Titelreportagen Intelligente Netze in drei Schritten


Bild: Trevorimages/iStockphoto
09.04.2015

Ein „energiewendetaugliches“ Smart Metering will die Bundesregierung im Sommer verordnen. Der geplante Dreisprung lässt die Branche aufhorchen, denn konkrete Vorarbeiten können nun beginnen. Am Horizont zeichnen sich neue Business-Modelle und Marktkonstellationen ab.

Sieben ist eine „vollkommene Zahl“ – so sah man das zumindest in der Antike. Aber auch das Bundeswirtschaftsministerium schickte im Februar sieben Eckpunkte voraus (Informationen am Textende), um die Leitplanken für das Verordnungspaket „Intelligente Netze“ zu skizzieren, das noch vor der Sommerpause dem Kabinett vorliegen soll. Vor allem wegen der „abschließenden Regelung von Einbauverpflichtungen“ (Punkt 3) können sich Messstellenbetreiber, aber auch Netzbetreiber, Stromlieferanten, Vermarkter, Dienstleister und Bilanzkreisverantwortliche nun daran machen, ihre Strategie im Umgang mit „intelligenten“ Zählern (im Ministerien-Jargon „iZ“ genannt) und deren Einbindungen in ein „intelligentes“ Messsystem (iMSys) festzuzurren.

„Intelligente“ Messsysteme ab 2017 in Stufen

Denn nun ist klar: Der iMSys-Einbau erfolgt im Zwei-Jahres-Takt ab 2017. Zunächst bei Kunden, die mehr als 20.000 kWh/Jahr Strom benötigen, ab 2019 folgen auch Stromverbraucher über 10.000 kWh/Jahr und 2021 die über 6000 kWh/Jahr. Den seit langem diskutierten generellen und daher gleichmäßigen „Rollout“ macht die Regierung damit zu einem eher holprigen Dreisprung. So wollen die Maßnahmen im Hinblick auf die Einführungszeitpunkte gut überlegt und vorbereitet sein, weil sich das Ausliefern von Infrastruktur-Komponenten eigentlich nach Straßenzügen leichter und kostengünstiger organisieren lässt als nach Jahreszahlen. „Das bedeutet Arbeit und Aufwand und stellt insbesondere für viele Stadtwerke eine enorme Herausforderung dar“, sagt Robert Pflügl von Eon Metering (komplettes Interview: http://www.industr.com/Energy20-Magazin/de_DE/themen/Software-und-Services/150547). Um diesen Herausforderungen zu begegnen und Zusatznutzen zu entwickeln, müsse man sich jetzt aktiv auf die Einführung vorbereiten. „Das ist nichts, was mit dem Kauf und der Installation der Smart Meter erledigt ist.“

Unterhalb von 6000 kWh/Jahr soll nach den Vorstellungen des BMWi sogar der Einbauzwang von intelligenten Messsystemen bei Neubauten und größeren Renovierungen aus dem §21c des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) purzeln, weil es bei Otto Normalverbraucher genüge, spätestens im Jahr 2032 „intelligente“ Zähler zu installieren, die sich bei Bedarf nachträglich mit Smart Meter Gateways iMSys-tauglich machen lassen. Wie Bürger den Segen der Messtechnik nutzen und damit zu höherem Energieeffizienzbewusstsein finden sollen, will Vater Staat freilich nicht vorschreiben: „Die Art und Weise der Nutzung der Visualisierungsoption obliegt dem Verbraucher“, formulieren die Bürokraten diplomatisch zurückhaltend.

Welche Anwendungen in der Breite tatsächlich Umsetzung finden, steht damit in den Sternen. „Technisch könnte man vieles tun, und man hat da viele Ideen. Aber es bleibt abzuwarten, was angesichts der Datenschutzvorgaben umgesetzt werden kann“, gibt Pflügl zu bedenken. „Die Entwicklung von Angeboten mit nachhaltigen Kundennutzen und entsprechender Kaufbereitschaft wird sicher eine enorme Herausforderung.“

Zu den Lösungen, die dagegen auch aus Netzsicht sinnvoll sind, gehört sicher Smart Heating – wenn man so will die gute alte Nachtspeicherheizung, aber mit innovativerer Technik und vor allem einer flexibleren Form der Betriebsführung. „Smart Heating werden wir voraussichtlich in vielen Spielarten und Tariflösungen finden“, erwartet Pflügl. „Das wird sich ausdifferenzieren, und da können auch kleinere Marktteilnehmer profitieren, wenn sie Know-how zukaufen.“

Anwendungen für größere Stromkunden

Welche Lösungen bei gewerblichen oder industriellen Anwendern den höchsten Mehrwert erbringen, hängt sehr stark von der Kundengruppe ab. „Mobilfunkbetreiber etwa haben Zehntausende Sendemasten in Deutschland stehen, denen hilft so eine Technologie ganz enorm“, ist die Erfahrung von Pflügl. „Denn wenn heute der Ableser zum Sendemast rausfährt, muss – so banal das klingt – irgendwie aufgesperrt werden. Und monatlich oder öfter eine genaue Rechnung zu kriegen, ist für solche Kunden ein Mehrwert, weil sie beispielsweise Schlüsse aus dem Stromverbrauch ziehen können, ob alle Anlagen richtig funktionieren.“

