Fachbeitrag Biomethan industriell und nachhaltig

11.12.2012

Geht das alles auf einmal: Biogas sowohl industriell als auch dezentral produzieren und einspeisen - und das auch noch wirtschaftlich sowie nachhaltig? Auf diese Frage haben die Partner eines Modellprojekts (Gelsenwasser, PlanET Biogastechnik, Hochschule Münster und Fraunhofer-Institut Umsicht) in einer Studie eine Antwort gesucht.

Dass es ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein kann, Biogas dezentral zu erzeugen und die vorhandene Erdgas-Infrastruktur als Transportnetz zu nutzen, um dann das Biogas am tatsächlichen Verbrauchsort einzusetzen, steht seit einigen Jahren außer Frage. Auch die Idee, das Rohbiogas mehrerer Biogasanlagen zu bündeln, um die Investitionskosten zu verteilen, ist nicht neu. Nie zuvor sind jedoch in einer Studie alle relevanten Stakeholder in die Betrachtungen mit einbezogen worden. Ein wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung des Biomethanmarktes in Deutschland endlich einer Initialzündung bedarf.

Das Kooperationsvorhaben „Nachhaltiges Biogas am Niederrhein“ untersuchte in der Modellregion wirtschaftliche, wasserrechtliche und technische Hürden, die sich aus dem Zusammenspiel der einzelnen Projektpartner ergeben, also der Land-, Energie- und Wasserwirtschaft sowie dem Staat.

Die zentrale Frage war, ob sich ein Biogaseinspeisesystem wirtschaftlich und zugleich nachhaltig realisieren lässt. Folglich mussten auch Faktoren wie die Netztopologie, regionale Nährstoffbilanzen oder Boden- und Grundwasserbelastungen berücksichtigt werden. Hierzu bestanden im Versorgungsgebiet von Gelsenwasser am Niederrhein günstige Voraussetzungen, wie eine zuvor durchgeführte Potenzialstudie zeigte.

Das Projektkonzept ist so angelegt, dass aufgrund der Modellbildung eine Übertragung auf andere Regionen möglich ist. Das Besondere an dem Modellprojekt ist, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette relevante Einflussgrößen bestimmt wurden, die ein nachhaltiges Umsetzen des Projektes beeinflussen. Zudem wurde die Interessenlage der einzelnen Stakeholder benannt, um potenzielle Konfliktlinien beim Modellieren direkt zu berücksichtigen. Es ging also nicht darum, nur technisch oder wirtschaftlich zu analysieren, ob sich eine Biogas-Sammelschiene lohnt. Eine besondere Herausforderung war zum Beispiel, aus umweltpolitischer Sicht zu berücksichtigen, wie sich das verstärkte Nutzen nachwachsender Rohstoffe auf die Nährstoffsituation der Böden auswirkt, besonders im Hinblick darauf, welche Folgen die Konzentration von Stickstoff (N) und Phosphor (P) für die Grund- und Trinkwasserqualität hat. Parallel wurde die Bilanz klimarelevanter Emissionen wie Methan und Kohlendioxid berechnet.

Es liegt auf der Hand, dass die restriktiven Vorgaben des Gesamtprojektes gerade das Modellieren von landwirtschaftlich geprägten Regionen erschwert haben, besonders solcher mit intensiver Viehhaltung wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen.

Drei Analyse-Tools führen zum Ziel

In den drei Analysefeldern Technik, Ökologie und Wirtschaft kann detailliert geprüft werden, wie wahrscheinlich sich einzelne Ansprüche realisieren lassen. Zudem ist die Gliederung in drei Analyse-Tools strukturgebend für das Gesamtprojekt, wie die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt.

Das Analysefeld „Technik“dient dazu, verschiedene Lösungsvarianten der Biogaseinspeisung verfahrenstechnisch berechnen zu können. Damit wird geprüft, was technisch machbar ist. Folgewirkungen von Parameterveränderungen auf das Detailkonzept inklusive der potenziellen Kosten können prognostiziert und verschiedene Varianten durchgespielt werden. Anwendungsfelder sind das Erzeugen von Biogas in dezentralen Biogasanlagen, das Vorkonditionieren beziehungsweise Vorverdichten und Messen des Rohbiogases, der Biogastransport, das Aufbereiten des Biogases, also das Abtrennen von CO 2, sowie das Aufbereiten der Gärprodukte mittels Ultrafiltration oder Umkehrosmose. Für den Biogastransport über eine Biogassammelleitung beispielsweise kommen drei mögliche Varianten in Frage: Linear, sternförmig und eine Kombination aus beiden Varianten.

