SIL-zertifizierte Magnetventile Sichere und verfügbare Anlagen

3/2-Wege Ex i-Kolbensitzventil mit TÜV-Zertifikat gemäss IEC 61508

Bild: Festo
14.09.2016

Unscheinbare Komponenten wie Magnetventile haben einen großen Einfluss auf die Sicherheit und Verfügbarkeit von Prozessanlagen. Hier gilt es, die richtige Wahl der Ventil-Technik zu treffen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Chemieanlage ein Störfall eintritt, hängt wesentlich von der Zuverlässigkeit einzelner Prozesse ab, zum Beispiel von der Verfügbarkeit von Kühlwasser, elektrischer Energie, Notstopp-Einrichtungen, Entspannungseinrichtungen, Pumpen, Rührwerken und Prozessventilen. Die Zuverlässigkeit der einzelnen Prozesse hängt wiederum von der Zuverlässigkeit einzelner Anlagenkomponenten ab. Entsprechend wichtig wird die Sicherung von Prozessanlagen in der Chemie und Petrochemie mittels Einrichtungen der elektrischen Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (EMSR). Damit können gefährliche Anlagenzustände wie Überdruck vermieden werden, aber auch Trends erkannt und frühzeitig Maßnahmen teils automatisch eingeleitet werden.

Die Globalisierung auch in der Chemieindustrie, zwingt die Unternehmen, immer mehr aus den Anlagen herauszuholen. Vor allem, um den Preisverfall am Markt zu kompensieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Da moderne Anlagen verfahrenstechnisch oft weitgehend optimiert sind, kann das nur mit einer zuverlässig funktionierenden und hochproduktiven Anlage ohne Ausfallzeiten erreicht werden. Das bedeutet weniger Revisionszyklen und Revsionszeiten sowie vermiedene Ausfallzeiten durch Reparaturen außerhalb geplanter Revisionen oder Stillstandszeiten. Eine Möglichkeit das sicher zu stellen bietet der Einsatz von EMSR-Komponenten wie Magnetventile, die nach IEC 61508 zertifiziert sind.

Zuverlässige versus redundante Komponenten

Aber auch bei zertifizierten Magnetventilen gibt es große Unterschiede. Ersichtlich sind sie anhand der Performance und Sicherheitskennzahlen. Speziell für Sicherheitseinrichtungen mit niedriger Anforderungsrate (Low-Demand-Mode) gibt es für Magnetventile viele Lösungen. In der Regel weisen sie entweder eine beschränkte Lebensdauer auf und haben Vorgaben bezüglich Stillstandzeit oder bezüglich der Anzahl der Schaltungen, die jährlich durchgeführt werden müssen, um die sicherheitstechnischen Kennzahlen erfüllen zu können. Sind sie nach der Schieberventiltechnik aufgebaut, sind normalerweise mehrere dynamische Dichtungen verbaut, die ein sicheres Schalten negativ beeinflussen oder sogar verhindern können. Sitzt dabei der Schieber fest, spricht der Fachmann von einem Stick-Slip-Effekt.

Für ein sicheres Schalten müssen Magnetventile daher in gewissen Zeitabständen überprüft werden. Sollen die Prüfintervalle größer werden, ist es notwendig, zuverlässigere Ventile einzusetzen. Womit letztendlich auch hohe Beträge eingespart werden können. Erdölraffinerien sind es zum Beispiel schon lange gewohnt, ihre Anlagen nur alle fünf Jahre abzustellen. In Raffinerien wurde die hohe Zuverlässigkeit vor allem durch die „zwei-von-drei-Philosophie“ erreicht und durch redundante Anlagen und Geräte unterstützt. Dieser aufwendige Weg rechnet sich aufgrund der hohen Kapazitäten dieser Anlagen. Für Chemieanlagen gilt dies nicht immer. Deshalb wird heute versucht, mittels zertifizierter, hochzuverlässiger Geräte wie Elektromotoren, Transmitter, Steuerungen, Magnetventilen oder sogar Prozessventilen dieselbe Zuverlässigkeit zu erreichen wie mit redundanten Komponenten.

