Neuer Recycling-Kunststoff 3D-Druck: Durchbruch bei der Abfallvermeidung

Bislang blieben beim Lasersintern bis zu 50 Prozent des Pulvers ungenutzt.

Bild: iStock, izusek
23.11.2020

Materialise kündigt die Einführung eines Kunststoffs an, der erstmals den Druck eines Bauteils mit bis zu 100 Prozent wiedergewonnenem Pulver ermöglicht. Dadurch lassen sich Abfälle im zweithäufigsten 3D-Druck-Verfahren, dem Lasersintern, nahezu vollständig vermeiden und negative Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren.

Beim Lasersintern, der am zweithäufigsten verwendeten 3D-Druck-Technologie, bleibt bis zu 50 Prozent des Pulvers ungenutzt. Die anfallenden Pulverreste lassen sich nur sehr begrenzt wiederverwerten und werden überwiegend entsorgt.

Außerdem führt der 3D-Druck mit ausschließlich gebrauchtem Pulver bisher zu problematischen Oberflächen, sodass die so gefertigten Bauteile für die meisten Anwendungen ungeeignet sind. Mit Bluesint PA12 kündigt Materialise jetzt einen Werkstoff an, der ein Drucken mit bis zu 100 Prozent recyceltem Pulver ermöglicht. Die Ressourceneffizienz von Lasersintern erhöht sich dadurch drastisch.

Pulver neu verwenden

Mit Bluesint PA12 kann Pulver, das normalerweise als Abfall entsorgt wird, noch einmal für neue Bauteile verwendet werden. Bauteile aus Bluesint PA12 haben vergleichbare mechanische Eigenschaften, sodass Anwender Material nun nicht mehr nur auf Basis der technischen Spezifikationen sondern auch aufgrund der Umweltauswirkungen auswählen können.

"Mit Bluesint PA12 können wir den Pulverabfall deutlich reduzieren", sagt Jurgen Laudus, VP und General Manager von Materialise Manufacturing. "Bluesint PA12 ist ein wichtiger Schritt, um den 3D-Druck nachhaltiger zu gestalten. Und es ist ein Beispiel dafür, wie wir unseren Kunden die Möglichkeit geben, sich für Nachhaltigkeit zu entscheiden."

"Viele Menschen betrachten 3D-Druck als positive Kraft, die Unternehmen hilft, nachhaltiger zu arbeiten", erklärt Fried Vancraen, CEO von Materialise. "Doch das alles reicht noch nicht aus. Zu Beginn des vierten 3D-Druck-Jahrzehnts stellt sich nicht die Frage, ob der 3D-Druck eine nachhaltige Fertigungstechnologie ist. Stattdessen müssen wir uns fragen: Wie können wir den 3D-Druck nachhaltiger machen?"

Für 2021 plant Materialise den Einsatz mehrerer Lasersinter-Maschinen, die mit Bluesint PA12 bestückt werden. Allein in der Einstiegsphase möchte das Unternehmen mehr als fünf Tonnen Material wiederverwenden, das normalerweise als Abfall entsorgt werden würde.

Materialise hat ferner ein Beta-Programm für den Bluesint-PA12-Service ins Leben gerufen und lädt hierfür ausgewählte Kunden mit unterschiedlichsten Anwendungen und einem Fokus auf Nachhaltigkeit ein, am Marktvalidierungsprozess für die neue Technologie teilzunehmen.

Orangenhaut-Effekt vermeiden

Die Suche nach einem nachhaltigeren 3D-Druckprozess begann vor sieben Jahren im Forschungslabor von Materialise in Leuven, Belgien. Das Problem beim Lasersintern ist, dass der 3D-Druck mit ausschließlich gebrauchten Pulvern, also Restpulver aus einem früheren 3D-Druck-Process, eine Oberfläche verursacht, die auch als "Orangenhaut" bezeichnet wird.

Durch sie wird das gedruckte Objekt weitgehend unbrauchbar. Verursacht wird der Orangenhaut-Effekt durch Schrumpfung, die auftritt, wenn das Pulver zwischen zwei aufeinanderfolgenden Sinterprozessen abkühlt. Zurzeit wird daher zurückgewonnenes mit frischem Pulver gemischt, was jedoch eindeutig keine nachhaltige Lösung darstellt.

Durch den Einsatz eines 3D-Druckers mit mehreren Lasern konnten Materialise-Ingenieure erstmals einen Laserstrahl zum Sintern des Pulvers verwenden und einen anderen dazu, das Pulver über einer bestimmten Temperaturschwelle zu halten. Dadurch verhindern sie das Abkühlen des Pulvers beim Übergang von einer zur nächsten Schicht und damit auch den Schrumpfungsprozess, der letztlich den Orangenhaut-Effekt verursacht.

Als Ergebnis erhält man ein Objekt, dessen mechanische und visuelle Eigenschaften vergleichbar sind zu herkömmlich 3D-gedruckten Bauteilen. Da das Produkt jedoch zu 100 Prozent aus recyceltem Pulver gefertigt wurde, wird Pulverabfall so gut wie eliminiert.

Umweltauswirkungen des 3D-Drucks

In den letzten dreißig Jahren konnte sich der 3D-Druck als leistungsstarke und nachhaltige Produktionslösung etablieren. Er bietet dezentrale Produktion direkt vor Ort, verbessert die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen durch personalisierte medizinische Produkte und ermöglicht durch kundenindividuelle Massenfertigung und besserer Verteilung einen Produktionsprozess mit weniger Abfall.

Aus diesem Grund wird der 3D-Druck gemeinhin als positiver Wirkfaktor für nachhaltiges Wirtschaften wahrgenommen. Eine Umfrage im Auftrag von Materialise (Beats Group, November 2019) zeigt, dass 76 Prozent der chinesischen Hersteller der Ansicht waren, dass 3D-Druck ein nachhaltigeres Herstellungsverfahren ist als herkömmliche Fertigungstechnologien.

BASF und Materialise haben kürzlich eine LCA für die Herstellung von einer Million Paar Mittelsohlen durchgeführt, um die Umweltauswirkungen in allen Phasen der Produktlebensdauer zu bewerten. In diesem Fall verglichen sie die Umweltauswirkungen von drei unterschiedlichen 3D-Druck-Technologien mit einer herkömmlichen Fertigungstechnologie: Dem konventionellen Polyurethan-Gießen. Die Ökobilanz zeigt, dass 3D-Druck bei großen Serien identischer Produkte momentan nicht die nachhaltigste Wahl ist und größere Auswirkungen auf den Klimawandel und den Verbrauch fossiler Brennstoffe hat als herkömmliche Fertigungstechnologien.

Während bei dieser Analyse Großserien identischer Produkte untersucht wurden, bietet der 3D-Druck in der Regel Vorteile für die Produktion kleinerer oder kundenspezifischer Serien, die lokal produziert werden können. Auf diese Weise lässt sich die Umweltbelastung durch den 3D-Druck wieder ausgleichen. Dennoch bleibt es entscheidend, dass die 3D-Druck-Branche weiterhin in nachhaltigere Technologien investiert.

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