloud laufen. Wir sehen uns daher vor allem als Datenverteiler. Wir möchten den Zugriff auf die Daten einer Anlage sicherstellen, damit diese anschließend der vom Kunden präferierten Applikation zur Verfügung stehen.

Ganz konkret helfen Sie bei der Realisierung von Fernzugriffs- und Fernwartungslösungen. Wie stark wird das heute schon genutzt?

Diese Möglichkeiten werden immer häufiger wahrgenommen. Ich würde sogar sagen, dass fast jeder Maschinenhersteller schon einmal einen Fernzugriff in seinen Produkten eingerichtet hat. Doch das geschieht im Moment noch sehr sporadisch und meist nur auf Kundenwunsch. Ein Teil der Hersteller bietet den Fernzugriff auf ihre Maschinen zwar als Option an, doch gibt es bislang noch kaum standardisierte Lösungen. Hier wollen wir mit unserem Angebot ansetzen.

Für wen lohnt sich das überhaupt?

Der Wandel hin zu Dienstleistungsangeboten wie der Fernwartung hilft zunächst den Maschinen- und Gerätebauern, die ihre Support-Teams damit nicht mehr zwingend um die Welt schicken müssen. Darüber hinaus können sie ihren Kunden dank des Fernzugriffs eine schnellere Reaktion bei Ausfällen und damit eine erhöhte Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen gewährleisten. Das bringt messbare Kostenvorteile für beide Seiten. Allerdings ist es für die Hersteller oft schwierig, die Endkunden mit ins Boot zu holen.

Unternehmen scheuen den vermeintlich großen Kosten- und Zeitaufwand. Welche Herangehensweise empfehlen Sie Ihren Kunden?

Das sind tatsächlich die ersten Themen, die unsere Kunden beschäftigen. IIoT-Projekte sind komplex und fordern unterschiedliche Kompetenzen – von der Anbindung in der Maschine bis zur Aufbereitung der Daten in der IT-Welt. Wir empfehlen unseren Kunden daher, eine ehrgeizige und vorausschauende Industrie-4.0-Vision zu definieren. Die Umsetzung sollte dann aber in einzelnen Schritten erfolgen, sodass sich schnell die ersten Erfolge einstellen können. Dadurch lassen sich wichtige, erste Erfahrungen sammeln, mit deren Hilfe man Mitarbeiter und Kunden mitnehmen kann.

Die Prozessindustrie ist bei diesen Themen noch recht zögerlich. Wie nehmen Sie das wahr?

Tatsächlich sehen wir bei der Vernetzung und der Akzeptanz von Cloud-Lösungen Unterschiede in den einzelnen Branchen. Im Bereich des Food Processing zum Beispiel werden schon seit einigen Jahren Ethernet-Kommunikationstechnologien eingesetzt und entsprechende Feldgeräte in die Produktionsanlagen integriert. HMS hat in diesem Bereich schon mehrere Applikationen wie Back-, Tiefkühl- oder Gefrieranlagen mit einem Fernzugriff ausgerüstet.

Und wie sieht es im Bereich Chemie, Öl und Gas aus?

Das sind Industrien, die sehr häufig noch mit analogen Signalen arbeiten und in denen digitale Kommunikationsprotokolle weitaus seltener eingesetzt werden als etwa in der diskreten Fertigung. Aufgrund der zum Teil erheblichen Risiken und Konsequenzen von Ausfällen gibt es dort auch andere Anforderungen an die Security. Organisationen wie die Namur mit ihrer NOA-Initiative arbeiten aber bereits an der Ausformulierung sicherer Kommunikationslösungen.

Das Thema Sicherheit ist ebenfalls ein häufiger Einwand gegen die Vernetzung von Maschinen. Wie entkräften Sie solche Bedenken?

Security hat höchste Priorität bei der Entwicklung unserer Produkte und unserer Cloud-Plattformen. Wir setzen dabei auf den Defense in Depth Approach, der die Sicherheit der einzelnen Kommunikationsebenen sicherstellt. Unsere Entwicklungsprozesse sind nach ISO 27001 zertifiziert, und wir unterziehen die Talk2M-Plattform sowie den HMS Hub regelmäßigen Hackingtests durch externe Unternehmen, die uns hier auditieren. Wenn Sicherheitslücken erkannt werden, kommunizieren wir diese offen und transparent mit unseren Kunden. Um die Akzeptanz gerade in den IT-Abteilungen weiter zu erhöhen, stellen wir unseren Kunden außerdem Guidelines zur IT-Security beim Einsatz unserer Produkte zur Verfügung sowie Dokumentationen, die die Sicherheit unserer Produkte aufschlüsseln.

