Smart Traffic & Mobility Mehr Reichweite mit grüner Navigation

06.08.2014

Noch schrecken lange Ladezeiten und kurze Reichweiten von der Verwendung von Elektroautos ab. Daher fasst das im Spitzencluster Elektromobilität Süd-West vom BMBF geförderte Projekt GreenNavigation verschiedene Informations- und Mobilitätsdienste zusammen und nimmt auch die Witterung in den Fokus.

Bei batterieelektrischen Fahrzeugen reicht die gespeicherte Energie meist nur für Fahrstrecken von rund 150 Kilometern. Höhere Geschwindigkeiten, Klimatisierung, Komfortfunktionen und Entertainment verkürzen zusätzlich die Reichweite. Die Akkukapazität kann trotz intensiver Forschungsaktivitäten in den kommenden Jahren nicht deutlich erhöht werden. Daher verfolgt das Forschungsprojekt GreenNavigation den Ansatz, moderne Informations- und Kommunikationstechnik einzusetzen, um Energieverbrauch und Reichweite zu optimieren.

Im Zentrum des Projekts steht eine ganzheitliche und verlässliche Verbrauchsprognostik. Um den Energieverbrauch und die Reichweite möglichst exakt vorherzusagen, wird neben Fahrzeugeigenschaften, Fahr- und Betriebsstrategien sowie Daten von Echtzeitdiensten auch das Verhalten des Fahrers einbezogen. Ohne diese Informationen können Energieverbräuche der einzelnen energieverbrauchsbestimmenden Komponenten nicht ausreichend genau vorhergesagt werden. Das würde zu einem signifikanten Anstieg der Prognose­ungenauigkeit und damit der Reichweitenangst führen.

GreenNavigation erforscht und entwickelt zudem neue Methoden zur Berechnung energieoptimierter Routen. Die intelligente Verknüpfung neuartiger Fahrzeugkonzepte mit modernen Kommunikationstechnologien vergrößert darüber hinaus die Reichweite der Elektrofahrzeuge. Somit verfolgt GreenNavigation den Ansatz, die Reichweitenangst einzuschränken und gleichzeitig die tatsächlich nutzbare Reichweite zu erhöhen.

Exaktere Prognose

Bei Elektrofahrzeugen muss die Reichweite möglichst genau abgeschätzt werden. Viele Randbedingungen bestimmen den Verbrauch, etwa die diversen Energieverbraucher des Fahrzeugs, die Charakteristik des Antriebsstrangs oder die eingesetzte Energiemanagementstrategie. Weiterhin müssen auch Angaben über die Beladung und die Fahrweise in die Berechnungen einfließen.

GreenNavigation ist ein lernendes System, das sich seinerseits auf den Fahrer einstellt und Faktoren einer eher ruhigen und antizipativen Fahrweise unter strikter Befolgung von Hinweisen genau wie diejenigen einer dynamische Fahrweise mit starken Beschleunigungsvorgängen, hohen Kurvengeschwindigkeiten und späten Bremsvorgängen charakterisiert und in die Berechnungen einbezieht. So kommt das System zu einer individuellen Optimierung der nutzbaren Reichweite. Weiterhin bestimmt die Streckenführung wesentlich den Energieverbrauch: Höhen- und Kurvenprofil sind dabei ebenso bedeutend wie Wetter und Verkehr.

Klimatisierung sowie die Bereitstellung von geeigneten Betriebsbedingungen für die Batterien können die Reichweite in extremen Fällen um bis zu 50 Prozent einschränken. Um diesen Effekt einbeziehen zu können, sind die meteorologischen Gegebenheiten entlang der zu fahrenden Strecke von hoher Signifikanz. Viele neue Elektrofahrzeuge, die seit Projektstart auf den Markt kamen, berücksichtigen bereits zumindest momentane Umweltbedingungen wie die aktuelle Außentemperatur im Fahrzeugumfeld. Jedoch können insbesondere diese Sensordaten durch Abstellen des Fahrzeugs im Parkhaus oder in der prallen Sonne signifikant von den tatsächlichen Bedingungen während der Fahrt abweichen oder sich im Laufe der Fahrt deutlich verändern und somit die Prognosegüte stark einschränken. Untersuchungen innerhalb des Projekts haben zudem ergeben, dass nicht allein die Außentemperatur einen wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Außerdem sind auch Faktoren wie Sonneneinstrahlung sowie Wind­richtung und -stärke von signifikantem Einfluss. So strahlt die Sonne bei unbewölktem Himmel mit rund 1000 Watt je Quadratmeter ein – Energie, die aus dem Fahrzeug durch aktive Kühlung abgeführt werden muss.

Navigations- und Fahrstrategien

GreenNavigation verknüpft zur Reichweitenoptimierung zwei unterschiedliche Ebenen: Auf der Ebene der Makrooptimierung erfolgt die Routenplanung, basierend auf Verkehrsdaten, Informationen über Ladesäulen, Ladezeiten und Parkmöglichkeiten sowie Fahrzeug- und Streckeneigenschaften. Auf der Ebene der Mikrooptimierung stehen die Fahr- und Betriebsstrategien im Fokus. Dabei erhält der Fahrer eine Effizienzbewertung seiner Fahrweise sowie individuelle Fahrempfehlungen. Anonymisiert abgelegte Profile von bereits charakterisierten Fahrern werden dem aktuellen Nutzer des Fahrzeugs zugeordnet.

Fahrstrategien wie „Segeln“ (Auskuppeln des Antriebs) bieten sich bei Elektrofahrzeugen an und werden in ihrer Auswirkung auf den Energieverbrauch ebenso berücksichtigt wie Betriebsstrategien, die beispielsweise die Antriebslast energieeffizient zwischen den Motoren des Fahrzeugs verteilen und einzelne Motoren abschalten und auskoppeln. Der Effizienzgewinn allein durch Betriebsstrategien konnte in vergleichenden Messfahrten auf bis zu acht Prozent taxiert werden, weshalb ihre Berücksichtigung für eine hohe Prognosegenauigkeit unabdingbar ist. Im Betrieb erfasste Informationen zu Alter und Nutzungsprofil des Fahrzeugs werden eingesetzt, um die verbleibende Ladekapazität abzuschätzen und diese Information für die Reichweitenvorhersage zu nutzen.

Planbarer Einsatz

GreenNavigation erlaubt es, auch kurzfristig auf Wetter­umschwünge oder Staus zu reagieren sowie verschiedene Systeme und Dienste anzubinden oder gegeneinander auszutauschen. Die Informationen zu Umgebung und Strecke fließen in die Berechnungen der Verbrauchsprognose ein. Neben der notwendigen Datenerfassung durch Sensorik entwickeln die Projektpartner derzeit eine Telematik-Plattform, die eine sichere und vertrauliche Verwendung von Informationen sowie eine flexible Nutzung von Diensten gewährleisten wird.

Durch die Erhöhung der tatsächlichen Reichweite und die verlässliche Angabe der Restreichweite ermöglicht Green­Navigation den planbaren Einsatz von Elektrofahrzeugen. Das Risiko, unterwegs liegenzubleiben, wird damit deutlich vermindert. Das erhöht die Akzeptanz der Elektromobilität bei den Nutzern.

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