Optoelektronik, Displays & HMI Das große Flimmern

Bild: Shaun Lowe Photographic
23.01.2014

Bis dato haben Displays nur die Aufgabe, Inhalte anzuzeigen. In Zukunft sollen sie das auf jedem Gerät, in jeder Form und unter jeglichen Bedingungen tun – egal, ob das Gerät gebogen, flexibel, groß oder klein ist. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, entwickeln Unternehmen anpassungsfähigere Displays für eine flimmernde Zukunft.

New York gehört zu den Tourismus-Magneten schlechthin in den USA. Allein 2013 besuchten 54 Millionen Menschen den Big Apple, um im Central Park zu spazieren, die beeindruckende Aussicht vom Empire State Building zu genießen und am Ground Zero den Bau des neuen World-Trade-Center-Komplexes zu sehen. Dort, wo sich Broadway und Seventh Avenue kreuzen, liegt ein weiteres Muss für jeden New-York-Besucher: Der Times Square, dessen Highlight die gigantischen Bildschirme und Laufschriften sind und ein Paradebeispiel für die imposante Entwicklung von Bildschirmen.

Schenkt man den aktuellen Entwicklungen Glauben, werden Displays künftig noch vielseitiger. Treibende Kraft hinter diesem Trend sind die stetig steigenden Anforderungen, weil Displays künftig überall angebracht werden sollen, unabhängig von der Art und der Größe des Gegenstandes. Dünn, leicht, kratzfest, vollfarbig und am besten biegsam sollen sie sein. Schon bald könne man sie sogar aufrollen und falten. Ansprüche wie diese beflügeln die Entwicklungsgeschwindigkeit und den Einfallsreichtum, die beispielsweise das Willow Glass hervorbringen.

Völlig von der Rolle

Dieses Glas ist nicht nur leicht und kratzfest, sondern auch so dünn wie ein Blatt Papier. Das entspricht einer Dicke von etwa 100 Mikrometern. Es sei sogar so biegsam, dass es sich um Gegenstände wickeln kann, diese hermetisch abdichtet und dabei keine seiner optischen Eigenschaften verliert. Ein weiteres Merkmal ist die enorme Hitzebeständigkeit bis 500 °C – vermutlich die wichtigste Eigenschaft des Willow Glass. Denn die hohe Hitzeresistenz ist die Voraussetzung für die industrielle Produktion im Rollenverfahren. Bisher war das nicht möglich.

Grundmaterial zur Herstellung ist alkalifreies Borsilikatglas, das hohen Temperaturen, Wasser, Chemikalien und pharmazeutischen Produkten gegenüber beständig ist. Erreicht wird diese Beständigkeit durch das chemische Element Bor. Das Willow Glas könnte in Smartphones, Tablet-PCs, Notebooks, Leuchtmitteln und Solarzellen eingesetzt werden. In Smartphones ist vermutlich nicht vor 2016 mit einem Willow-Glass-Display zu rechnen, bei Solarzellen gibt es schon erste erfolgreiche Entwicklungen.

Ebenfalls für Smartphones soll sich Samsungs Displaytechnik Youm eignen. Diese basiert im Gegensatz zum Willow Glass auf einer biegsamen TFT-Folie. Solche Folien bestehen aus einer Matrix aus Dünnschichttransistoren, die während der Herstellung auf ein Glassubstrat aufgedampft werden. Bildschirme mit einer Matrix aus TFTs gehören zu den Aktiv-Matrix-Displays. Insgesamt ist Youm nur 0,3 mm dick und laut Hersteller sehr widerstandsfähig. Eine TFT-Aktiv-Matrix wie bei Youm wird auch bei E-Papier-Displays verwendet.

E-Ink-Displays kommen derzeitig vor allem in E-Book-Readern vor. Doch auch hier wird an flexiblen Lösungen geforscht. Im Gegensatz zu den genannten Technologien wird hier auf Kunststoff und nicht auf Glas gesetzt. Das EPD – Electronic Paper Display von LG ist nur 0,7 mm dick und lässt sich bis zu 40° biegen. Ein ähnliches Lesegefühl wie bei Glas erreicht das Plastiksubstrat, das genauso dünn wie der Schutzfilm auf dem Display eines Smartphones ist. Insgesamt wiegt das Display nur 14 Gramm und soll robuster sein als ein E-Ink-Bildschirm.

Flexibler kann ein Display künftig wohl auch durch elastic OLED-Display werden. Wissenschaftlern an der University of Los Angeles in Kalifornien gelang es, einen dehnbaren Bildschirm zu konstruieren. Bei einem Testlauf dehnten die Forscher das Display etwa 1.000 Mal auf 130 Prozent seiner Ursprungsgröße, es blieb jedoch immer funktionsfähig. Allerdings ist das noch nicht alles: Es lässt sich auch um 180° falten und in alle Richtungen verdrehen. Bei einem härteren Belastungstest dehnten die Forscher den Bildschirm sogar auf 200 Prozent seiner Ursprungsgröße, auch dabei blieb das Display intakt.