Ventile in Kolbensitztechnik

EMSR-Sicherheitseinrichtungen schalten Dosier-, Entlüftungs-, Dampfventile und so weiter in störungssichere (Fail-Safe-) Positionen. Damit müssen zum Beispiel die zugehörigen Magnetventile, die zur Ansteuerung der Antriebe dienen, die gleiche SIL-Klassifizierung aufweisen wie die gesamte Sicherheitsschleife (Safety Loop) in einkanaliger Architektur. Das Magnetventil in einer solchen Schleife befindet sich normalerweise zwischen Stellungsregler und Antrieb und hat die Funktion, im Notfall den Antrieb schnell zu entlüften und das Prozessventil entsprechend schnell zu schließen. Für den Experten ist ein solches Magnetventil eine Anwendung im sogenannten Low-Demand-Mode.

In der Regel ist ein Magnetventil für mehrere Millionen Schaltungen ausgelegt. Daher stellt die Low-Demand-Mode-Anwendung eine besondere Herausforderung an Design und verwendete Materialien. Zum einen steht die Magnetspule immer unter Spannung – theoretisch über Jahre oder vielleicht sogar Jahrzehnte. Zum anderen hat das Magnetventil bei der Anwendung in einem Low-Demand-Mode eine lange Stillstandszeit. Im Notfall muss man es aber trotzdem sicher ausschalten können.

SIL-zertifizierte Magnetventile

Die Kriterien und Anforderungen aus der Prozessindustrie erfüllen Magnetventile in Kolbensitztechnik ohne dynamische Dichtungen mittels einer Membrane. Da dynamische Dichtelemente vermieden werden, entstehen beim Schaltvorgang keine Reibungskräfte und somit auch kein Stick-Slip-Effekt, der sich negativ auf das Schaltverhalten auswirken kann. Die Technik bietet weitere Vorteile: Magnetventile dieser Bauart können mit einer kleinen Magnetspulenleistung betrieben werden und trotzdem eine gute pneumatische Durchflussleistung haben.

Dieser Zusammenhang wirkt sich positiv auf die Schließzeit der Sicherheitsarmatur in Sicherheitsstellung aus. Sitzventile besitzen gegenüber Schieberventilen keine Atmungsbohrungen, was besonders bei Freiluftmontagen wichtig ist. Denn jede Öffnung, die nicht geschützt werden kann, birgt die potenzielle Gefahr, dass feuchte Umgebungsluft oder sogar Regenwasser in das Innere des Magnetventils oder im schlechtesten Fall sogar bis in die Federräume des pneumatischen Antriebes vordringen kann.

Vorgesteuerte Magnetventile in Sitzventiltechnik mit TÜV-Gutachten gemäß IEC 61508 sind auf dem Markt bis einschließlich SIL 4 erhältlich. Diese Ventile garantieren gemäß der SIL-Klassifizierung eine Ausfallwahrscheinlichkeitsrate von 1 x 10-4 bis 1 x 10-5. Mit anderen Worten, bei 10.000 Schaltungen kann es bei fachgerechtem Einsatz zu maximal einer Fehlschaltung führen. SIL-zertifizierte Magnetventile sind etwa seit dem Jahr 2002 in Anlagen in Betrieb. Die anfänglich über Labor-Tests erreichten Sicherheitswerte haben aus dieser Zeit stammende und seither im Einsatz stehende Magnetventile bestätigt. Was bedeutet, dass es mittlerweile SIL-zertifizierte Magnetventile gibt, die im Zertifikat ohne zeitliche Begrenzung auskommen.

Im Labor durchgeführte Nachprüfungen solcher Magnetventile zeigten, dass Magnetventile in Sitzventiltechnik nach über zwölf Jahren und im Vergleich zu neuen Ventilen nahezu unverändert kurze Schaltzeiten aufweisen. Auch ist die Dichtheit nach außen wie über den Dichtsitz voll gewährleistet.

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