Interview: Von Daten zu intelligenten Systemen Data Science als Schlüssel für erfolgreiche KI

Kai-Uwe Sattler, Professor für Datenbanken und Informationssysteme an der Technischen Universität Ilmenau und Mitglied der Plattform Lernende Systeme

Bild: Michael Reichel
12.11.2020

Warum es bei der Entwicklung von KI-Systemen auf die „richtigen“ Daten ankommt, was Data Engineering bedeutet und welche Kompetenzen Data Science-Fachleute benötigen, erläutert Kai-Uwe Sattler, Professor für Datenbanken und Informationssysteme an der TU Ilmenau.

Medizinische Assistenzsysteme oder Software-Lösungen zur vorausschauenden Wartung von Industrieanlagen versprechen großen Nutzen. Sie basieren auf Daten, die mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) ausgewertet werden. Voraussetzung ist ein umfassendes Datenmanagement.

Große Mengen an Daten plus intelligente Algorithmen ergeben nutzbringende KI-Anwendungen. Was ist falsch an dieser Rechnung?

Große Datenmengen allein genügen leider nicht. Zwar werden gerade für das Lernen mit tiefen Netzen große Trainingsdaten benötigt, aber dies erhöht natürlich auch den Aufwand der Datenerfassung, -vorbereitung und des Trainings. Daher kommt es darauf an, die "richtigen" Daten als Trainingsdaten zur Verfügung zu haben.

So sollten die Trainingsdaten, beispielsweise für die Bilderkennung, natürlich die zu identifizierenden Objekte enthalten. Aber eben auch Negativbeispiele in allen möglichen beziehungsweise auftretenden Variationen. Hierbei sind Bias (Voreingenommenheit) und Diskriminierung schon bei der Datenauswahl zu vermeiden.

In der Literatur ist eine ganze Reihe von Beispielen für Bias und Diskriminierung beschrieben, die zeigen, welche Auswirkungen dies haben kann.

Wie werden aus Daten brauchbare Daten? Worauf kommt es beim Data Engineering an?

Zunächst müssen überhaupt geeignete Daten erfasst werden, die das zu bearbeitende Problem repräsentieren. So sollten für eine Anwendung im Bereich Predictive Maintenance eben auch Fehlerzustände, und nicht nur normale Betriebsdaten erfasst werden. Sind Daten erfasst, müssen sie aufbereitet werden.

Dies umfasst die Bereinigung wie das Erkennen und Entfernen fehlerhafter Werte, die Verknüpfung mit anderen Daten und gegebenenfalls die Annotation der Daten. Sowohl die Daten als auch die Erfassungs- und Verarbeitungsprozesse sollten dokumentiert und durch Metadaten beschrieben werden, um eine Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Der Aufwand dieser Vorbereitung kann in KI-Projekten bis zu 80 Prozent des Gesamtaufwands betragen.

Data Engineering stellt die Methoden und Infrastrukturen für diese Prozesse zur Verfügung und umfasst Datenmanagement, Datenintegration und Datenaufbereitung – beispielsweise durch Datenbanksysteme, Big Data-Systeme oder Data Cleaning-Werkzeuge.

Welche Fähigkeiten benötigen Entwicklerinnen und Entwickler, um vertrauenswürdige KI-Anwendungen zu schaffen?

Neben Methodenkenntnissen aus dem Bereich des maschinellen Lernens beziehungsweise der Künstlichen Intelligenz sind dies insbesondere Kenntnisse zur Datenmodellierung, -transformation und -integration, aber auch Kenntnisse der Statistik, um Eigenschaften der Daten und die Qualität der Ergebnisse bewerten zu können.

Ferner sind Kenntnisse aus den Bereichen Ethik und Recht hilfreich, um verantwortungsvoll mit den Daten umgehen zu können. Und natürlich ist auch umfassendes Anwendungswissen unabdingbar. Dies zeigt schon, dass es sich nicht mehr allein um klassische Softwareentwicklung handelt.

Vielmehr sind dies Anforderungen, die einen interdisziplinären Zugang erfordern: Anwendungsexpertinnen und -experten benötigen zunehmend sogenannte Data Literacy-Expertise und Data Science-Fachleute müssen auch die Anwendungsdomänen verstehen. Hier wird sich sicher ein großer Bedarf an Weiterbildungsangeboten entwickeln.

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