Über ein eigens entwickeltes Rechen-Tool können die technischen Voraussetzungen, die an der jeweiligen Biogasanlage gegeben sein müssen, exakt bestimmt werden. Zum Beispiel die Druckstufe der Rohbiogasleitung, um mit einer definierten Anzahl beteiligter Biogasanlagen etwa eine sternförmige Sammelleitung zur Aufbereitungsanlage realisieren zu können. Beliebige Systemkonfigurationen unter Berücksichtigung gewählter Rahmenbedingungen liefern belastbare Ergebnisse für unterschiedliche Szenarien. Aus den einzelnen Szenarien wurden in einem weiteren Schritt Vorzugsvarianten ermittelt, auf deren Grundlage auch die ökonomischen und ökologischen Kriterien geprüft werden können. Für ein erfolgreiches Umsetzen des Projektes in der Zielregion wurden nachfolgende technische Voraussetzungen ermittelt:

Die Minimalkonfiguration muss aus zwei Biogasanlagen bestehen, die zusammen mindestens 1000Nm3Rohbiogas pro Stunde liefern. Als kleinste Anlagengröße im Gesamtkonzept sollen Anlagen mit einer Leistung von 125Nm3/h Bestandteil sein. Der Einzugsbereich einer einzelnen Anlage soll in einem Durchmesser von fünf bis 15km liegen, um Rohstofftransporte gering zu halten. Ferner kann die Abschreibungsdauer des Gasnetzes und der Anlagentechnik mehr als 20 Jahre betragen, sie ist also nicht an das EEG gekoppelt. Wobei das EEG 2009 als Grundlage für die wirtschaftlichen Berechnungen war.

Das Analysefeld „Ökologie“wiederum stellt Nährstoff- und Stoffströme in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Auf Grundlage von Input/Output-Annahmen, geht dieses Analysefeld davon aus, dass eine starke Konzentration von Biogasanlagen in einem spezifischen Gebiet die entsprechenden Nährstoffflüsse beeinflusst. Deshalb wurden anhand eines speziellen Nährstoffmodells mögliche Abhängigkeiten untersucht und Optionen für ein Stoffstrom- und Nährstoffmanagement entwickelt - zum Beispiel Vermindern des Mineraldüngereinsatzes, Aufbereiten, Export der Gärrückstände und so weiter. Um das Biomasse-Potenzial in einer ausgewählten Region zu ermitteln, und zu berechnen, wie viele Nährstoffe bei der gegebenen Flächennutzung und Viehhaltungsstruktur maximal ausgebracht werden dürfen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Sehr restriktive Annahmen orientieren sich vorrangig an den Interessen der Wasserwirtschaft. Es ist aber auch möglich, sich bei der Potenzialanalyse an Vorgaben des landwirtschaftlichen Fachrechts zu orientieren. Das ist zwar weniger restriktiv, aber immer noch begrenzender als die ausschließliche Ermittlung potenzieller Flächenverfügbarkeit für den Anbau von Energiepflanzen und die Verfügbarkeit von Gülle oder Festmist, siehe Abbildung oben. Bei diesem Analyse-Tool muss also im Einzelfall geprüft werden, welche der drei Szenarien die Grundlage für weiterführende Berechnungen bilden sollen. An diesem Punkt dürfte sich in der Praxis am deutlichsten zeigen, dass die Interessenlage der einzelnen Stakeholder mitunter deutlich differiert.

Das Analysefeld „Wirtschaftlichkeit“schließlich baut auf den Grundannahmen der Analysefelder Technik und Ökologie auf. Es umfasst die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Investitionen und Betrieb sowie die Entwicklung eines Vertragsmodells, das die Beziehungen zwischen den beteiligten Akteuren regelt - zum Beispiel ein Kooperationsvertrag zur nachhaltigen Biogaserzeugung zwischen Landwirten und Betreibergesellschaft. Zusätzlich wurde zum Berechnen der Wirtschaftlichkeit des Einspeisesystems ein dynamisches Planungsmodell entwickelt, das über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren Businesspläne für die Betreibergesellschaft erzeugen kann. Im Fokus steht hier insbesondere die Gegenüberstellung der Wirtschaftlichkeit zwischen der „Verstromung mittels BHKW vor Ort“ und der „Rohbiogaseinspeisung in die Sammelschiene mit anschließendem Aufbereiten und Vermarkten des erzeugten Biomethans“. Dieses Rechen-Tool soll auch in anderen Zielregionen Projektpartnern dazu dienen, verlässliche Zahlen zu ermitteln. Besonders wenn es darum geht, die Finanzierung bei Banken und Kreditinstituten zu beantragen.

Die Zielregion nimmt Gestalt an

Anhand dieser sehr differenzierten und umfangreichen Datengrundlage startete die konkrete Planung eines übertragbaren Referenzsystems für die Ausgestaltung eines Biogaseinspeisesystems. Unter Berücksichtigung zuvor vereinbarter Parameter nebst favorisierten Szenarien aus den drei strukturgebenden Analysefeldern wurden einzelne Regionen im Versorgungsgebiet von Gelsenwasser geprüft und ausgewertet.

Nachdem die optimale Zielregion ermittelt war, begann die intensive Akquise interessierter Landwirte mithilfe des eigens entwickelten Kommunikations-Tools. Insbesondere die hohen Nachhaltigkeitsanforderungen aus dem Szenario 3 „Wasserwirtschaft“ ließen erwarten, dass es kein Leichtes sein würde, Landwirte für dieses Vorhaben zu gewinnen. Dennoch befindet sich das Projekt derzeit in einem fortgeschrittenen Stadium, in dem unter Hochdruck an einer baldigen Umsetzung - geplant Ende 2014 - gearbeitet wird.

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