Der Aufbau, der diese enorme Flexibilität ermöglicht, besteht aus drei Schichten. Hierbei liegt die leuchtende Schicht aus einer elektrolumineszenten Polymermischung zwischen zwei Schichten durchsichtiger und elastischer Kompositelektroden. Die Entwicklung der elastischen Kompositelektroden stellt sich dabei als größtes Hindernis heraus. Gleichzeitig muss die Oberfläche leitfähig, transparent und glatt sein. Die Forscher lösten das Problem mit silbernen Nanodrähten, die von einer Gummi-Polymer-Schicht umgeben sind. Noch sind aber nicht alle Probleme beseitigt: Die Wissenschaftler suchen nach einer Möglichkeit das für Luft zu empfindliche Material zu versiegeln. Ist dieses Problem erst einmal gelöst, sind die Einsatzmöglichkeiten in ihrer Vielfältigkeit noch nicht abzusehen sein. Durchsichtige Monitore, leuchtende Wohnzimmervorhänge und dehnbare Smartphones stellen wohl dann nur den Anfang dar.

Ähnlich skurril wie ein dehnbares Smartphone klingt die Vorstellung von einem 3D-Display zum Anfassen. Disney Research hat einen Algorithmus entwickelt, durch den Kanten, Texturen, Beulen sowie Kombinationen dieser Eigenschaften simuliert werden können. Ist auf einem Display etwa eine Ananas abgebildet, glaubt der Nutzer beim Berühren des Bildschirms, eine Ananas anzufassen. Um diesen Effekt zu erreichen, tricksen die Forscher unser Gehirn aus: Sobald unsere Finger oder Hände etwas berühren, dehnt sich die Haut. Dadurch spüren wir Unebenheiten auf Oberflächen. Durch die sogenannte Elektrovibration erzeugen sie ein elektrisches Kraftfeld zwischen Haut und Bildschirmoberfläche. Es entsteht eine größere Reibung zwischen Bildschirm und Haut, die sich dadurch anders dehnt als bei einer normalen Display-Berührung – unser Gehirn glaubt, eine Unebenheit zu fühlen.

Weit weniger futuristisch sind dagegen die MEMS(Mikro-Elektronisch-Mechanische-Systeme)-Displays von Sharp. Diese Bildschirmtechnologie hat hinter jedem Pixel ein Backlight, das in schneller Abfolge rot, gelb, oder blau leuchtet, und davor kleine Verschlüsse. Die Verschlüsse können in Synchronisation mit dem Backlight die Farbe und die Farbmenge, die durchgelassen wird, kontrollieren. Der hohe Anteil am Akkuverbrauch durch Displays soll dadurch reduziert werden. Bei herkömmlichen Displays gehen bis jetzt etwa Zwei Drittel der Hintergrundbeleuchtung verloren, bis die Helligkeit das Display überhaupt verlässt. Erste Reaktionen auf den Bildschirm fielen positiv aus. Er hätte eine gute Helligkeit und satte Farben. Kritisiert wurden dagegen nachziehende Farbblitze, die entstanden, wenn man vom Display wegschaute.

Sogenannte IGZO-Displays (Indium-Gallium-Zinkoxid) könnten die nächste Evolutionsstufe in der Bildschirmtechnologie sein und Silizium in LCD-Bildschirmen ersetzen. Das Halbleitermaterial erlaubt kleinere Pixel und dadurch eine höhere Auflösung. Gleichzeitig soll der Akkuverbrauch deutlich gesenkt werden. Zudem kann man selbst nach dem Abschalten des Gerätes die letzte Anzeige noch kurzzeitig sehen. Außerdem können die Display-Ränder deutlich kleiner ausfallen und die Integration von Berührungstechnik würde einfacher werden, da weniger Interferenzen auftreten würden.

Im Forschungsprojekt LiCRA arbeiten Unternehmen aus Großbritannien, Israel und Deutschland an dem gemeinsamen Ziel, 2015 ein biegsames, kratzfestes, vollfarbiges und unzerbrechliches Flüssigkristall-Display vorzustellen. Das Unternehmen Plastic Logic übernimmt dabei die Weiterentwicklung und Anpassung einer Technologie mit Dünnschichttransistoren. Die Universität Stuttgart entwickelt den Prozess zum Zusammenbau der Flüssigkristallzellen und Micro Resist Technology ist verantwortlich für die Erzeugung mikroelektronischer Strukturen auf der Folie. Die wird durch das Lösemittelgießen synthetisiert, das bevorzugte Verfahren zur Herstellung von Flüssigkristall-Displays. Jährlich werden durch das Lösemittelgießens etwa 1,2 Milliarden m² Cellulosetriacetat-Folie für TFT-Displays und andere Bildschirme – vermutlich auch für die Bildschirme am Times Square – hergestellt. Das sind 1.200 km² – eine Fläche so groß wie New York.

Bildergalerie

  • Bewegliche Bildschirme aus Papier könnten ein Display-Trend der Zukunft werden.

    Bewegliche Bildschirme aus Papier könnten ein Display-Trend der Zukunft werden.

    Bild: Jürgen Steimle

  • Plastic Logic entwickelt eine Technologie mit Dünnschichttransistoren für biegsame Displays.

    Plastic Logic entwickelt eine Technologie mit Dünnschichttransistoren für biegsame Displays.

    Bild: Plastic Logic

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