Verfahrenstechnik Damit Sie auch morgen noch knusprig zubeißen können

16.04.2012

Speiseöle, die in Chips und anderen Lebensmitteln landen, müssen hohen Qualitätsstandards genügen. Bei C. Thywissen hat Luftsauerstoff in der Vergangenheit die Produktqualität teilweise beeinträchtigt. Ein System zur Inertisierung mit Stickstoff stellt deshalb sicher, dass das Öl in derselben hohen Qualität aus dem Tank kommt wie hinein.

Dass sich Qualität und Quantität nicht ausschließen, beweist C. Thywissen Tag für Tag aufs Neue: Allein am Produktionsstandort Neuss verarbeitet das 1839 gegründete Unternehmen rund 700.000 Tonnen Saaten jährlich zu feinen Speiseölen, Biokraftstoffen und Futtermitteln. Darüber hinaus werden zugekaufte Öle veredelt, sodass die Angebotspalette der Ölmühle heute verschiedenste Produkte in vielfältigen Spezifikationen umfasst. Die Kunden erwarten sehr hohe Qualitätsstandards - gerade in Bezug auf die Haltbarkeit und den Geschmack. "Sonnenblumenöl-Kunden sind die Kunden mit den höchsten Ansprüchen", so die Erfahrung von Michael Fahnenbruck, Geschäftsführer der C.-Thywissen-Produktionstochter Protein- und Oelwerk Neuss. Als Beispiel nennt er die Herstellung von Kartoffelchips: "Mit ihrer großen Oberfläche stellen sie besondere Anforderungen an die Oxidationsstabilität des eingesetzten Öls." Gleichzeitig räumt Fahnenbruck ein, die besonderen lagertechnischen Voraussetzungen für entsprechende Qualitätsstufen anfangs unterschätzt zu haben: "Heute zählen Messwerte, und wir werden von unseren Kunden auditiert. Bei besonders feinen Messverfahren schnitten unsere Öle jedoch nicht immer hundertprozentig ab, obwohl die Peroxidzahl, eine Kennzahl für Ranzigkeit, in Ordnung war."

Um hier die notwendigen Verbesserungen herbeizuführen, setzten die Pflanzenöl-Experten ein ganzes Bündel von Einzelmaßnahmen konsequent um: Vor allem wurde der Einsatz von Stickstoff, mit dem bisher bereits Leitungen gespült wurden, nun auch an anderen Stellen erprobt. Etwa zur Vorbehandlung der Lagertanks oder bei der Verladung. Die Idee dabei: Der gasförmige Stickstoff verdrängt die sauerstoffhaltige Umgebungsluft und reduziert damit Oxidationsreaktionen. "Mosaik-mäßig haben wir mit diesen Maßnahmen das Stabilitätsbild verbessert, aber nicht vollständig", erinnert sich Geschäftsführer Fahnenbruck an das Zwischenergebnis. "Was noch fehlte, war die Lagerung." Um diese Lücke zu schließen, wurden die Lagertanks mit Kühlschlangen ausgerüstet, denn die Oxidationsstabilität hängt progressiv von den Öltemperaturen ab. Zudem realisierte C. Thywissen mit Linde ein umfassendes System zur Inertisierung der Öltanks.

Dabei wird der Hohlraum über dem Tankinhalt komplett mit reinem Stickstoff gefüllt. Luftsauerstoff kann so nicht mehr an das N2-überschleierte Produkt gelangen. Die Rahmenbedingungen für eine solche Lösung sind jedoch komplex: Bei jeder Entnahme beziehungsweise Zugabe oder auch bei temperaturbedingten Schwankungen müssen Gasmenge und Druck im Tank durch die Nachführung von N2angepasst werden. Sehr hohen Volumina mit Entladekapazitäten von 250 bis 300 m³ pro Stunde und Tank stehen dabei kleinste tolerable Druckdifferenzen von gerade einmal 10 bis 20 mm Wassersäule gegenüber. Diese entsprechen 1 bis 2 mbar Druckschwankungen. Um ein Einströmen von Luft zu vermeiden, ist zudem stets ein gewisser Überdruck von 15 mbar notwendig - worauf die bestehenden Tanks nicht von vornherein ausgelegt waren. Auch Fahnenbruck und seinem Team war klar: "Das wird nicht einfach." Linde löste diese Aufgabe mit dem System Gaxinerter, einer Regelstrecke für Stickstoff im Regelbereich bis 100 mbar, in Neuss liegt er bei 2 bis 18 mbar liegt. Mit überwachten Ein- und Auslassventilen dosiert die Einheit, die außen auf dem Tank installiert ist, zuverlässig die exakte Stickstoffmenge. Dehnt sich das Gaspolster bei Temperaturanstieg aus, lassen Sicherheitsventile N2nach außen ab. Auf kurzfristige Veränderungen - zum Beispiel ein Temperaturabfall nach einem Sommergewitter - reagiert das System sofort. Der Druckabfall wird unmittelbar durch das Regelsystem mit zusätzlichem N2ausgeglichen. Geeignet ist die Lösung auch zur Inertisierung anderer sauerstoffsensibler Flüssigkeiten wie Fruchtsäfte oder Pharma-Produkte.

Hohe Qualitätsanforderung

Bei C. Thywissen in Neuss sind inzwischen alle Lagertanks für Speiseöle mit dem System ausgestattet. Selbstverständlich wurden die Mitarbeiter über den sicheren Umgang mit Stickstoff unterwiesen. Die jährliche Verbrauchsmenge liegt bei rund 200 bis 400 Tonnen reinem Stickstoff. Das Gas ist Bestandteil von Biogon, einem speziell für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie entwickelten Sortiment an Reingasen und Gasgemischen. Sie gewährleisten reproduzierbar und garantiert eine immer gleichbleibende Qualität und Reinheit, wie sie die Gesetzgebung für Lebensmittel fordert. Darüber hinaus liegen auch spezielle Zertifizierungen wie etwa "koscher" vor, was für exportierende Unternehmen wie C. Thywissen relevant ist. Seit Einführung der Gaxinerter-Lösung erfolgt die N2-Versorgung nicht mehr über Flaschenbündel, sondern aus einem Flüssiggastank, der regelmäßig über Tank-Lastwagen befüllt wird. Ausgestattet ist der Tank mit Seccura Bulk Management, einer Lösung zur Tankstandsfernüberwachung und automatischen Gaseversorgung. Zwei Jahre nach den ersten Erfahrungen mit dem Inertisierungssystem von Linde ist Geschäftsführer Michael Fahnenbruck voll von der Lösung überzeugt: "Besonders im Sommer war die Oxidationsstabilität unserer Öle in der Vergangenheit nicht zu jeder Zeit über mehrere Tage darstellbar. Jetzt können wir über lange Zeiten stabil lagern. Dadurch konnten wir unsere Marktposition gut behaupten und planen nun eine Verdoppelung unserer Kapazitäten und neue Tankanlagen, selbstverständlich mit dem Inertisierungssystem."

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