Wie gewährleisten Sie die sichere Datenübertragung in die Cloud?

Auf der Hardwareseite setzen wir ganz klar auf verschlüsselte und authentifizierte VPN-Verbindungen, die von der Maschine und dem Benutzer mit dem Cloud-Portal aufgebaut werden. Daneben haben wir erweiterte Funktionalitäten integriert, wie zum Beispiel die Zwei-Faktor-Authentifizierung und skalierbare Firewallregeln, die sehr fein eingestellt werden müssen und so die Sicherheit der Verbindung nochmals erhöhen.

Eine Ihrer Plattformen nennt sich Talk2M. Worum handelt es sich hierbei?

Talk2M ist eine industrielle Fernwartungsplattform in der Cloud, die den sicheren Verbindungsaufbau zwischen Maschinen und Benutzern über VPN ermöglicht – mittels HMS-Routern. Talk2M lässt sich schnell und einfach von den Kunden konfigurieren, wobei HMS die Verwaltung dieser offenen Plattform übernimmt und per SLA deren Leistung und Verfügbarkeit garantiert. Die dort ankommenden Daten lassen sich dann an andere Software-Applikationen weiterreichen. Talk2M ist damit vor allem ein Tunnel, der Maschinendaten über unser DataMailbox-Verfahren IoT-Plattformen zur Verfügung stellt. Zum Beispiel unterstützen wir Cumulocity, Mindsphere, Azure und Thingworx.

Was kostet denn die Nutzung?

Talk2M ist in der Standardvariante kostenlos und deckt bereits einen großen Teil der Anforderungen bei der Geräteverwaltung ab. Talk2M Pro beinhaltet hingegen mehr parallele Zugriffe, eine feinere Kontrolle und die projekt- sowie rollenbasierte Verwaltung der Zugriffsrechte. Hierfür ist dann eine Jahresgebühr fällig; eine Abrechnung nach Datenmenge gibt es nicht.

Daneben gibt es auch noch den HMS Hub. Wie unterscheidet sich dieser von Talk2M?

Der HMS Hub setzt auf unserem sicheren und effizienten Kolibri-Protokoll auf. Damit geben wir unseren Kunden die Möglichkeit, ihre eigenen Geräte und Applikationen mit der Plattform zu verbinden. Dadurch lassen sich kundenindividuelle Anforderungen umsetzen. Beide Plattformen sind sich sehr ähnlich und fungieren im Grunde als Datentunnel, die auf die Verknüpfung mit weiteren Tools beziehungsweise Softwareapplikationen abzielen.

Sie setzen damit stark auf Cloud-Lösungen. Kommt man daran in Zukunft nicht mehr vorbei?

Ich würde das im Grunde genau so sagen. Man wird auch in Zukunft immer weiter versuchen, Kosten zu optimieren und die Qualität und Flexibilität der Produktion zu steigern. Damit das gelingt, muss sich aber die Zusammenarbeit zwischen Maschinenbauer und Anlagenbetreiber verstärken, um weitere Verbesserungen und neue Funktionalitäten zu ermöglichen. Hierfür wird der Datenaustausch mit der IT-Welt in meinen Augen unvermeidbar werden und Cloud-Plattformen wie die unseren können einen echten Wettbewerbsvorteil für diese Unternehmen darstellen. Wir sind daher der Meinung, dass man diesen Prozess schon jetzt Schritt für Schritt einleiten sollte.

Wird HMS damit in Zukunft vor allem zum Lösungsanbieter?

HMS versteht sich als Technologiepartner für seine Kunden. Dazu gehört einerseits ein breites Produktspektrum. Andererseits ist uns wichtig, dass sich unsere Kunden auf ihre Kernkompetenzen verlassen und von unserer langjährigen Erfahrung im Bereich der industriellen Kommunikation profitieren können. Insbesondere IoT-Projekte sind komplex und erfordern fundierte Unterstützung und Beratung. Es ist auch ein wichtiger Bestandteil unseres Verkaufsprozesses, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen. Für die kundenspezifische Integration der Lösungen, besonders bei der Software, haben wir deshalb unser HMS-Solutions-Partnerprogramm. In diesem Rahmen arbeiten wir mit unterschiedlichen Softwareanbietern und Beratern zusammen, die den nächsten Schritt der Implementierung beziehungsweise die Customization der Lösung übernehmen. So werden komplette IoT-Projekte möglich.

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