Interessante Geschäftsfelder sieht Eon Metering jedoch nicht nur im Bereitstellen der technischen Infrastruktur, sondern auch auf dem Feld der Dienstleistungen. Konkrete Angebote, mit denen Eon sich profilieren könne, seien „ganz klar Gate­way-Administration und Messstellenbetrieb“. Darüber hinaus könne man dem Kunden auch vertriebsstrategisch helfen, also beispielsweise Produkte entwickeln, die einen Rollout begleiten. „Wir reden ja bereits seit zehn Jahren über Smart Metering und haben in der Vergangenheit eine Menge Erfahrungen gesammelt“, resümiert Pflügl und erwartet einen eher unspektakulären Einstieg in den neuen Markt: „Zu Beginn werden es keine völlig neuen Produkte sein. Aber grundsätzlich ergeben sich natürlich viele neue Möglichkeiten, und viele kleinere Versorgungsunternehmen werden Unterstützung benötigen, um die Möglichkeiten des Smart Metering zu erschließen.“

„Intelligente“ Messsysteme für Erzeuger

Ein Stufenmodell favorisiert das BMWi auch für den iMSys-Einbau bei Stromerzeugungsanlagen. 7 kW installierte Leistung ist laut Eckpunkte-Papier nach wie vor die Schwelle, ab der Alt- und Neuanlagen mit solchen Systemen ausgestattet werden sollen. Ab 2017 sollen sie ein Smart Meter Gateway bekommen, Anlagen über 100 kW dann ab 2019. Die Klein­anlagen zwischen 0,8 und 7 kW brauchen wiederum einstweilen nur den „intelligenten“ Zähler, jedoch werde im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Prosumer geprüft, „ob für Eigenverbrauchs-Konstellationen grundsätzlich Einbaupflichten für intelligente Messsysteme vorgesehen werden sollten.“

Das Messen geht bei Erzeugungsanlagen trotz intelligenter Kommunikation jedoch nicht unbedingt einher mit dem Steuern. Zwar könne bei Erneuerbare-Energien-Anlagen mit Steuerungstechnik „das installierte System sowohl für das (netzdienliche) Einspeisemanagement als auch für die (marktorien­tierte) Fernsteuerung genutzt werden“, beschreibt das Bundeswirtschaftsministerium die Vorzüge der Steuerungstechnik. Doch müssen nicht alle solche (oder auch KWK-)Anlagen auch eine Schaltbox bekommen. Soweit das EEG eine Steuerungstechnik nicht vorschreibe, genügt eine iMSys-Ausstattung, die sich mit Hard- und Software zur Steuerung nachrüsten lässt, „sollte der Netzbetreiber dies für angezeigt halten.“

An dieser Schnittstelle zur Steuerung von Energieerzeugern sieht Eon jedenfalls auch eine Rolle für sich. „Das Thema virtuelle Kraftwerke begleiten wir auch, weil wir eine technologische Voraussetzung dafür dann bei den Kunden installieren können“, sagt Pflügl. „Eon gehört zu den ersten Komplett-Dienstleistern, die den Kunden die gesicherte Vermarktung der flexiblen Leistung über den großen Eon-Pool anbieten.“

Die neue Agilität

Auch nach Jahren der Liberalisierung wird auf dem IT-lastigen Feld der „intelligenten“ Messsysteme den Energieriesen nicht unbedingt zugetraut, sich gegen Wettbewerber aus der Computer- und Telekommunikationsbranche durchzusetzen, die auf solchen Märkten dynamisch unterwegs sind. „Wir glauben aber, dass wir in den letzten Jahren bei diesem Thema viel dazugelernt haben,“ relativiert Pflügl. „Wir haben verstanden, dass wir speziell bei solchen Dienstleistungen nicht erfolgreich sein werden, wenn wir über Jahre im stillen Kämmerlein planen und Angebote ohne Kunden-Feedback fertigstellen. Stattdessen entwickeln wir gemeinsam mit den Kunden auch prototypisch, um zu sehen, was die Grundbedürfnisse unserer Kunden sind. Wir gehen das individuell mit den Kunden einzeln an, um das in einer agilen Art und Weise in der Projektarbeit umsetzen.“

Verordnungspaket „Intelligente Netze“: Die BMWi-Eckpunkte im Überblick

1. Sichere und effiziente Kommunikation im intelligenten Netz

2. Nachhaltige Modernisierung der Zählerinfrastruktur, aber „kein genereller Rollout“

3. Stufenweiser Ausbau intelligenter Messsysteme; intelligente Zähler als Basisinfrastruktur

4. Variable Tarife unterstützen, Bilanzierungsverfahren kosteneffizienter machen, Anreize für eine Flexibilisierung auf Last- und Erzeugungsseite schaffen

5. Wettbewerb stärken, Liegenschaftsmodernisierung ermöglichen, Bündelangebote erleichtern, Kosten senken

6. Datenschutz und Datensicherheit

7. Breites Informationsangebot

Bildergalerie

  • „Intelligenter“ Zähler: Der Wechsel beginnt 2017 bei großen Verbrauchern.

    „Intelligenter“ Zähler: Der Wechsel beginnt 2017 bei großen Verbrauchern.

    Bild: Eon

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